1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

C-Waffen-Vernichtung

Alexander Drechsel20. Dezember 2013

Die Chemiewaffenkontrolleure der OPCW wollen Syriens Chemiewaffen außer Landes bringen und auf hoher See vernichten. Zum Schutz schicken Amerikaner, Dänen, Norweger, Briten, Russen und Chinesen ihr Militär.

https://p.dw.com/p/1AeMm
Chemiewaffen Vernichtung
Bild: AP

Seit Mitte Dezember kreuzen immer wieder zwei Frachter und zwei Fregatten nur wenige Seemeilen vor der zypriotischen Küste. Sie fahren gemeinsame Manöver und üben Formationen. Es ist offensichtlich, dass die Kriegsschiffe "Esbern Snare" und "Helge Ingstad" sowie die Frachter "Taiko" und "Ark Futura" eine Mission haben und dafür trainieren.

Der Auftrag der vier Schiffe aus Norwegen und Dänemark ist brisant: Sie nehmen in den kommenden Wochen Syriens Chemiewaffen auf und bringen sie über das Mittelmeer nach Italien, wohin genau ist noch geheim. In dem derzeit unbekannten Hafen sollen die Kampfstoffe auf das US-Spezialschiff "Cape Ray" umgeladen werden, wo sie dann auf hoher See vernichtet werden.

Dänischer Frachter Ark Futura
Frachter Ark Futura...Bild: picture alliance/AP Photo

Waffen vernichten mitten im Krieg

Noch ist es aber nicht so weit. Derzeit schafft die syrische Armee rund 1300 Tonnen Kampfstoffe aus zwölf Lagerstätten im ganzen Land über umkämpfte Straßen zum Hafen von Latakia. "Nie zuvor wurden Massenvernichtungswaffen in einem Land abgerüstet, das sich mitten in einem bewaffneten Konflikt befindet", sagte der Sprecher der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), Michael Luhan im Interview mit der DW. Die Stoffe müssten aus dem Kampfgebiet herausgebracht und auf See vernichtet werden. Am Ende werden die Abfallprodukte in die USA gebracht und einem Industrieunternehmen übergeben, das auf die Lagerung von Industrieabfällen spezialisiert ist. "All das ist neu", erklärt Luhan.

Norwegische Fregatte Hnoms Helge Ingstad
... und Fregatte Helge Ingstad sollen die Chemiewaffen transportieren.Bild: Yiannis Kourtoglou/AFP/Getty Images

Damit alles klappt, helfen viele weitere Staaten: Großbritannien vernichtet 150 Tonnen der gefährlichen Chemikalien und schickt zusätzlich ein Schiff der Royal Navy. Auch Russland und China entsenden Kriegsschiffe. Moskau ließ zudem Allrad-Laster und gepanzerte Fahrzeuge ins Bürgerkriegsland fliegen, die nun von syrischen Soldaten beladen und nach Latakia gefahren werden. Die USA stellen zusätzlich zur "Cape Ray" mehrere Tausend Container mit Satellitenortung bereit, um die Fahrt der Chemiewaffen aus der Ferne verfolgen zu können. Falls auf dem Seeweg Behälter undicht werden oder ein Unglück passiert, steht ein finnisches Team zur Entgiftung bereit. Etwa ein Dutzend Länder zahlten in OPCW-Sonderfonds ein. Zusätzlich steuerte die EU zwölf Millionen Euro bei, Deutschland - nach Angaben des Auswärtigen Amtes - nochmals drei Millionen Euro. "Das ist eine äußerst bemerkenswerte multinationale Anstrengung", sagt OPCW-Sprecher Luhan.

OPCW Gebäude Den Haag
OPCW - Die Organisation für das Verbot Chemischer WaffenBild: picture-alliance/dpa

Klarer Zeitplan

Über allem wacht die OPCW. In den Lagerstätten versiegeln ihre Inspektoren die Container mit den tödlichen Chemikalien. Nach dem Transport zum Hafen von Latakia kontrollieren sie die Siegel sowie den Inhalt der Transportbehälter. Bis zum 31. Dezember sollen 500 Tonnen der gefährlichsten Stoffe verschifft sein. Bis zum 5. Februar sollen weitere 800 Tonnen mit Vorprodukten für Chemiewaffen Syrien verlassen haben. Wahrscheinlich wird die erste Tranche von einem der beiden skandinavischen Frachter transportiert und die zweite Tranche von dem anderen. Bis Ende März sollen die ersten 500 Tonnen, bis Ende Juni die weiteren 800 Tonnen Chemie an Bord der "Cape Ray" vernichtet worden sein.

Ein Zeitplan, der nach Überzeugung des belgischen Chemiewaffenexperten Jean Pascal Zanders im Großen und Ganzen zu halten ist. "Der Generaldirektor der OPCW hat zwar selber angedeutet, dass es eventuell eine kleine Verzögerung um wenige Tage geben könnte - weniger von Wochen oder Monaten", sagt Zanders der DW. Unsicherheitsfaktoren seien eine umkämpfte Straße nach Latakia und auch die Vernichtung der Kampfstoffe auf See . "Für den eigentlichen Neutralisierungsprozess auf dem US-Schiff sind zwischen 45 und 60 Tage angesetzt." Damit sei der zeitliche Puffer eigentlich groß genug, erläutert Zanders. Aber die Anlagen auf der "Cape Ray" könnten nur bei einem Wellengang von maximal 15 Zentimetern Höhe sicher funktionieren. "Die Sicherheit des Personals, das die Anlage bedient, steht im Mittelpunkt." Dafür müsse im Zweifel auch der Zeitplan zurückstecken.

Jean Pascal Zanders
Glaubt an den Zeitplan: Chemiewaffenexperte Jean Pascal ZandersBild: Jean Pascal Zanders

Schauplatz Mittelmeer

Eine relativ ruhige See ist also grundlegend für den zeitlichen Erfolg der Mission. Da zudem in Italien die Chemiewaffen umgeladen werden sollen, könnte das Mittelmeer auch der Ort sein, wo die "Cape Ray" die C-Waffen vernichtet. "Das Mittelmeer ist in den Wintermonaten natürlich immer etwas unruhig", sagt Klaus Mommsen, Ex-Offizier und Redakteur beim "Marineforum", der DW. Aber selbst in internationalen Gewässern sollte sich im Schutz von Inseln "immer ein halbwegs gesicherter Platz finden lassen". Er geht davon aus, dass bei schlechtem Wetter im Mittelmeer der Prozess nicht länger als zwei bis drei Tage unterbrochen werden muss.

Marineexperte Klaus Mommsen
Ex-Offizier Klaus MommsenBild: K. Mommsen

Für Mommsen liegt der eigentliche Knackpunkt bei der Mission nicht in der Vernichtung der C-Waffen: "Die kritischste Phase ist die Be- und Entladephase und Sicherung in Syrien selbst." Westliche Kriegsschiffe würden nicht in syrische Hoheitsgewässer fahren, ist der pensionierte Offizier überzeugt. "Das wird die russische Marine machen." Mommsen zufolge sollen ein Zerstörer und zwei Landungsschiffe aus Russland, die Passagen der westlichen Frachtschiffe nahe der syrischen Küste sowie die Verladung in Latakia schützen - eventuell auch mit russischen Soldaten. Chinas Marine könnte sich laut Mommsen aus "politischen Gründen" mit einem Kriegsschiff an der Begleitung des Konvois nach Italien beteiligen. Die Arbeit an Bord der "Cape Ray" werde dann wahrscheinlich von US-Kriegsschiffen bewacht.

US-Frachter MV Cape Ray
US-Frachter Cape RayBild: picture alliance/AP Images

Wenn alles so kommt, wäre es das erste Mal, dass Amerikaner, Dänen, Norweger, Briten, Russen und Chinesen gemeinsam militärisch im Mittelmeer operieren. Und es wäre ein Einsatz, an dessen Ende mit Sicherheit die Welt sicherer geworden ist.