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Keine Anbiederung bei Putin

Werner Schulz5. Dezember 2013

Die Beziehungen zu Russland sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Außenpolitik und der EU. Aber die Europäer sollten immer auf ihren Werten bestehen, meint der Europaabgeordnete Werner Schulz.

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Die derzeitigen Koalitionsverhandlungen und der mögliche Einstieg der SPD in die Regierung beflügeln offenbar die Phantasie. Manche Kommentatoren wittern Morgenluft und fordern wie vor kurzem Alexander Rahr eine Revision der deutschen Russlandpolitik. Weniger "Eindämmungspolitik", mehr Kooperation, weniger "liberale" Werteorientierung, mehr Realpolitik, so seine Kernaussage.

Portrait von Werner Schulz (Foto: DW)
Bild: DW/N. Jolkver

Von einer Energieallianz mit Russland könne vor allem die EU profitieren, behauptet er. Wenig überraschend vor dem Hintergrund, dass Alexander Rahr seit 2012 Chefberater der Wintershall AG ist, die mit Gazprom bei Nord- und South-Stream gute Geschäfte macht. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Moskaus Außenpolitik destruktiv

Es bleibt auch Rahrs Geheimnis, worin der positive Beitrag Russlands im Syrienkonflikt bestehen soll. Zwar ist Putins Kalkül aufgegangen, das Giftgasarsenal seines Schützlings Assad preiszugeben, um ihn dafür unangreifbar zu machen. Doch angesichts des unverminderten Krieges gegen die eigene Bevölkerung ist dieser "diplomatische Schachzug" blanker Zynismus. Nach wie vor leistet der Kreml durch Waffenlieferungen und seine Obstruktionspolitik im UN-Sicherheitsrat Beihilfe zum Mord.

Im Atomstreit mit dem Iran zeigt sich ein ähnliches Bild. Der Schlüssel für eine langfristige Lösung dieser Probleme liegt in Moskau, das einerseits an den Verhandlungen beteiligt ist, andererseits aber auch die Atomtechnik an das Regime in Teheran liefert.

Für Deutschlands Unterstützung einer raschen Aufnahme in die G8 hat sich Russland mit Destruktivität revanchiert. Präsident Putin gefällt sich in der Rolle des Mister "Njet". Sein Phantomschmerz über den Zerfall der Sowjetunion verbindet sich mit der Realitätsverweigerung, dass Russland heute eine Weltmacht von gestern ist. Der Vorschlag des Kremls einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur geht offenbar auf Potemkin zurück.

Die EU-Ostpartnerschaft und des Kremls Drohpotential

Einer der Hauptstreitpunkte zwischen der EU und Russland ist die Östliche Partnerschaft. Ziel der EU ist es seit 2008, ihre Nachbarschaft im Osten wirtschaftlich zu stärken und beim Aufbau von Demokratie und Rechtsstaat zu helfen. Russland war ausdrücklich Teil dieser "neuen Ostpolitik", bestand jedoch auf einen Sonderstatus.

Mit der Amtseinführung Putins III. ging der Kreml 2012 erneut auf Konfrontationskurs. Ehrgeizig wurde die Bildung einer künftigen Eurasischen Union verkündet. Unabhängige Staaten wie die Ukraine, Armenien oder Georgien sollen wieder unter russische Hegemonie kommen. Putin versucht mit allem verfügbaren Drohpotential, Länder der Östlichen Partnerschaft in die mehr schlecht als recht funktionierende Zollunion zu zwingen. Durch einen Handelskrieg, den Importstopp für ukrainische Waren, die Erhöhung des Gaspreises in Armenien oder das Zündeln an den Regionalkonflikten in Transnistrien und Berg-Karabach wird versucht, eine Bannmauer zwischen der EU und den ehemaligen Sowjetrepubliken aufzubauen.

Putin verlangt eine Sonderrolle für Russland

Ein weiteres Angebot der EU an Russland war die Neuauflage eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens. Ende 2007 ist der Vorgänger aus dem Jahre 1997 ausgelaufen. Doch die Verhandlungen liegen auf Eis, weil ausgerechnet in den Bereichen Handel und Energie keine Fortschritte erzielt werden.

Nachdem Russland die Internationale Energiecharta unterschieben hat, sich aber danach zurückzog, verlangt es nun eine Sonderrolle. Für Gaz-Putin sollen die Gesetze des EU-Binnenmarktes nicht gelten. Ebenso verhält es sich beim Handel, bei dem es trotz WTO-Beitritts keine Bewegung gibt. Die großspurig angekündigte Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon ist eine hohle Phrase und unehrlich, wenn selbst kleine Schritt ausbleiben.

Einhaltung grundlegender Prinzipien unverzichtbar

Obwohl sich Russland als Mitglied im Europarat und der OSZE zur Einhaltung fundamentaler Menschen- und Bürgerrechte verpflichtet hat, verschärft sich die gesellschaftspolitische Situation, wird der Freiraum der Zivilgesellschaft immer mehr eingeschränkt. Trotzdem setzt Rahr auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum ohne stabile Grundwerte. Ist es nicht eine Lehre aus dem Arabischen Frühling, dass die enge Kooperation mit Autokraten nicht von Dauer sein kann?

Auch Steinmeiers Idee einer Modernisierungspartnerschaft ist in Ansätzen stecken geblieben. Während die technische Erneuerung vorankommt, bleibt die gesellschaftliche Modernisierung auf der Strecke. Also Handel ohne Wandel. Die Bekämpfung der Korruption und der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates stagnieren oder unterliegen einem sowjetnostalgischen "Roll Back". Schon deswegen ist ein Wandel durch Anbiederung, wie ihn Rahr beschreibt, die falsche Prämisse.

Die Anbindung von Russland an den europäischen Kontinent muss ein wichtiges und ernstes Anliegen deutscher und europäischer Politik sein. Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir Russland als Partner brauchen und wollen. Aber die Einhaltung grundlegender Prinzipien, zu denen sich beide als Basis des Miteinanders bekannt haben, ist unverzichtbar. Dazu sind wir auch gegenüber dem russischen Volk verpflichtet, das uns daran und nicht an den Deals mit seinen Machthabern im Kreml messen wird.

Werner Schulz ist Mitglied des Europäischen Parlaments von der Partei Bündnis90/Die Grünen. Er ist Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Russland.