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Formel E: Die Formel der Zukunft

Florian Zschiedrich Mitarbeit: Jens Krepela
24. Mai 2019

Die Formel E ist in ihrer fünften Saison spannender und beliebter denn je. Auch Ex-Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg engagiert sich in der vollelektrischen Rennserie, die am Wochenende nach Berlin kommt.

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Formel E Rennen Paris
Spitzenreiter: Titelverteidiger Jean-Eric Vergne führt in der Fahrerwertung knappBild: Getty Images/K. Tribouillard

Nico Rosberg trägt einen schicken Anzug, während er vor dem Formel-E-Wochenende in Berlin mit der Presse spricht. Es ist kein Rennanzug mehr, mit dem der ehemalige Formel-1-Weltmeister in die Öffentlichkeit tritt. Es ist ein feiner dunkelblauer Zwirn mit gebügeltem weißen Hemd. Nico Rosberg, der vor zweieinhalb Jahren noch im Formel-1-Cockpit für Aufsehen sorgte, ist jetzt Business-Man geworden. Und er hat seine Geschäfte im Blick: Grüne Technologien und zukunftsorientierte Produkte will Rosberg auf einem Festival für Nachhaltigkeit für ein großes Publikum erlebbar machen. Flugtaxis oder das schnellste Elektroauto der Welt stellt er im Rahmen seines selbst geschaffenen "Greentechfestivals" aus. Alles am Rande des Formel-E-Wochenendes in Berlin-Tempelhof. Schließlich steht die Formel E laut Rosberg für "technologische Innovation, für Zukunft, für Familienfreundlichkeit und für einen Rennzirkus, der zu den Menschen in die Städte kommt". Er selbst ist Anteilseigner der Formel E und deshalb sind die Rennen für ihn und sein "Start-Up" als Bühne wie geschaffen.

Städte, Autokonzerne und Investoren buhlen um Formel E 

Doch nicht nur für Nico Rosberg hat die Elektro-Rennserie an Bedeutung gewonnen. Im fünften Jahr ihres Bestehens ist die Formel E endgültig zu einer Rennserie geworden, die viele Akteure anzieht. 

Da wäre die wirtschaftliche Seite zu nennen: Der Technikkonzern ABB ist für geschätzte 12,5 Millionen Euro Titelsponsor der Rennserie, ebenso sind Weltkonzerne wie Bosch oder Heineken neuerdings als Partner dabei. Das finanzielle Volumen ist zwar deutlich geringer als in der Formel 1, aber die Zeichen stehen auf Wachstum. 

ABB FIA Formula E Championship 2019 - Monaco E-Prix
Formel-E-Investor Rosberg und Fürst Albert II. beim Rennen in Monaco Anfang MaiBild: Getty Images

Hinzu kommt, dass Städte um die Austragung von Rennen buhlen. München, Wien, Shanghai, Marrakesch - sie alle wollen die E-Flitzer auf den eigenen Asphalt bringen und nehmen dafür durchaus Geld in die Hand. Der Grund: die Tickets für die Formel-E-Rennen verkaufen sich in den verschiedensten Metropolen kinderleicht. Selbst Menschen, die mit Motorsport gefremdelt hatten, zieht es in dieser Saison zu den Rennen in den Innenstädten, bei denen es kein lautes PS-Geheule wie in herkömmlichen Rennserien gibt, sondern eher ein angenehmes Surren und schöne Überholmanöver auf eng konzipierten Strecken. Genau das richtige Ambiente für einen schönen Familienausflug am Wochenende. 

Die Formel-E-Teams wiederum versprechen sich durch ihre Teilnahme am vollelektrischen Rennzirkus in erster Linie zukunftsweisendes "grünes" Marketing und in einem zweiten Schritt Innovationen bei den modernen Antrieben.  

Begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten deckeln Kosten

"Die Formel E ist für die Hersteller ein Labor, um die Zukunft mit elektroangetriebenen Fahrzeugen mitzugestalten", sagt Alejandro Agag, der Erfinder und der Boss der Formel E. Und tatsächlich macht die Formel E Fortschritte. In dieser Saison wird das besonders deutlich. Denn nach vier Jahren, in denen der Fahrer wegen zu geringer Batterieleistung des Autos einmal pro Rennen in ein anderes Rennauto umsteigen musste, gibt es seit dieser Saison keinen Fahrzeugwechsel mehr. Die Speicherkapazität der Batterien konnte vergrößert werden (auf 52 statt wie anfangs nur 28 Kilowattstunden), so, dass jetzt mit ein und demselben Auto, mit dem Fahrzeug der sogenannten "zweiten Generation", ein komplettes Rennen gefahren werden kann. Agag freut sich, dass man es "gar nicht sichtbarer machen könnte, wie sehr sich Elektrotechnologien entwickeln." Zudem sorgen Motoren mit bis zu 250 Kilowatt für mehr Rasanz und für Spitzengeschwindigkeiten von 280 Stundenkilometer.

Alejandro Agag Formel E
Formel-E-Boss Alejandro Agag kommt aus Spanien und ist ehemaliger Europaparlamentarier Bild: Getty Images/C. Alvarez

Diese Fortschritte sind auch Deutschlands führenden Autobauern nicht entgangen. Audi und VW sind als Rennstall schon in der Formel E vertreten. In der vergangenen Saison hat Audi sogar die Teamwertung gewonnen und im kommenden Jahr steigen auch noch Mercedes und Porsche ein. Die vier großen deutschen Autohersteller werden dann in derselben Motorsport-Rennserie gegeneinander fahren. Das gab es noch nie. Und glaubt man Nico Rosberg, wird sein früherer Arbeitgeber Mercedes im kommenden Jahr, also gleich in der ersten Saison, alles andere als eine Nebenrolle spielen: "Die wissen schon, wie die das im Rennsport machen. Somit traue ich Mercedes auf jeden Fall zu, auch direkt mit um den Titel mitzufahren." 

Anders als in der Formel 1 sind den Teams bei der Formel E technisch engere Grenzen gesetzt. Gestartet wird in einem einheitlichen Chassis mit gleicher Batterie, Kostenpunkt: eine knappe Million Euro. Einzig bei Antriebsstrang, Aerodynamik, Fahrwerksabstimmung und Software können sich die Ingenieure austoben. Das deckelt die Kosten. Zum Vergleich: Das Jahresbudget des Mercedes-Teams in der Formel 1 liegt bei rund 400 Millionen Euro. Allerdings geht es dort immer darum die absoluten Grenzen des technisch Machbaren innerhalb des Reglements auszunutzen.

Gutes Racing, enge Rennen, verschiedene Sieger 

Berlin E-Prix - Formel E
Bewährtes Berlin: Tempelhof ist im Rennkalender gesetztBild: Getty Images

Es ist nachvollziehbar, warum Alejandro Agag Deutschland als "Schlüsselland" im Aufstieg der Formel E bezeichnet. Ein weiteres Beispiel ist der ePrix von Berlin, der am kommenden Wochenende in der fünften Formel-E-Saison zum fünften Mal in der deutschen Hauptstadt ausgetragen wird. Keine andere Stadt ist seit Gründung der Formel-E-Meisterschaft von Anfang an und ohne Unterbrechung dabei. Gute Erinnerungen haben die Deutschen vor allem ans Abschneiden im vergangenen Jahr, als Daniel Abt vom Team Audi Sport ABT Schaeffler als Erster über die Ziellinie fuhr. Mehr noch: Als erster Formel-E-Fahrer überhaupt schaffte Abt den sogenannten "Grand Slam", indem er die Pole-Position holte, die schnellste Rennrunde schaffte und den besagten Sieg - ausgerechnet im Heimrennen. "Das war für mich der schönste Tag in meiner Renn-Karriere", erinnert sich Daniel Abt, der jetzt "so gut es geht" versuchen will, dieses Erfolgserlebnis zu wiederholen.

Mit dem Gewinnen ist das in diesem Jahr allerdings so eine Sache. Die aktuelle Saison ist nämlich so spannend wie nie. In neun Rennen gab es acht verschiedene Sieger und nur zweimal gewann der Fahrer das Rennen, der zuvor auch von der Pole Position gestartet war. Im Gegensatz zur Formel 1, in der mit Mercedes, Ferrari und mit Abstrichen vielleicht noch Red Bull-Honda realistische Sieges-Chancen haben, ist der Ausgang in der Formel E kaum vorhersehbar. Die Gründe liegen Alejandro Agag zufolge auf der Hand: Aufgrund der einheitlicheren Technik sind es vielmehr die Fahrer und die Strategien der Teams, die den Unterschied ausmachen. Da wiederum sowohl die Fahrer als auch die Rennställe mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau angekommen seien, komme es zu einer so engen Leistungsdichte. Daniel Abt verweist auch noch auf die Tatsache, dass es in der Formel E im Qualifying nur einen Versuch, also nur eine Runde pro Fahrer gibt. Das "sorgt dafür, dass es an einem Tag ganz schnell nach vorn und nach hinten gehen kann".

Der einzige Fahrer, der in dieser Saison bislang mehr als ein Rennen gewonnen hat, ist der Franzose Jean-Eric Vergne vom Techeetah-Team. Der Champion des Vorjahres liegt damit auch in dieser Saison wieder in Führung, hauchdünn vor seinem Teamkollegen André Lotterer, der in Berlin seinen ersten Sieg überhaupt feiern will.

Nico Rosberg wird sich das Geschehen am 25. Mai von außen anschauen. Für ihn ist immer noch die Formel 1 der "ultimative Gladiatoren-Rennsport". Dass die Formel E aber die "Formel der Zukunft" ist, hat auch der Formel-1-Weltmeister verstanden - als Investor in feinem dunkelblauen Zwirn.