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Europa zurückhaltend nach Rebellenoffensive

Peter Hille11. Januar 2013

In Mali rücken die islamistischen Rebellen weiter Richtung Süden vor. Die Regierung in Bamako fordert deshalb Unterstützung für eine Militärintervention. Doch Europa zögert.

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Ansar Dine Kämpfer in Mali (Foto:AP/dapd)
Ansar Dine Kämpfer in MaliBild: AP

Deutsche und französische Soldaten hätten in der Nähe der Stadt Sévaré im Zentrum Malis bereits Stellung bezogen. Sie würden unterstützt durch acht Militärflugzeuge, die dort stationiert seien. Das berichtet am Freitag (11.01.2013) die französische Tageszeitung "Le Figaro". Führt Europa also bereits Krieg gegen die islamistischen Rebellen, die aus dem Norden Malis eine Militäroffensive gestartet haben und in Richtung der Stadt Mopti vorrücken?

Nein, erklärte dazu das deutsche Verteidigungsministerium. In Mali seien keine deutschen Kräfte stationiert. Und der deutsche Außenminister Guido Westerwelle bekräftigt in einer eigens einberufenen Pressekonferenz, dass nun die politischen Bemühungen intensiviert werden müssten: "Die Gespräche unter afrikanischer Vermittlung müssen dringend weiter geführt werden."

Denn zum einen werde die EU die malischen Streitkräfte im Kampf gegen die Rebellen nur logistisch und mit Ausbildern unterstützen. Und zum anderen müssten auch dafür erst ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. "Dazu gehört ein tragfähiger, gesamt-malischer Fahrplan zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung", so Westerwelle.

--- DW-Grafik: Peter Steinmetz
An der Frontlinie zwischen Süd und Nord rücken die Rebellen in Richtung Mopti vorBild: DW

Auch Frankreich zögert

Solch ein Plan jedoch ist nicht absehbar. Denn in Bamako ist eine Regierung an der Macht, die nicht demokratisch gewählt ist, sondern weiter unter dem Einfluss von Armee-Offizieren rund um den ehemaligen Putschisten Amadou Sanogo steht. Im Moment kontrolliert sie nur ein Drittel des malischen Hoheitsgebiets. Den Norden des Landes halten seit April 2012 verschiedene Rebellengruppen besetzt. Einige von ihnen wollen einen streng islamistischen Staat errichten. Nach monatelanger Feuerpause rücken sie nun weiter nach Süden vor.

Fast zeitgleich mit Westerwelle äußerte sich der französische Präsident François Hollande in Paris zur Mali-Frage. Im Gegensatz zu Westerwelle kündigte er zwar an, die Offensive der Rebellen stoppen zu wollen. Doch Hollande sagte nicht, wie und wann Frankreich eingreifen wolle. Außerdem erklärte er, dass sein Land nicht im Alleingang vorgehen werde. Frankreich werde nur im Rahmen von UN-Vorgaben handeln, so Hollande. In einer Dringlichkeitssitzung hatte der UN-Sicherheitsrat in der Nacht auf Freitag (11.01.2013) die rasche Entsendung von Truppen nach Mali gefordert. Die malische Regierung hatte sich zuvor direkt an die französische Regierung gewandt und um militärische Hilfe gebeten.

Keine direkte Bedrohung

Bereits im Dezember 2012 hatte der UN-Sicherheitsrat einer internationalen Militärmission in Mali unter afrikanischer Führung zugestimmt. "Dass es zu dieser Mission kommen wird steht weitgehend außer Frage", erklärt Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin im DW-Gespräch. Allerdings seien viele wichtige Einzelheiten noch ungelöst. "Wie schnell diese Mission zustande kommt, welche Länder Truppen stellen werden und wie sie finanziert wird ist noch nicht sicher", so Sahel-Experte Lacher gegenüber der DW. Man müsse auch sehen, dass die Lage vor Ort trotz der letzten Meldungen sehr unklar sei.

Wolfram Lacher ist deshalb skeptisch, ob eine Militärmission mit europäischer Unterstützung sehr bald startet. Zumindest aus strikt sicherheitspolitischen Überlegungen dürfte die Offensive der Rebellen nicht dazu führen, dass die Mission nun von Berlin oder Paris aus beschleunigt wird. Denn: "Das Vorrücken der Rebellen in den letzten Tagen hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Sicherheit Europas", so Lacher. Mittelfristig stelle die Entstehung eines Rückzugsgebiets für Jihadisten im Norden Malis natürlich eine Gefahr für europäische Interessen dar. "Das aber vor allem in der Region selbst", erklärt Lacher. "Die Sicherheit europäischer Staatsbürger in Westafrika und die Wirtschaftsinteressen bestimmter Staaten in der Region, insbesondere Frankreichs, sind dadurch gefährdet."

In der Hauptstadt Bamako demonstrieren Malier für eine Militärintervention (Foto: HABIBOU KOUYATE/AFP/Getty)
In der Hauptstadt Bamako demonstrieren Malier immer wieder für eine MilitärinterventionBild: HABIBOU KOUYATE/AFP/Getty Images

Rebellion oder mafiöse Machenschaften?

Falls der Vormarsch der Rebellen jedoch ungebremst weiter gehen sollte, dann könnte das im Westen ein Umdenken auslösen, meint im DW-Interview Bérangère Rouppert, Sahel-Expertin am Grip-Forschungsinstitut in Brüssel. "Wenn die malische Armee den Rebellen nicht Widerstand leisten kann oder zurückweichen muss", so Rouppert, "dann wird das sicher dazu führen, dass die internationale Gemeinschaft eher bereit ist, die Regierung in Mali zu unterstützen."

Weiter unklar ist, warum die Rebellen zum jetzigen Zeitpunkt ihre Offensive gestartet haben. Für Mitte Januar waren sie eigentlich mit Vertretern der malischen Regierung zu Friedensgesprächen verabredet. Es könnte also sein, dass einzelne Rebellengruppen im Vorfeld von Verhandlungen ihren Einfluss vergrößern wollen. Dass die Rebellen nun das gesamte Staatsgebiet einnehmen, erscheint trotz ihrer guten Bewaffnung unwahrscheinlich. "Ich bin nicht sicher, dass sie wirklich ihr Hoheitsgebiet ausweiten wollen", erklärt Sahel-Expertin Bérangère Rouppert. Im Norden Malis kontrollierten die Islamisten nämlich einen rechtsfreien Raum, in dem der Schmuggel von Waffen und Drogen gute Geschäfte verspreche. "Und diese Geschäfte weiter auszuüben, das ist ihr Ziel," so Rouppert.

Kämpfer der Islamistengruppe Ansar Dine (Foto: ROMARIC OLLO HIEN/AFP/GettyImages)
Kämpfer der Islamistengruppe Ansar Dine sind auch ins Drogengeschäft verwickeltBild: Romaric Ollo Hien/AFP/GettyImages