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Interventionen und Interessenskollisionen

Kersten Knipp16. März 2013

Der Krieg in Syrien beweist, wie schwierig internationale Interventionen sind. Zu unterschiedlich sind die Interessen der beteiligten Mächte. Das zeigt auch die Debatte über Waffenlieferungen.

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Un-Soldaten an der Grenze zwischen Syrien und Israel (Foto: REUTERS)
Bild: REUTERS

Der Kalte Krieg ist vorüber. Doch friedlicher ist die Welt nicht geworden: Derzeit zählt das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung 18 Kriege, 25 begrenzte Kriege und 43 hochgradig gewalttätige Konflikte auf dem Globus.

Friedensstifter haben also alle Hände voll zu tun - allen voran die Vereinten Nationen. Sie unterhalten gegenwärtig 14 Friedensmissionen, in denen knapp 114.000 Menschen arbeiten. 7,23 Milliarden Dollar stehen in diesem Jahr für alle Engagements bereit. Die vier größten Beitragszahler sind die USA, Japan, Großbritannien und Deutschland.

Warnung vor Selbstüberschätzung

Angesichts der Vielzahl der Konflikte wie auch der enormen Kosten, die sie verursachen, suchen vor allem die westlichen Staaten nach neuen Möglichkeiten, militärische Interventionen möglichst effizient und mit geringem Aufwand zu steuern. Dabei will Deutschland seine Rolle im internationalen Konfliktmanagement neu bestimmen. Hier hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die eigenen Interventionsmöglichkeiten wie auch die der Partner in NATO, EU und UN durchaus begrenzt sind: "Wir sollten uns nicht überschätzen", sagte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz. "Wir sollten nicht glauben, dass wir alle Entwicklungen überall auf der Welt lenken können. Eine Weltarchitektur unter unserer Führung wird es nicht geben." Deutschland und seine Partner könnten lediglich einen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten, lautet das nüchterne Fazit des Verteidigungsministers.

Materielle und politische Kosten

Die Möglichkeiten dafür sind begrenzt. Das zeigt sich vor allem in Syrien. Deutschland und die anderen Länder der Europäischen Union haben sich auf die Seite der Aufständischen gestellt. Grundsätzlich sind sie auch bereit, die Gegner des Assad-Regimes zu unterstützen. Die Frage ist nur: Wie? Frankreich und noch mehr Großbritannien plädieren dafür, die Rebellen auch mit Waffen zu versorgen. Notfalls würden sie das auch im Alleingang tun. Eine Reihe anderer Staaten, darunter Deutschland, können sich mit dieser Option überhaupt nicht anfreunden. Sie fürchten die politischen Folgen.

Als Geiseln genommene UN-Soldaten nach ihrer Freilassung (Foto: Reuters)
Gefährdete Helfer: Als Geiseln genommene UN-Soldaten nach ihrer FreilassungBild: REUTERS

Dafür haben sie vor allem zwei Gründe: Erstens sehen sie sich nicht in der Lage, die ideologische Ausrichtung der Rebellen zu beurteilen. Denn über die Rolle und Stärke der radikalen Islamisten innerhalb der bewaffneten Opposition liegen keine gesicherten Informationen vor. Und nach den Erfahrungen in Libyen wollen die EU-Staaten auf jeden Fall verhindern, dass die Waffen in die Hände von Dschihadisten gelangen, die sie irgendwann gegen westliche Interessen einsetzen könnten.

Interessensgegensätze

Vor allem aber fürchten sie, den Krieg durch Waffenlieferungen noch mehr anzuheizen, so dass er möglicherweise auf andere Länder der Region übergreift. Längst haben sich regionale und internationale Akteure in dem Krieg positioniert: Saudi Arabien, Qatar, die Türkei sowie die USA und die EU-Staaten unterstützen die Rebellen. Russland, China, der Iran und der Irak stehen an der Seite Assads. Leicht könnte die allzu entschlossene Unterstützung der einen oder anderen Seite da einen Stellvertreterkrieg auslösen. Davor schrecken alle Seiten zurück. Engagiert sind sie dennoch - möglichst verdeckt.

So zeigen sich im Syrienkrieg auf exemplarische Weise die Schwierigkeiten militärischer Interventionen generell: Es sind schlicht zu viele Parteien mit unterschiedlichen bis gegensätzlichen Interessen vertreten, die sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Nicht einmal im höchsten internationalen politischen Gremium, dem UN-Sicherheitsrat, können sich die dort vertretenen Staaten auf eine gemeinsame Haltung zu Syrien einigen.

Salim Idriss, Militärchef der Rebellen vor dem EU-Parlament in Brüssel (Foto: dpa)
Wer kämpft in seinen Reihen? Salim Idriss, Militärchef der RebellenBild: picture-alliance/dpa

Die prinzipiell gleiche Schwierigkeit zeigt sich auch bei internationalen Einsätzen. Dort, erklärt der Politologe Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik, arbeiteten viele unterschiedliche Akteure zusammen. Die erhielten von ihren jeweiligen Institutionen oder Regierungen - etwa von den UN, der NATO oder aus Paris, Berlin oder London - spezifische Zielvorgaben. Diese miteinander in Einklang zu bringen, sei unabdingbar. Genau das bereite aber auch die größten Schwierigkeiten. Denn die Interessen der Beteiligten stünden oft in Widerspruch zueinander und damit einer Zusammenarbeit im Wege: "Und das heißt, dass man sehr viele Kompromisse eingehen muss", gibt Mölling zu bedenken.

Keine Kompromissbereitschaft

Im Syrienkrieg treten die Interessenskonflikte offen zu Tage. Hier wird nicht nur zwischen Aufständischen und Regierung gekämpft, sondern auch um die künftige Vorherrschaft in der Region. Rund 70.000 Menschen verloren in dem seit über einem Jahr andauernden Krieg in Syrien bislang ihr Leben. Die Kompromissbereitschaft der beteiligten Akteure hat das nicht erhöht. Die Wirksamkeit internationaler Interventionen bleibt weiterhin begrenzt - vorausgesetzt, sie kommen überhaupt zustande.

Der syrische Oppositonsführer Mouaz al-Khatib und US- Außenminister John Kerry in Rom (Foto: REUTERS)
Verhandlungen: Der syrische Oppositonsführer Mouaz al-Khatib und US-Außenminister John KerryBild: Reuters