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Europaparteitag mit viel Symbolik

Marcel Fürstenau, z. Z. Bonn19. Januar 2014

Die nicht mehr im Bundestag vertretenen Freien Demokraten beschwören in Bonn den liberalen Geist und stimmen sich auf die Europa-Wahl im Mai ein. Dafür kommt ihnen der Veranstaltungsort gerade recht.

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FDP-Chef Christian Lindner auf dem Europa-Parteitag in Bonn (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der FDP-Vorsitzende gibt sich betont locker. Christian Lindner begrüßt die Delegierten des Europa-Parteitags seiner gebeutelten Partei in der "Bundesstadt Bonn", die - so Lindner - "weltoffen und bodenständig" sei wie die Liberalen. Und als wäre ein Beleg für diese Einschätzung nötig, heißt er die Gäste aus anderen Ländern willkommen. Es sind keine ganz großen Namen darunter, aber wichtige Mitglieder der liberalen Familie wie der Fraktionschef im Europa-Parlament, Guy Verhofstadt. Dem Belgier wird die Ehre zu Teil, gleich nach Lindner ein Grußwort sprechen zu dürfen. Auf deutsch beklagt er den Egoismus der Nationalstaaten, den er mit der Kleinstaaterei des vorletzten Jahrhunderts vergleicht.

Verhofstadt knüpft an Lindners Rede an: Europas Krise sei nicht die Folge von zu viel, "sondern von zu wenig Liberalismus". Besonders gut kommt sein Seitenhieb auf die eurokritische "Alternative für Deutschland" (AfD) an. Die Abkürzung bedeute in Wirklichkeit "Albtraum für Europa". Vorrangiges Ziel der AfD ist die Abschaffung der Gemeinschaftswährung Euro. Aus Lindners Sicht ist die AfD so europafeindlich wie Marine Le Pens "Front National" in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden. Die FDP hingegen sei eine "Gestaltungskraft" in Europa, betont Lindner.

Lindner über die AfD: "Jede Tasse hat einen Henkel"

Nachdrücklich bestreitet der seit Anfang Dezember amtierende FDP-Chef, die AfD sei Hauptgegnerin der Liberalenbei der Europa-Wahl am 25. Mai. Dass der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, vor wenigen Tagen der AfD beigetreten ist, "beeindruckt mich nicht sehr". Lindner, sonst ein Mann des geschliffenen Wortes, witzelt über den AfD-Novizen Henkel: "Jede Tasse hat einen Henkel." Trotz des prominenten Neuzugangs müsse man die Auseinandersetzung mit der neuen Konkurrenz "in der Sache nicht fürchten", meint Lindner. Aber auch in der FDP gibt es weiterhin eurokritische Stimmen. Ihr Wortführer Frank Schaeffler bewarb sich beim Sonderparteitag Anfang Dezember in Berlin allerdings vergeblich um einen Stellvertreter-Posten im Vorstand.

FDP-Spitzenkandidat für die Europa-Wahl Ende Mai ist erwartungsgemäß Alexander Graf Lambsdorff. Der Neffe des früheren Bundeswirtschaftsministers ist seit Jahren das deutsche Gesicht in der liberalen Fraktion des Europa-Parlaments. Gut 86 Prozent der Delegierten wählten den 47-Jährigen auf Platz eins der FDP-Liste. Auch Lambsdorff beschwört in seiner Rede die historische Umgebung, in der sich die Liberalen zu ihrem Europa-Parteitag getroffen haben. Vor der Tür des Hotels, in dem der Konvent stattfindet, fließt der Rhein. Früher sei der "ein tiefer Graben zwischen Deutschland und Frankreich" gewesen, erinnert der Spitzenkandidat an die Vergangenheit. Heute hingegen verbinde die einstigen Erzfeinde eine tiefe Freundschaft, so Lambsdorff.

Spitzenkandidat Lambsdorff: "Rückabwicklung der Agenda 2010"

Mit der Politik der Europäischen Kommission in Brüssel geht Lambsdorff scharf ins Gericht. Bürokratie, Euro-Krise und Fremdbestimmung - davon sei das Europa-Bild in den Augen vieler Menschen geprägt. Diese Sorgen müsse man ernst nehmen, für die FDP seien sie "Ansporn für ein besseres Europa" zu kämpfen. Es gehe um gemeinsame Werte, Vielfalt der Kulturen, Mentalitäten und Sprachen.

Der FDP-Spitzenkandidat für die Europa-Wahl, Alexander Graf Lambsdorff (Foto: picture alliance)
Alexander Graf LambsdorffBild: picture-alliance/Citypress 24

Ohne Umschweife bezeichnet Lambsdorff Griechenland als das "Sorgenkind" der Euro-Zone und bemängelt das "schleppende Tempo" bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen. "Deswegen muss der Druck aufrecht erhalten bleiben", fordert Lambsdorff. Zugleich werde ihm aber auch "angst und bange", wenn auf die Politik der großen Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen in Berlin blicke. Die milliardenschweren Rentenpläne der Bundesregierung würden den Staatshaushalt schwer belasten. Lambsdorff hält diesen Kurs für eine "Rückabwicklung" der Agenda 2010. Unter diesem Namen leitete der SPD-Kanzler Gerhard Schröder vor gut zehn Jahren die Wende der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland ein.

Liberales Frankreich, französisches Deutschland

Kompromisse bei der Arbeitnehmer-Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union lehnt der liberale Spitzenkandidat für das Europa-Parlament ab. Die von der Mit-Regierungspartei CSU ausgelöste Debatte über angebliche "Armutsmigration" von Bulgaren und Rumänen hält Lambsdorff für ausländerfeindliche "Stammtisch"-Parolen. Damit gefährde die CSU den Wirtschaftsstandort Deutschland, befürchtet der Liberale.

FDP-Chef Lindner sieht Europa in einer "Bewährungsprobe". Das Fundament sei durch die Staatsschulden-Krise "unterspült". Deutschland traut er unter der neuen Regierung nicht zu, den Erosionsprozess aufzuhalten. Während Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik angekündigt habe, gefährde die große Koalition in Berlin die Sanierung des Staatshaushalts. "In gleicher Sekunde, wo Frankreich liberaler wird, wird Deutschland französischer", spottet Lindner. "So haben wir uns die deutsch-französische Annäherung nicht vorgestellt." So flapsig Lindners Satz klingen mag, er passt irgendwie zur Stimmung auf dem Europa-Parteitag der FDP in Bonn.