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FC Bayern: Ralf Rangnick als Antwort auf die Trainerfrage?

25. April 2024

Beim FC Bayern München ist nach den Absagen von Xabi Alonso und Julian Nagelsmann nun Ralf Rangnick der neue Wunschkandidat als Trainer. Was macht ihn besonders - und passt er überhaupt zum Rekordmeister aus München?

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Leipzigs Trainer Ralf Rangnick vor Fankurve des FC Bayern beim DFB-Pokalfinale 2019
Gibt er dem Ruf des FC Bayern nach oder nicht? Ralf Rangnick ist neuer Wunschkandidat der MünchenerBild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

"Wir wollen einen Trainer haben, der ein Stück weit Bayern München längerfristig begleitet", so formuliert es Max Eberl. Der Sportvorstand des FC Bayern sondiert gemeinsam mit Sportdirektor Christoph Freund den Trainermarkt. "Wir wollen eine Kontinuität aufbauen. Das ist ein entscheidender Fakt, um erfolgreich zu sein", so Eberl.

Nach den Absagen von Leverkusens Meistercoach Xabi Alonso und Bundestrainer Julian Nagelsmann ist nun Ralf Rangnick der Wunschkandidat. Er muss im Grunde nur noch "Ja" sagen und einen Vertrag unterschreiben. Aktuell bereitet sich Rangnick als Nationaltrainer Österreichs auf die Teilnahme an der Fußball-EM in seinem Heimatland Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) vor. Doch auch ein Job beim Rekordmeister sollte ihn reizen, zumal es für den 65-Jährigen gegen Ende seiner Karriere wohl die einmalige Gelegenheit sein dürfte, das Traineramt in München zu bekommen.

System-Innovator und Fußball-Professor

Rangnick hat den deutschen Fußball in den vergangenen 25 Jahren als Trainer, Manager und Funktionär verändert wie kaum ein anderer. Ende der 1990er Jahre trat er als Trainer erstmals ins Licht der Öffentlichkeit, als er mit dem SSV Ulm erfolgreich in der 2. Bundesliga spielte und dort dank seines neuartigen Spielsystems Erfolg hatte: eine Viererkette in der Abwehr und ein konsequentes Pressing der gesamten Mannschaft Richtung Ball.

Ralf Rangnick als Trainer des SSV Ulm 1846 sitzt vor Blatt mit taktischen Anweisungen
Nickelbrille, Taktiktafel und den vollen Durchblick, wie das System funktioniert: "Fußball-Professor" Ralf Rangnick beim SSV Ulm Bild: Herbert Rudel/Pressefoto Rudel/picture alliance

Rangnick war ein echter Fußball-Nerd mit dem Hang zum Perfektionismus, aber ohne eigene Erfahrung als Fußballprofi. Seine Detailversessenheit und die akribische, fast wissenschaftliche Herangehensweise brachten ihm den Spitznamen "Fußball-Professor" ein. Manifestiert wurde dieser "Ehrentitel" durch einen Fernsehauftritt Rangnicks im Dezember 1998. Der junge Trainer mit Nickelbrille, damals mit Ulm überraschend Tabellenführer der 2. Bundesliga, verschob an der Taktiktafel Spieler und Gegner und erklärte sein System innerhalb von wenigen Minuten für jeden verständlich.

Dabei war "Fußball-Professor" oft auch abwertend gemeint. Viele der etablierten Trainer, Funktionäre und Experten - meist ehemalige Topspieler - störten sich daran, dass ein völlig Unbekannter, noch dazu ein studierter Lehrer, der selbst nie Profi war, daherkam und ihnen erklärte, wie es besser geht.

Meist erfolgreich, dann Abschied in Unfrieden

Der Erfolg gab Rangnick jedoch recht: Zwar trat er in Ulm zurück, kurz bevor der Bundesliga-Aufstieg geschafft war. Er etablierte sich aber anschließend beim VfB Stuttgart (1999-2001), bei Hannover 96 (2001-2004) und Schalke 04 (2004-2005) in der Fußball-Bundesliga. Überall hatte er im Rahmen der Möglichkeiten Erfolg. Überall eckte er jedoch auch an: mit seiner Art, seinen Ideen und dem Anspruch, im sportlichen Bereich eine möglichst weitreichende Entscheidungshoheit zu besitzen. Alle Engagements endeten vorzeitig mit Rangnicks Entlassung.

Schalkes Trainer Ralf Rangnick beim Autokorso in Gelsenkirchen mit DFB-Pokal
Seinen bislang einzigen großen Titel als Trainer gewann Ralf Rangnick 2011 im DFB-Pokal mit dem FC SchalkeBild: Volker Essler/SvenSimon/picture alliance

Im Sommer 2006 überraschte Rangnick damit, dass er bei der TSG Hoffenheim anheuerte, einem Drittligisten. Das war zwar ein sportlicher Rückschritt, bot Rangnick aber die Möglichkeit, im Grunde alles nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Der Klub wurde von Mäzen Dietmar Hopp großzügig finanziell unterstützt. Zweimal in Folge gelang der Aufstieg, nach der ersten Halbserie als Bundesliga-Neuling feierte die TSG sogar die Herbstmeisterschaft vor den Bayern. Rangnick blieb viereinhalb Jahre in Hoffenheim, ging dann Anfang 2011 aber vorzeitig - wegen Meinungsverschiedenheiten mit Hopp, dem einflussreichsten Mann im Verein.

Burnout auf Schalke als Türöffner bei Red Bull

Seine Rückkehr zum FC Schalke im März 2011, drei Monate nach seinem Abschied aus Hoffenheim, verlief mit dem Erreichen des Halbfinals in der Champions League und dem Sieg im DFB-Pokal sportlich erfolgreich, endete aber bereits nach einem halben Jahr wieder. Der Grund: Rangnick konnte nicht mehr. Wegen Burnouts trat Rangnick ohne Vorankündigung zurück. "Ich habe keine Kraft mehr, euch das zu geben, was ihr von mir als Trainer braucht", sagte er damals den Spielern. "Die Entscheidung ist mir unheimlich schwergefallen, doch ich brauche eine Pause."

Dieser Schritt sollte Rangnicks weitere Karriere nachhaltig beeinflussen. Wer weiß, ob er ein gutes Jahr später überhaupt bei Red Bull gelandet wäre, hätte er zuvor auf Schalke weitergemacht. Von 2012 bis 2020 arbeitete Rangnick bei Red Bull, zunächst als Sportdirektor bei Red Bull Salzburg, dann ab 2015 als Cheftrainer und Sportdirektor von RB Leipzig. 2019 übernahm er die Aufgabe als Head of Sport and Development Soccer und war damit für alle Red-Bull-Fußballklubs zuständig.

Fußballtrainer Ralf Rangnick schaut ernst
Gedanken darüber, wie viel Tradition ein Verein hat, machte sich Rangnick nie - er wollte die besten BedingungenBild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Wie zuvor in Hoffenheim sah Rangnick die Möglichkeiten, die der RB-Kosmos bot und nicht die negativen Seiten, die Traditionalisten über die neureichen Klubs die Nase rümpfen ließen. RB Leipzig wurde dank ihm zu einem Bundesliga-Spitzenteam, das sich seit seinem Bundesliga-Aufstieg im Jahr 2016 bislang nur einmal am Ende der Saison nicht für die Champions League qualifizieren konnte.

Rangnicks Ruf war auch international gut: Bei der AC Mailand wollte man ihn 2020 als Cheftrainer und Sportdirektor verpflichten. Nach langen Verhandlungen scheiterte der Deal allerdings. Stattdessen wurde Rangnick im Dezember 2021 für den Rest der Saison Trainer beim kriselnden englischen Topklub Manchester United. Danach sollte er den Verein weiter beraten und gleichzeitig als Nationaltrainer Österreichs arbeiten. Doch aus der Beratertätigkeit Rangnicks wurde dann doch nichts. Mal wieder war ein Streit um die Kompetenzen Schuld. Diesmal mit seinem Nachfolger als United-Trainer Erik ten Hag.

Rangnick: "Kann ich etwas bewirken?"

Beim FC Bayern kennen sie die Vergangenheit Rangnicks. Sie wissen, dass sie sich mit ihm einen Mann ins Haus holen, der angeknackste Systeme wieder ins Lot bringen und aus dem Kurs geratene Mannschaften wieder erfolgreich machen kann - wenn man ihn auf seine Art und Weise arbeiten lässt. Der aber auch schnell unzufrieden wird, wenn er das nicht darf.

Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick bei der Hymne untergehalt mit seinen Assistenten Lars Kornetka und Peter Perchtold
Seine Assistenten Lars Kornetka (l.) und Peter Perchtold (r.) würde Ralf Rangnick (2.v.l.) wohl nach München mitbringenBild: Ulrich Hufnagel/picture alliance

"Kann ich etwas bewirken? Besteht die Chance, eine Mannschaft zu entwickeln und erfolgreich zu sein? Das treibt mich an”, sagte Rangnick in dieser Woche gegenüber dem österreichischen Fußballportal "90minuten.at" über ein mögliches Engagement in München. Laut Medieninformationen haben Max Eberl und Christoph Freund ihm diese Möglichkeiten weitestgehend eingeräumt haben. Allerdings soll das letzte Wort bei Transferentscheidungen nicht alleine bei Rangnick liegen.

Jetzt könnte alles ganz schnell gehen. Zum einen möchte Rangnicks jetziger Arbeitgeber, der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB), innerhalb der kommenden zwei Wochen Klarheit. Zum anderen läuft auch den Bayern die Zeit davon. Sollte mit Rangnick nach Alonso und Nagelsmann auch Wunschtrainer Nummer drei absagen, würde es wohl noch schwieriger, einen weiteren geeigneten Kandidaten zu finden. Außerdem müsste dieser dann davon überzeugt werden, den Posten bei einem angeschlagenen Spitzenklub zu übernehmen, der seinen Trainern zuletzt nicht gerade gutgetan hat. Und dann würde der neue Coach auch noch mit dem Makel starten, für den Posten nur die vierte Wahl gewesen zu sein.