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Antarktisschmelze

Irene Quaile6. Mai 2014

Forscher warnen vor der Gefahr einer großen Eisschmelze in der Ostantarktis. Wie sicher ist der kälteste Teil der Erde vor der globalen Erwärmung?

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Ewiges Eis in der Arktis (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Während sich die Arktis doppelt so schnell wie der Rest des Planeten erwärmt, galt das Eis in der Region um den Südpol lange als stabil. In den vergangenen Jahren aber führten schmelzende Gletscher an der Antarktischen Halbinsel zu ersten Zweifeln über die Stabilität zumindest der westantarktischen Region. Lediglich die extrem kalte Ostantarktis schien dem Klimawandel zu trotzen.

Jetzt stellen Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) auch das in Frage. In der Zeitschrift "Nature Climate Change" schreiben sie, dass das Abschmelzen bereits einer kleinen Menge Eis an der ostantarktischen Küste eine große Wirkung haben könnte, indem große Eismassen unaufhaltsam jahrtausendelang in den Ozean fließen und den Meeresspiegel ansteigen lassen könnten.

Neue Daten zeigen erhöhtes Schmelzrisiko

"Bislang galt nur die Westantarktis als instabil, aber jetzt wissen wir, dass ihr zehnmal größeres Gegenstück im Osten möglicherweise auch in Gefahr ist", sagt Anders Levermann, Co-Autor der Studie. Der Leiter der Forschung zu globalen Anpassungs-Strategien am PIK ist einer der Leitautoren des Meeresspiegelkapitels im aktuellen Sachstandbericht des Weltklimarates (IPCC). Die Erkenntnisse der Wissenschaftler basieren auf Computersimulationen mit verbesserten Daten zum Untergrund der Antarktis im Vergleich zu bisherigen Modellen.

Forscher in der Antarktis (Foto: International Polar Foundation)
Antarktis-Forscher vom belgischen IPFBild: International Polar Foundation

"Das Wilkes-Becken der Ost-Antarktis ist wie eine gekippte Flasche", erklärt Matthias Mengel, ein anderer Leitautor. "Wenn der Korken gezogen wird, entleert er sich." Sollte das Eisstück an der Küste, das die dahinter liegenden Eismassen zurückhält, schmelzen, könnten riesige Eismengen den Meeresspiegel um drei bis vier Meter erhöhen. Obwohl die Lufttemperatur über der Antarktis noch sehr niedrig ist, können wärmere Meeresströmungen das Eis an der Küste zum Schmelzen bringen.

Noch gibt es allerdings keine Anzeichen für wärmere Meeresströmungen in Richtung Wilkes-Eisschild. Einige Simulationen gehen davon aus, dass sich die Bedingungen bereits innerhalb der nächsten 200 Jahre so weit verändern könnten, dass der "Eispfropfen" schmelzen würde. Selbst dann würde es nach Einschätzung der Wissenschaftler noch 2000 Jahre dauern, bis sich der globale Meeresspiegel um einen Meter erhöht.

Ein langer Prozess, aber unaufhaltsam

In den Simulationen dauert das vollständige Ausströmen aller Eismassen aus der betroffenen Region in der Ostantarktis 5000 bis 10.000Jahre. "Wenn diese Entwicklung jedoch erst einmal begonnen hat, wird sich das Auslaufen unaufhaltsam fortsetzen, bis das gesamte Becken leergelaufen ist", sagt Mengel. "Das ist das grundlegende Problem hier. Indem wir mehr und mehr Treibhausgase ausstoßen, lösen wir möglicherweise heute Reaktionen aus, die wir in Zukunft dann nicht mehr stoppen können."

Adeliepinguin auf einer Eisscholle (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Noch finden die Pinguine genügend EisBild: picture-alliance/Photoshot

Der Bericht des Weltklimarats sagt einen Beitrag der Antarktis zum globalen Meeresspiegelanstieg von bis zu 16 Zentimetern innerhalb unseres Jahrhunderts voraus. Da das bereits für viele Küstengebiete der Welt verheerende Konsequenzen hätte, ist jeder zusätzliche Faktor für die Berechnungen des Weltklimarates von großer Bedeutung. "Wir haben vermutlich bislang die Stabilität der Ost-Antarktis überschätzt", sagt Levermann. Jeder noch so kleine Anstieg des Meeresspiegels würde die Überflutungsgefahr für Küstenstädte wie New York, Tokio oder Mumbai verschärfen.

Den größten Beitrag zum Eisverlust in der Antarktis und zum Anstieg des globalen Meeresspiegels leistet zurzeit der Pine-Island-Gletscher in der Westantarktis: Ein gewaltiger Eisberg, der im vergangenen Jahr von ihm abgebrochen ist, treibt ins Südpolarmeer. Der französische Glaziologe Gael Durand von der Universität Grenoble sagte der DW, dass der riesige Gletscher bereits den Punkt erreicht habe, an dem er auch ohne weitere Beeinflussung durch den Ozean oder die Lufttemperatur unaufhaltsam weiter schmelzen werde.