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EU Russland

Roman Goncharenko4. Juni 2012

Business as usual - nach diesem Motto verlief der 29. Russland-EU-Gipfel. Sowohl Gastgeber Putin als auch die Brüsseler Spitze vermieden Streitthemen - die es durchaus gab.

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Vladimir Putin und Herman Van Rompuy beim EU-Gipfel in St. Petersburg (Foto: AP/dapd)
Bild: dapd

Wladimir Putin hat sich sehr bemüht. Der erste Russland-EU-Gipfel (03.06.- 04.06.2012) nach seiner Rückkehr in den Kreml sollte Harmonie ausstrahlen. Schon die Ortswahl war symbolisch: Der russische Präsident hatte die EU-Spitze in seine Geburtsstadt Sankt Peterburg geladen. Er empfing sie in einem ehemaligen Palast Peters des Großen, den er selber restaurieren ließ.

Die Europäer zeigten sich von dem Prachtbau und dem großen Park mit Kanälen, Fontänen und Skulpturen schwer beeindruckt. "Ein wunderschöner Palast", wiederholte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy sprach von einem "Zeichen" für russisch-europäische Beziehungen. Sankt Petersbug gilt in Russland seit der Zarenzeit als "das Fenster nach Europa".

Eine positive Bilanz

Die Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel seien sehr gut und können noch besser werden, sagten die Gipfelteilnehmer. Mehrmals wiederholten sie, dass die EU Russlands wichtigster Handelspartner sei und rund die Hälfte der russischen Außenhandelsbilanz ausmache. Als besondere Leistungen der letzten Jahre lobten Van Rompuy und Barroso den russischen Beitritt zu der Welthandelsorganisation (WTO), der in den kommenden Monaten formell abgeschlossen werden soll. Außerdem priesen sie die 2010 ins Leben gerufene Initiative "Partnerschaft für Modernisierung" und den Dialog über Visaerleichterungen.

Der WTO-Sitz in Genf/Schweiz (Foto: AP)
2011 wurde der Beitritt Russlands in die WTO mit Sitz in Genf beschlossenBild: AP

Für den russischen Präsidenten scheint diese Frage besonders wichtig zu sein. Russland strebe eine schnelle Abschaffung der Visumspflicht mit der EU an, sagte Putin. Die Ängste der Europäer vor einer Welle von Arbeitsmigranten hält er für unbegründet. Russische Kriminelle seien sowieso bereits in Europa und die Visumpflicht treffe die normalen Bürger wie Geschäftsleute oder Journalisten. Der EU-Kommissionspräsident antwortete darauf, dass die EU eine Abschaffung der Visa mit Russland als ein langfristiges Ziel anerkenne. Dies erfordere jedoch die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten.

Stillschweigen über umstrittene Wahlen

Sowohl Putin, als auch seine Gäste bemühten sich um Harmonie und vermieden Reizthemen. Als beispielsweise die Lage in Syrien aufs Tapet kam, die in Moskau und in Brüssel unterschiedlich wahrgenommen wird, betonten beide Seiten eine gemeinsame Ablehnung der Gewalt. Kein Wort fiel in der Pressekonferenz über die NATO-Raketenabwehr in Europa, die in Russland für Kritik sorgt. Genauso unerwähnt blieb das aus Brüsseler Sicht ungerechte russische Importverbot für Vieh aus EU-Ländern.

Die mit Wollmützen maskierte Frauen-Band "Pussy Riot" (Foto: AP/dapd)
Die Mitglieder der Band "Pussy Riot" sitzen seit Monaten in UntersuchungshaftBild: dapd

Auch keine Erwähnung der Parlaments- und Präsidentenwahlen in Russland, die von der EU und der OSZE als undemokratisch kritisiert wurden. Das Wort "Wahlen" fiel in der öffentlichen Diskussion kein einziges Mal. 

Dabei riefen im Vorfeld russische Menschenrechtler die Gipfelteilnehmer auf, sich zu der Menschenrechtslage in Russland zu äußern. Sie kritisierten in einer Erklärung die geplante Verschärfung der Strafen bei öffentlichen Protesten, die aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Verhaftung junger Frauen der Punk-Band "Pussy Riot" und strengere Gesetze gegen "Schwulenpropaganda". Auch keines dieser Themen wurde auf dem Gipfel angesprochen. 

Putin: Chodorkowski kein politischer Häftling

Die einzige kritische Äußerung in Richtung Moskau leistete sich Herman Van Rompuy. Der Vorsitzende des Europäischen Rats mahnte die Bedeutung der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft an. Er sagte, dass sich die Initiative "Partnerschaft für Modernisierung" nicht nur auf Wirtschaft beschränken solle. Diese Worte gefielen Wladimir Putin wohl nicht: Er zog die Augenbrauen und presste die Lippen, ließ sich aber nicht zu einer seiner berüchtigten scharfen Gegenbemerkungen hinreißen. 

Eine Demonstration für Getötete in Syrien (Foto: dpa)
Die Lage in Syrien war nur kurz ThemaBild: picture-alliance/dpa

Ganz von alleine kam der bald 60-jährige Politiker dagegen auf den inhaftierten ehemaligen Ölmagnaten Michail Chodorkowski zu sprechen. Ein westlicher Reporter hatte ihn auf einen Zettel angesprochen, der offenbar von Oppositionellen im Hotel unter Journalisten verteilt wurde. Putin lächelte bei dieser Frage - und sagte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Fall Chodorkowski nicht als politisch eingestuft habe.

Eurasische Union als Gesprächspartner

Als der russische Präsident auf die Zukunft der russisch-europäischen Beziehungen zu sprechen kam, sagte er, dass die sogenannte Eurasische Union eine immer stärkere Rolle spielen werde. Diese künftige Union ehemaliger Sowjetrepubliken wie Kasachstan sei Russlands Priorität. Sie werde aber auf der Grundlage der WTO-Regeln agieren, so Putin. In Zukunft werde die EU einige Fragen mit der Kommission der Eurasischen Union klären müssen.

"Wir hören und verstehen einander", bilanzierte der Gastgeber den Gipfel in Sankt Peterburg. Die EU zeigte sich bereit, mit dem neuen Präsidenten weiterhin zusammen zu arbeiten und die Partnerschaft zu vertiefen. Barroso wollte dem Gastgeber dann noch einen Gefallen tun und zitierte zum Schluss der abschließenden Pressekonferenz den russischen Dichter-Klassiker Puschkin: "Wir können versuchen und scheitern, wir dürfen aber die Sache nicht unversucht lassen."