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ASEAN und Südchinesisches Meer

Hans Spross18. November 2012

Für den Territorialstreit der Philippinen und anderer ASEAN-Staaten mit China gibt es keine einfachen Lösungen. Ein "code of conduct" wäre nur ein erster Schritt, erläutert Südostasien-Experte Gerhard Will.

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Dr. Gerhard Will.(Foto: Candida Splett/SWP)
Dr. Gerhard WillBild: SWP

DW: Hat sich seit dem letzten ASEAN-Treffen im Juli dieses Jahres in punkto Südchinesisches Meer etwas bewegt?

Gerhard Will: Es hat sich durchaus einiges bewegt. Es wurden einige Gespräche im Hintergrund geführt, nach dem Debakel des letzten ASEAN-Gipfels in Phnom Penh, wo es zu keiner gemeinsamen Erklärung gekommen ist. Inzwischen haben die ASEAN-Staaten eine Sechs-Punkte-Erklärung abgegeben, wie so ein "code of conduct" aussehen könnte. Wie zu hören war, fanden mit China Gespräche auf Beamtenebene statt.

Würde ein solcher "code of conduct" die Gefahr militärischer Spannungen im Südchinesischen Meer reduzieren?

Nicht unbedingt. Es kann durchaus parallel gehen, dass man einen solchen "code of conduct" verabschiedet, und auf der anderen Seite deutlich macht: Wir verzichten nicht auf eine militärische Option, und wir rüsten entsprechend auf.

Wie sehen Sie Chinas Haltung in den Bemühungen um eine diplomatische Lösung  im Territorialstreit?

Die chinesische Führung weiß sehr gut, man sollte den Konflikt mit den Nachbarn in Südost-Asien nicht auf die Spitze treiben. Man braucht für weitere wirtschaftliche Entwicklung auch ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn in Südost-Asien. Insofern ist Chinas Haltung gespalten. Auf der einen Seite will man die territoriale Souveränität, man will vielleicht auch die Bodenschätze, die im Südchinesischen Meer vermutet werden beziehungsweise schon lokalisiert worden sind. Auf der anderen Seite braucht man auch das gute Verhältnis zu den Nachbarn. Insofern ist es nicht unwahrscheinlich, dass China einem solchen "code of conduct" zustimmt, der ja überhaupt kein festes Regelwerk wäre, sondern nur eine Auflistung von Verhaltensmaßnahmen.

Gleichzeitig wären die Ansprüche Chinas dadurch nicht ausgeräumt, man würde sich allenfalls verpflichten, den Status quo zu bewahren. Einem solchen "code of conduct" könnte China also durchaus zustimmen, ohne wesentliche Elemente seiner Forderungen, die es im Südchinesischen Meer hat, aufgeben zu müssen.

Welche Bedeutung hat der Territorialstreit für die Diplomatie der ASEAN-Staaten?

Verschiedene ASEAN-Staaten versuchen natürlich auch, diesen Konflikt zu benutzen, um eine größere Kohäsion der ASEAN-Staaten herbeizuführen. Umgekehrt versucht China alles, um keinen gemeinsamen Standpunkt der ASEAN-Staaten entstehen zu lassen beziehungsweise solche Versuche zu hintertreiben. Ich würde schon sagen, dass dieser Konflikt einen zentralen Stellenwert innerhalb der ASEAN hat, denn es geht ja in diesem Konflikt letztlich um das Verhältnis zu China, und das ist eine Frage, die alle ASEAN-Staaten angeht.

Ist eine einvernehmliche gemeinsame Ausbeutung der Bodenschätze im Südchinesischen Meer eine utopische Vorstellung?

Utopisch würde ich nicht sagen, ich würde sogar sagen, das ist eigentlich die einzige Möglichkeit, dass dieser Konflikt friedlich gelöst werden kann. China selbst hat immer wieder in die Runde geworfen: Wir machen gemeinsame Exploration, gemeinsame Entwicklung. Bislang hat es aber noch kein Projekt gegeben, wo das wirklich geklappt hätte. Aber Vernunft und ökonomisches Denken bei allen Beteiligten vorausgesetzt, wäre ein gemeinsames Ressourcenmanagement die einzige Möglichkeit, um diesen Konflikt zu lösen. Die Vorstellung, dass man diesen Konflikt lösen kann, indem man Linien zieht, exklusive Wirtschaftszonen etc. absteckt, finde ich auch utopisch, denn wer soll diese langen Grenzen bewachen? Solange man Linien zieht, wird es immer zu Konflikten kommen. 

Wie gefährlich ist der Territorialstreit im Südchinesischen Meer?

Es ist in der Tat eine sehr gefährliche Sache, denn es geht ja nicht um ökonomische Interessen alleine. Wenn es um diese alleine ginge, dann wäre meiner Meinung nach eine Lösung eher in Sicht.  Aber es geht natürlich auch um die nationale Legitimität der Regierungen, darum, dass sie sich gegenüber der eigenen Bevölkerung beweisen müssen, dass sie die nationalen Interessen des Landes vertreten. Das gilt für China, aber auch für Vietnam und die Philippinen.  Das ist die innenpolitische Dimension dieses Konflikts. Und dann ist da die strategische Dimension, nämlich die Rivalität zwischen China und den USA im Südchinesischen Meer. Das macht eigentlich diesen Konflikt so schwierig, dass verschiedene Konflikttreiber miteinander verknüpft sind, ökonomische, innenpolitische und die strategischen Interessen der Großmächte.

Dr. Gerhard Will ist Südostasien-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)