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Gespaltenes Land Elfenbeinküste

Friederike Müller / Julien Adayé19. April 2013

Aufgeheizte Stimmung, ehemalige politische Verbündete, die sich bekämpfen: Über zwei Jahre nach den blutigen Unruhen von 2010/2011 ist die Elfenbeinküste tief gespalten. Das zeigen auch die anstehenden Kommunalwahlen.

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(Foto: EPA/Legnan Koula)
Elfenbeinküste UN Soldat Archivbild 2012Bild: picture-alliance/dpa

"Vor dem ersten Treffen hatte ich Angstschweiß auf der Stirn", erzählt Jens-Uwe Hettmann. Er leitet das Büro der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Abidjan in der Elfenbeinküste. Die SPD-nahe Stiftung organisiert mit ihren Partnern vor Ort seit Herbst 2012 Diskussionsforen, die politische Akteure aus verschiedenen Lagern zusammenbringen. Ein Vorhaben, das in dem westafrikanischen Land durchaus für schlaflose Nächte sorgen kann: "Wenn man die angespannte Atmosphäre und die Rhetorik, mit der die Lager auch in den Medien aufeinander einschlagen, im Kopf hatte, konnte man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Ganze friedlich ablaufen wird", so Hettmann. Doch alles ging gut, die Diskussion verlief weitgehend sachlich.

Aber das scheint eine Ausnahme zu sein: Insgesamt ist die Stimmung in der Elfenbeinküste aufgeheizt. Am Sonntag (21.04.2013) sind Kommunal- und Regionalwahlen. Beobachter sprechen von teilweise blutigen Zwischenfällen im Vorfeld der Wahlen, auch das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Gewalt. Der Grund für die Anspannung im Land geht - zumindest teilweise - auf die letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010 zurück: Der amtierende Präsident Laurent Gbagbo hatte sich geweigert, dem Wahlsieger Alassane Ouattara das Feld zu überlassen. Im Frühjahr 2011 wurde Ouattara schließlich offiziell zum Präsidenten ernannt. Gbagbo wurde auf internationalen Druck festgenommen, er muss sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Zurzeit prüfen die Richter, ob die Beweise für ein Hauptverfahren ausreichen.

Wahlkampf in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Die Stimmung vor den Kommunalwahlen ist angespannt (Foto:SIA KAMBOU/AFP/Getty Images)
Wahlkampf in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Die Stimmung vor den Kommunalwahlen ist angespanntBild: Sia Kambou/AFP/Getty Images

Keine Versöhnung in Sicht?

Seit den Vorfällen von 2010 und 2011 geht ein tiefer Riss durch die ivorische Gesellschaft. Noch immer stehen die Anhänger Gbagbos denen des jetzigen Präsidenten Ouattara unversöhnlich gegenüber, so Beobachter vor Ort. Eine Aussöhnung ist für viele Ivorer - wie die Passantin Amélie Kadjané - nicht in Sicht: "Wenn die Politiker nicht die Wahrheit sagen, und diejenigen, die früher an der Macht waren, keine Demut zeigen und sich für ihre Taten nicht entschuldigen - dann kann man nicht von Versöhnung sprechen". Die Frau aus Abidjan fordert aber auch: "Es darf keine Siegerjustiz geben. Die aktuellen Machthaber dürfen die Fehler ihrer Vorgänger nicht wiederholen."

Laurent Gbagbo bei einer Anhörung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Foto: REUTERS/ Michael Kooren)
Laurent Gbagbo bei einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den HaagBild: Reuters

Genau das ist jedoch der Vorwurf der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: Die vom Staatschef Ouattara eingesetzten Truppen hätten auf Anschläge von mutmaßlichen Gbagbo-Anhängern mit schweren Menschenrechtverletzungen reagiert, heißt es in einem Bericht vom Februar 2013. Auch während der Krise 2010 und 2011 sei die Gewalt von beiden Seiten ausgegangen, kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Dass sich jetzt nur der Wahl-Verlierer Gbagbo in Den Haag verantworten soll, deuten viele Ivorer, aber auch viele internationale Beobachter als "Siegerjustiz". Passant Daniel Djédjé aus Abidjan sieht das gelassener: Polizisten oder Militärs würde für ihre Fehltritte bestraft, sagt er. "Das wird auch weiterhin passieren. Wir müssen nur Geduld haben und den Dingen ihren Lauf lassen."

Gbagbos Abwesenheit bestimmt die Kommunalwahlen

Die Ereignisse von 2010/2011 und ihre Folgen wirken sich sogar auf die Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag aus: Die Partei von Laurent Gbagbo hat angekündigt, nicht an den Wahlen teilzunehmen. Sie habe die Freilassung Gbagbos zur Bedingung ihrer Teilnahme gemacht, erklärt Jens-Uwe Hettmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Forderung wurde nicht erfüllt. Auch andere Parteien wollen die Wahlen boykottieren.

Ivorische Soldaten des Lagers von Wahlsieger Ouattara in den Straßen Abidjans im Frühjahr 2011 (Foto: AP Photo/Rebecca Blackwell)
Ivorische Soldaten des Lagers von Wahlsieger Ouattara in den Straßen Abidjans im Frühjahr 2011Bild: AP

Die Chancen für die bereits auf nationaler Ebene regierenden Parteien stehen also gut. Doch gerade hier gibt es Krach: "Die beiden größten übriggebliebenen Parteien - die des Präsidenten Ouattara und die des verstorbenen Staatsgründers Houphouët-Boigny - liegen miteinander im Clinch", beobachtet Hettmann. Die Allianz, der beide Parteien angehören, sei dabei zu zerbröckeln: "Dadurch, dass Gbagbo verhaftet und nach Den Haag überstellt wurde, hat diese Allianz den Klebstoff verloren, der sie zusammenhielt", so Hettmann. Nur in einigen Wahlkreisen haben sich die beiden großen Parteien auf gemeinsame Listen verständigen können, anderswo habe sich die massive Konkurrenz in Gewalt entladen.

Brutale Wortwahl in den sozialen Medien

Auch verbale Gewalt beobachtet Hettmann dieser Tage in der Elfenbeinküste, zum Beispiel wenn in sozialen Medien Zeitungsartikel diskutiert werden: "Da beschimpft man sich mit den brutalsten Worten. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass die mentale Abrüstung, die ja auch die Vereinten Nationen zu Recht gefordert haben, auch bei der Bevölkerung noch überhaupt nicht stattgefunden hat", so Hettmann. Er sieht die Politiker in der Verantwortung, den Riss durch die Gesellschaft zu kitten.

Als besonders bestürzend empfindet Hettmann, dass sich die Spaltung entlang von Ethnien und Religionszugehörigkeiten bemerkbar mache. Doch inzwischen werden auch in der ivorischen Bevölkerung Stimmen laut, die ein Ende der an ethnischen Trennlinien orientierten Politik fordern. Aber das ist nicht das einzige Problem der Elfenbeinküste: Eine Reform des Bodenrechts stehe aus, die öffentliche Sicherheit und das Justizsystem müssten verbessert werden, sagt Hettmann: "Solange daran nicht effektiv gearbeitet wird, wird die Strategie der Regierung, das Land über wirtschaftliche Erfolge wieder ins Gleichgewicht zu bringen, nicht aufgehen können."

Kakaoernte in der Elfenbeinküste (Foto: picture alliance/Photoshot)
Die Elfenbeinküste ist einer der Haupterzeuger von Kakao weltweit.Bild: picture alliance/Photoshot