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Die Philippinen im Klimawandel

Thomas Kruchem21. Februar 2014

Der Taifun Haiyan im November 2013 war nur einer der verheerenden Wirbelstürme, die neuerdings die Philippinen treffen. An dem Unglück seien die Industrieländer schuld, sagen Kritiker vor Ort.

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Zerstörtes Haus auf den Philippinen Foto: DW/Thomas Kruchem
Taifune wie Haiyan zerstören die Häuser von Millionen Menschen.Bild: DW/T.Kruchem

Am 8. November 2013 traf der Taifun Haiyan, der hier auch Yolanda genannt wird, Estancia, ein Städtchen im Norden der philippinischen Insel Panay. Die in einer Siedlung am Stadtrand lebende Familie der 35-jährigen Hanna Martin rettete sich in das Betonhaus eines Onkels.

Als die Familie zurückkam, war von ihrem Haus fast nichts mehr übrig, berichtet die junge Frau. "Das Dach und die Bambuswände waren fortgeflogen, die Möbel nur noch ein Trümmerhaufen. Und alles war nass: unsere Kleider, die Leintücher, die Vorräte an Reismehl."

Zum Glück versorgte nach drei Tagen eine Hilfsorganisation die Siedlung mit Nahrungsmitteln. Auf dem Fundament ihres Hauses bauten dann Hanna und ihr Mann eine provisorische Hütte.

Ausbaden, was andere verursacht haben

Die Industrieländer tragen eine Mitverantwortung für die Katastrophe vom 8. November, meint in der philippinischen Hauptstadt Manila Esteban Godilano, wissenschaftlicher Mitarbeiter des "Climate Change Congress of the Philippines". Diese Organisation kritischer Wissenschaftler erforscht, wie der weltweite Klimawandel das Land der 7000 Inseln trifft - mit alarmierenden Ergebnissen.

Zerstörte Fischfabrik auf den Philippinen
Der Sturm vernichtete auch diese Fabrik für Fischkonserven. 200 Menschen verloren ihre Arbeit.Bild: DW/T.Kruchem

“Wissenschaftliche Daten zeigen eindeutig, dass jetzt wir Filipinos die Probleme ausbaden müssen, die insbesondere die Industrieländer in den vergangenen 100 Jahren verursacht haben“, sagt Godilano. Schon heute seien die Auswirkungen des Klimawandels dramatisch auf den Philippinen. "2011 hieß es, dass wir am drittstärksten betroffen seien - nach den kleinen Inselrepubliken Vanuatu und Tonga, die nicht einmal so groß sind wie eine unserer Provinzen. Und das war, bevor drei gewaltige Taifune fast die Hälfte unseres Landes verwüsteten: Sindong, Pablo und jetzt im November Yolanda, der vielleicht stärkste Sturm, den die Erde je erlebt hat - mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 315 Kilometern pro Stunde."

Taifune bedrohen Gebäude und Ernten

Stürme mit extrem hohen Windgeschwindigkeiten häufen sich auf den Philippinen seit Beginn dieses Jahrtausends, erklärt Klimaexperte Godilano. "In der Vergangenheit haben wir Taifune mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 250 Kilometern pro Stunde nie erlebt. In den letzten fünf Jahren jedoch fegten gleich drei solche Stürme über unser Land hinweg. Und weil viele unserer Gebäude nur auf Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde ausgelegt sind, müssen wir wohl große Teile unserer Infrastruktur neu konzipieren."

Zahlreiche Gebäude in den Städten der Philippinen müssen möglicherweise verstärkt, neue Gebäude stabiler gebaut werden - was Milliarden an zusätzlichen Kosten verursachen könnte.

Davon abgesehen sei die Zahl der Taifune gestiegen, berichtet Esteban Godilano: von im Schnitt 18 pro Jahr noch vor 15 Jahren auf zuletzt 20 pro Jahr. 2013 fegten sogar 24 Taifune über den philippinischen Archipel hinweg.

Mindanao, die Kornkammer der Philippinen. Foto: DW/ Thomas Kruchem
Seit einigen Jahren bedrohen Taifune auch Mindanao, die Kornkammer der Philippinen.Bild: DW/T.Kruchem

Das Taifungeschehen hat sich zum größeren Teil aus dem Norden des Landes nach Süden verlagert: in die Visayas-Region, wo Leyte und Panay liegen, und nach Mindanao, die Kornkammer der Philippinen. Mindanao, wo Taifune früher fast unbekannt waren, wurde allein in den letzten drei Jahren zweimal verwüstet.

Wer zahlt für die Schäden an Korallenriffen?

Und noch eine Folge des Klimawandels bekommen die Philippinen weit stärker als andere Länder zu spüren: den durch das Abschmelzen der Pole und Gletscher verursachten Anstieg des Meeresspiegels. Ein kleines Indiz: Die bei den Filipinos so beliebten Basketballplätze am Strand stehen heute weit häufiger unter Wasser als noch vor einigen Jahren. Der Anstieg des Meeresspiegels betreffe immerhin 14 Millionen Filipinos, die unmittelbar an den Küsten des Landes leben, erklärt Esteban Godilano. Teile ihres Landes würden in nicht allzu ferner Zukunft vom Meer verschluckt werden; viele ihrer Häuser untergehen.

"Durch den Anstieg der Meerestemperatur werden überdies unsere Korallenriffe geschädigt. Unsere Forschungen zeigen, dass große Teile der Korallen schon heute abgestorben sind. Korallenriffe aber sind die Kinderstube der Fische. Dort legen die Fische ihre Eier ab; dort entwickeln sich ihre Jungen", sagt Godilano.

Fischer bauen Boot Foto: DW/ Thomas Kruchem
Die Fischer von Estancia müssen sich aus Trümmern neue Boote bauen.Bild: DW/T.Kruchem

Korallenriffe, Mangroven und Seegraswiesen schützen die Inseln der Philippinen vor der Gewalt des Meeres, vor Sturmfluten. Die natürlichen Schutzgürtel können die Gewalt solcher Fluten um bis zu 80 Prozent reduzieren. Der auch durch den Klimawandel bedingte Verlust solcher Schutzgürtel erhöht die Schäden bei Sturmkatastrophen.

Es sei an der Zeit, fordert der Filipino Esteban Godilano, dass die Industrieländer sich ihrer Verantwortung stellen. Sie müssten endlich einen Fond auflegen, der armen Entwicklungsländern hilft, sich an den Klimawandel anzupassen.