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Gegen IS-Propaganda im Netz

Matthias von Hein1. Juli 2015

Die Ideologie des IS ist mittelalterlich. Aber sie wird mit modernsten Methoden über soziale Medien verbreitet. Jetzt will Europol den digitalen Hetzern und Verführern das Geschäft erschweren.

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Spanien Festnahme Verdächtige für IS Propaganda und Rekrutierung in Melilla (Foto: REUTERS/Jesus Blasco de Avellaneda )
Bild: Reuters/J. Blasco de Avellaneda

Propaganda ist Teil eines jeden Krieges. Speziell Terrorismus lebt vom Verbreiten von Botschaften der Angst und des Hasses. Das Internet, soziale Medien werden vermehrt als Mittel der asymmetrischen Kriegsführung eingesetzt. Insbesondere der sogenannte "Islamische Staat" hat sich zu einer Art Supermacht in sozialen Netzwerken entwickelt. In verschiedenen Sprachen, über unterschiedlichste Plattformen ergießt sich ein Strom von Propaganda und Hasstiraden. Es werden neue Rekruten angeworben, junge Frauen auf das Herrschaftsgebiet des IS gelockt und Menschen zu Attentaten in ihren Heimatländern animiert. Zwei Beispiele: Im März veröffentlichte die US-amerikanische Brookings Institution eine Studie zur Nutzung von Twitter durch den IS.

46.000 Twitter-Konten

Ergebnis: IS-Unterstützer haben im Herbst 2014 geschätzt 46.000 Twitter-Konten unterhalten. Im Durchschnitt mit jeweils rund 1000 Followern. Und Anfang Juni hat ein Teenager in den USA sich vor Gericht schuldig bekannt, über Twitter finanzielle Unterstützung für den IS mit der digitalen Währung Bitcoin zu organisieren.

Screenshot IS Propaganda Social Media Symbolbild (Screenshot: https://twitter.com/BanuKombe)
Twitter Supermacht ISBild: Twitter/BenuKombe

Der Online-Offensive des IS will jetzt die Europäische Polizeibehörde Europol mit einer neu gegründeten Einheit begegnen. Am 1. Juli wurde die Internet Referral Unit ins Leben gerufen. Der Auftrag: Terroristische Propaganda und gewaltbereiten Extremismus im Internet zu bekämpfen. In der Anfangsphase werden 15 Mitarbeiter das Netz nach extremistischen Inhalten durchforsten, auf verschiedenen Sprachen, unter anderem Arabisch. Ihre volle Stärke soll die neue Europol-Truppe im Juli 2016 erreichen.

Zuständig für die Internet Referral Unit ist Wil van Gemert, stellvertretender Abteilungsleiter Operations. Er macht sich keine Illusionen, dass Europol das Netz komplett von dschihadistischen Inhalten säubern kann. Im DW-Gespräch äußert er aber doch die Erwartung, den Extremisten die Propagandaarbeit deutlich erschweren zu können. Van Gemert beschreibt vor allem drei Hauptarbeitsgebiete. Erstens sollen dschihadistische, zu Gewalt aufrufende Inhalte identifiziert werden. Dann sollen die Betreiber der Plattformen über diese Inhalte informiert werden, um die Inhalte zu löschen und die betreffenden Konten zu sperren. Und drittens würden die Europol Beamten die Botschaften analysieren und ihre Erkenntnisse mit den Behörden der EU-Staaten teilen, wo möglicherweise dann auch strafrechtlich ermittelt werde.

Aussenansicht der Europäischen Polizeibehörde Europol (Foto: EPA/Lex van Lieshout )
Neuer Akteur im Kampf gegen IS: EuropolBild: picture-alliance/dpa

Deutschland will Extremisten im Netz konfrontieren

Einige EU-Mitgliedstaaten hätten bereits in ihrer jeweiligen nationalen Polizei ähnliche Einheiten aufgebaut, erklärt van Gemerts gegenüber der DW - und verweist besonders auf Erfahrungen aus England. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert, wie die Auseinandersetzung mit gewaltbereiten Extremisten im Internet geführt werden kann. Ende Juni stellte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger eine Digitalstrategie gegen Dschihadisten in Aussicht. Über die Frage wie den digitalen Dschihadisten am besten begegnet werden kann, diskutierten Experten Ende Juni auch auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn. Kyle Matthews, stellvertretender Direktor des Montreal Institute for Genocide and Human Rights Studies in Kanada, gab sich überzeugt: Die internationale Anti-Terror-Koalition braucht auch im Cyberspace neue Strategien im Kampf gegen den IS. Insbesondere, so Matthews, müsse ein Gegen-Narrativ entwickelt werden zu den Thesen, die der IS im Netz vertrete. In der Praxis müsse man zum Beispiel IS-Aussteigern Raum geben oder Opfer des IS stärker zu Wort kommen lassen.

Schon geringer Einsatz könnte beim digitalen Kampf um die Deutungshoheit über den IS-Terror Wirkung zeigen. Die schon erwähnte Brookings-Studie stellt nämlich fest, ein "beträchtlicher Teil des IS Erfolgs in sozialen Medien kann auf eine relativ kleine Gruppe hyperaktiver User zurückgeführt werden, die zwischen 500 und 2000 Konten unterhalten". Europol will mit technischen Hilfsmitten diese besonders aktiven Konten herausfiltern und auch untersuchen, wer Teil von einschlägigen Online-Gruppen ist. Die neue Europol-Einheit ist Teil der europäischen Antwort auf die Anschläge auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Januar.