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Aggressive Geheimarbeit

Interview: Antje Passenheim, Washington16. Januar 2014

Obamas NSA-Reform könnte den mächtigen Geheimdienst zur lahmen Ente machen. In einem offenen Brief an den US-Präsidenten äußern Spionage-Experten diese Befürchtung. Ex-CIA-Mann Fred Fleitz warnt vor fatalen Fehlern.

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Screenshot der NSA-Seite (Photo: OLE SPATA/dpa pixel)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Fleitz, Sie haben das NSA-Gutachten von Präsident Barack Obamas Expertenteam ausgewertet. In einem Bericht kritisieren Sie gemeinsam mit einer Ex-CIA-Kollegin, Clare Lopez, dass die Enthüllungen von Edward Snowden zu Maßnahmen führen könnten, die fundamental mit wichtigen US-Geheimdienstoperationen kollidieren. Welche Maßnahmen meinen Sie?

Fred Fleitz: Wir meinen, dass etwas getan werden muss, um das Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in die Programme der NSA zurückzugewinnen. Edward Snowden hat deren Ruf beschädigt. Die Leute sorgen sich um die Demokratie. Ich denke, dass diese Programme gut kontrolliert und beaufsichtigt worden sind. Das muss den Amerikanern wieder versichert werden. Ich sage also nicht, dass nichts getan werden sollte. Andererseits haben wir uns diesen Bericht (der Expertenkommission, Anm. d. Red.) sehr genau angesehen. Er enthält einige hanebüchene Vorschläge. Zum Beispiel, dass US-Rechte auf die Privatsphäre auch auf Nicht-US-Bürger außerhalb des Landes übertragen werden sollen. Oder dass der NSA untersagt wird, Interneteinträge aufzuschlüsseln und dass auch die Sicherheit ausländischer Software gewahrt bleibt.

Ich gehe davon aus, dass Sie als Deutsche denken, das seien gute Ideen und dass Sie nicht möchten, dass die NSA Sie abhört und in Ihren Computer eindringt. Und das verstehe ich auch. Doch die Welt, in der wir heute leben, mit Terrorgruppen, die immer technisch versierter werden, erlaubt es nicht, dass wir unseren amerikanischen oder den deutschen Geheimdiensten die Hände binden und sie davon abhalten, dass sie tun, was sie tun müssen, um Terroristen aufzuspüren und ihre Kommunikation zu überwachen.

Würden wir in einer perfekten, demokratischen Welt leben, in der Werte wie Menschenrechte und Menschenwürde hochgehalten würden, wäre das anders. Aber wir leben nicht in einer solchen Welt. Eine aggressive Geheimdienstarbeit ist daher wichtig, um die westliche Demokratie und Freiheit zu verteidigen. Das ist eine unglückliche Tatsache. Doch deshalb unterstütze ich, dass die NSA in diese Daten eindringt. Ich unterstütze, dass die NSA in Computerprogramme von Ausländern eindringt. Nicht, weil sie die deutschen Bürger oder Bürger anderer europäischer Länder bespitzeln soll. Sondern, weil wir wissen, dass Al Kaida so ausgeklügelt geworden ist, und wir deshalb der NSA nicht wichtige Waffen wegnehmen können, die sie braucht, um zu kontrollieren, was diese Leute tun.

Studien über die Effizienz des Metadaten-Programms widerlegen, dass es bislang eine große Rolle bei der Verhinderung von Terroranschlägen gespielt hat.

Das sagt auch die Expertengruppe, die die Vorschläge für Präsident Obama erarbeitet hat. Nichtsdestotrotz hat einer von ihnen, der Ex-Vizedirektor der CIA, Michael Morell, in einem Kommentar in der Washington Post gesagt, dass, wenn das Metadaten-Programm unter Artikel 215 des Patriot Acts schon am 11. September 2001 existiert hätte, die Anschläge womöglich hätten verhindert werden können. Einer der Richter, die dieses Programm als legal bewertet haben, kam zu derselben Meinung. Es ist schwer zu sagen, mit welchen Datenstücken genau ein Terroranschlag verhindert werden kann - speziell dann, wenn der Terrorakt deshalb gar nicht stattfindet. Man kann so ein Negativ nicht beweisen.

Ex-CIA-Mitarbeiter Fred Fleitz (Foto: Fred Fleitz, Washington)
Fred Fleitz: Aggressive Geheimdienste für Demokratie und FreiheitBild: privat

Aber aus meiner Erfahrung im Geheimdienst weiß ich, dass man diese Datenstücke braucht, um Spuren zu verfolgen, die dann wieder zu anderen Spuren führen, um Terroranschläge zu verhindern. Es gibt gerade wieder einen Bericht der New America Foundation, der besagt, dass das Metadaten-Programm keine Terroranschläge verhindert hat. Der Bericht wurde von Autoren verfasst, die keine Geheimnisträger sind und die keine Ahnung haben, was innerhalb der Regierung passiert. Und ich denke, dieses Problem haben viele Berichte.

Wie einfach wird es für Präsident Obama sein, seine Reformpläne umzusetzen? Braucht er den Kongress dafür?

Es gibt einige Punkte, die der Präsident einfach anordnen kann. Aber Sie haben Recht, einige Punkte brauchen eine Gesetzesgrundlage. Im Kongress gibt es eine erbitterte Suche nach dem weiteren Vorgehen. Es gibt eine merkwürdige Allianz rechter und linker Politiker, die das Metadaten-Programm zurückfahren und strenge Grenzen an bestimmte NSA-Praktiken legen möchten, weil sie glauben, dies sei im Sinn der amerikanischen Bürgerrechte.

Es gibt jedoch auch eine sehr starke parteiübergreifende Gesetzesvorlage im Geheimdienstausschuss des Senats, die das NSA-Programm verbessern und Bedenken darüber ausräumen will, ohne es zu stoppen. Und ich glaube, dieses Gesetz hat gute Chancen durchzukommen. Ich hoffe, der Präsident unterstützt das parteiübergreifende Gesetz, das im Komitee mit elf zu vier Stimmen angenommen wurde. Ich denke, es wäre ein guter Weg, um dem amerikanischen Volk das Vertrauen zurückzugeben und dabei nicht wichtige Geheimdienstprogramme zu beenden, mit denen Terrorismus bekämpft wird.

In Ihrem Bericht schlagen Sie eigene Lösungen des Dilemmas zwischen der Wahrung der nationalen Sicherheit und der Bürgerrechte vor. Was würden Sie und ihre Co-Autorin ändern?

Ich denke, der Schlüssel zur Verteidigung der amerikanischen Freiheit ist es sicherzustellen, dass es eine strenge Aufsicht (der NSA) gibt. Ich denke, das ist bereits jetzt der Fall. Ich denke aber auch, es gibt Wege, das zu verbessern. Zum Beispiel glauben wir, dass es bessere Möglichkeiten für Whistleblower beim Geheimdienst geben sollte, wenn sie Bedenken loswerden wollen.

Das ist jetzt keine Entschuldigung für Edward Snowden. Es gibt bereits solche Möglichkeiten. Aber sie müssen verbessert werden. Sie müssen publik gemacht werden. Ich denke auch, dass Menschen, die ihre Bedenken äußern wollen, mehr rechtlichen Schutz brauchen. Es könnte außerdem auch mehr Berichte für die Geheimdienst-Komitees geben, in denen dargelegt wird, wann einige dieser sensiblen geheimdienstlichen Sammelprogramme bei elektronischen Geräten angewendet werden.

Fred Fleitz hat 25 Jahre im Bereich der nationalen Sicherheit der USA gearbeitet, davon die längste Zeit beim Auslandsgeheimdienst CIA. Viele Jahre war er Mitglied des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses. Fleitz arbeitet heute für den Sicherheits-Think Tank Center for Security Policy.