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Es bleibt dabei: Keine Taurus in die Ukraine

14. März 2024

Einige Politiker der Regierungskoalition haben gemeinsam mit der CDU-Opposition die Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine gefordert. Aber Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt ab.

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Kampfflugzeug im Flug mit Raketen und Marschflugkörper unter Rumpf und Tragflächen
Der Marschflugkörper Taurus, hier unter dem Rumpf eines Tornado-Kampfflugzeugs der deutschen LuftwaffeBild: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Die CDU/CSU-Opposition im Deutschen Bundestag ist ein weiteres Mal mit einer Abstimmung zur Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine gescheitert. Allerdings haben zwei Abgeordnete der Regierungspartei FDP für den Antrag gestimmt und sich damit gegen Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD gestellt. Auch einige andere Abgeordnete der Koalition sprachen sich für die Taurus-Lieferung aus, auch wenn sie schließlich gegen den Oppositionsantrag stimmten.

Sie haben mit ihrem Widerspruch gezeigt, wie wenig Scholz' Machtwort wert ist. "Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das", hatte der Sozialdemokrat gesagt. Er lehnt die Lieferung der deutschen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab. Er glaubt, die Waffen könnten nur unter Mitwirkung deutscher Soldaten eingesetzt werden und das könne Deutschland in den Krieg hineinziehen. Auch in einer parlamentarischen Fragestunde sagte er noch einmal zu Taurus: "Das ist eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will."

Von den Abweichlern in den eigenen Reihen ging der Grünenpolitiker Anton Hofreiter besonders weit. Der hatte zusammen mit dem CDU-Außenexperten Norbert Röttgen einen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben. Darin werfen sie Scholz einen "katastrophalen Defätismus" und eine Falschaussage vor. Wenn Scholz behaupte, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei dies "faktisch und rechtlich falsch". 

Mann im Anzug gestikuliert am Rednerpult
Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt dabei: Die Ukraine bekommt keine Taurus-LenkflugkörperBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Starker Tobak für den Bundeskanzler, so etwas von einem Mitglied der eigenen Regierungskoalition zu lesen. Die Zahl der Abweichler in den eigenen Reihen nimmt offenbar zu, auch wenn die meisten von ihnen dann doch nicht für den Antrag der CDU/CSU gestimmt haben. Auch die grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte zuvor erkennen lassen, dass sie ebenfalls für die Lieferung ist.

Scharfe Angriffe der CDU

Währenddessen gerät die Ukraine militärisch immer mehr in Bedrängnis. Und das hat Auswirkungen auch auf Deutschland, meint der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter: "Es muss klar sein: Wenn Putin nicht in der Ukraine gestoppt wird, erhöht sich die Kriegsgefahr für uns alle massiv!", so Kiesewetter gegenüber der DW.

Mann im Anzug gestikuliert
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzler Olaf ScholzBild: picture alliance / Geisler-Fotopress

Kiesewetter lässt Scholz' öffentlich geäußerte Bedenken nicht gelten, spricht von "Scheingründen": "Was wirklich dahintersteckt? Entweder er lässt sich von russischer Desinformation selbst abschrecken, oder aber er will nicht, dass die Ukraine den Krieg gewinnt, sondern einen Diktat-Scheinfrieden mit Putin verhandeln" - ein Vorwurf, den Scholz entschieden zurückweisen würde.

Die Idee eines Ringtauschs

Auch die Partner Deutschlands versuchen, auf den Bundeskanzler einzuwirken und seine Sorgen wegen einer Taurus-Lieferung zu zerstreuen. So lässt sich etwa die Äußerung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg deuten, der im Zusammenhang mit der Taurus-Debatte sagte: "Die Ukraine hat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung." Dazu gehöre die militärische Hilfe der NATO-Staaten für die Ukraine. Er begrüßt die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow und Scalp durch Großbritannien und Frankreich. Sie haben jedoch nur eine etwa halb so große Reichweite wie Taurus.

Als Kompromiss bot der britische Außenminister David Cameron kürzlich einen Ringtausch an. Danach könnte Deutschland Taurus an Großbritannien und Großbritannien noch mehr seiner Storm Shadow an die Ukraine liefern. Für Bundesaußenministerin Baerbock wäre das "eine Option". 

Ein Ex-General stärkt Scholz den Rücken

Auch ein solcher Ringtausch kommt für Scholz allerdings nicht infrage. Manche spekulieren, dass er bereits die kommenden Wahlen vor Augen habe und als Friedenskanzler auftreten wolle. "Besonnenheit ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizieren kann, wie einige das tun, sondern Besonnenheit ist das, worauf die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch haben", sagte Scholz in der Fragestunde des Bundestages.

Unterdessen bekommt er Unterstützung von einem ehemaligen Bundeswehrgeneral. Helmut Ganser beklagt im "Journal für Internationale Politik und Gesellschaft", die Folgen eines Taurus-Einsatzes würden zu wenig bedacht. Das wichtigste Ziel der Marschflugkörper, vermutet Ganser, wäre die strategisch wichtige Kertsch-Brücke vom russischen Festland auf die Krim, mit der die gesamte Südfront im Ukraine-Krieg versorgt wird. "Nicht nur in Moskau, sondern (...) auch international würde die Zerstörung der Brücke als spezifische deutsche Leistung aufgefasst werden."

Straßen- und Eisenbahnbrücke
Strategisch wichtige Straßen- und Eisenbahnbrücke von Kertsch: Über sie versorgt Russland seine Truppen an der SüdfrontBild: AP/dpa/picture alliance

Doch eine Zerstörung der Brücke würde die militärische Lage für die Ukraine nicht einmal entscheidend verbessern, meint Ganser und warnt vor "unkalkulierbaren Risiken" für Deutschland. Der Ex-General unterstützt den Bundeskanzler daher in seiner Ablehnung, "weil dies Deutschland tief in die Grauzone der Kriegsbeteiligung ziehen würde".

Scholz' Autorität ist angeknackst

Selbst wenn die CDU/CSU-Opposition die Abstimmung im Bundestag gewonnen hätte, wäre das zwar ein starkes Symbol gewesen, hätte aber nichts daran geändert, dass nicht das Parlament, sondern die Regierung über die Waffenhilfe an die Ukraine entscheidet.

Für Scholz politisch heikel ist die Unterstützung der Linkspartei und der rechtspopulistischen AfD. Beide würden Kiew am liebsten gar nicht helfen und stützen Scholz trotz sonstiger politischer Differenzen in der Taurus-Frage ausdrücklich.

In der Bevölkerung hat der Kanzler auf jeden Fall eine Mehrheit hinter sich: Laut jüngsten Umfragen lehnen 61 Prozent der Befragten eine Taurus-Lieferung an die Ukraine ab.

Die Grünen und die FDP im Regierungsbündnis haben mit der Abstimmung gezeigt, dass sie keine weitere Krise in einer ohnehin wackeligen Koalition wollen. An Neuwahlen sind die drei Regierungsparteien nicht interessiert, denn es sieht für keine von ihnen in den Umfragen gut aus.

Das schließt einzelne Abweichler nicht aus. Doch die Autorität von Bundeskanzler Olaf Scholz, der erst ein Machtwort spricht, die Diskussion aber dennoch nicht stoppen kann, ist in jedem Fall angeknackst.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik