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Die neue Bescheidenheit der G20

Gernot Heller (Reuters)23. Februar 2014

Das Treffen der G20-Finanzminister in Sydney hat es einmal mehr unter Beweis gestellt: Als Krisenfeuerwehr hat die Gruppe funktioniert. Nun denkt jeder wieder vor allem an seine eigenen Interessen.

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G20 Finanzminister Treffen 22.Feb. 2014 Sydney
Bild: Reuters

Rund sechs Jahre nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise ist die einstmals so ehrgeizige Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der neuen Bescheidenheit angekommen. Im spätsommerlichen Sydney vermittelte das Treffen ihrer Finanzminister und Notenbankchefs am Wochenende (22./23.02.2014) das Bild eines Clubs, der gelernt hat, sich mit wenig zufriedenzugeben. Der eine oder andere Minister, etwa der aus Brasilien oder auch seine Kollegen aus Südafrika und Mexiko, schaffte es dieses Mal nicht, vorbeizukommen. Macht nichts - Spektakuläres stand in der warmen australischen Sonne ohnehin nicht an, wie einer der Teilnehmer freimütig einräumte.

Dass die G20 immer mehr an Gewicht verliert, sich womöglich auf dem Weg ins Abseits bewegt, bestreiten die Hauptdarsteller allerdings. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt es immer wieder, auch Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen aus den anderen Ländern: Dass sich die Mächtigen in diesem Rahmen regelmäßig treffen, kennenlernen, den kurzen Draht zueinanderlegen, sei schon ein hoher Wert an sich, beteuern sie seit Jahren unisono. Das Argument hat Gewicht. Immerhin waren es in der Krise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 die Finanzminister, die den in Jahren aufgebauten direkten Kontakt nutzten, zum Telefonhörer griffen und gemeinsam das Schlimmste verhinderten.

Finanzhilfen für Ukraine

Überschaubare Erfolge

Nicht zuletzt deshalb wurde die G20 von einer Finanzminister-Zusammenkunft auf die Ebene der Staat- und Regierungschefs gehoben. Inzwischen gibt es einen festen Turnus von rund einem halben Dutzend G20-Treffen jährlich. Routine ist eingekehrt - mit dem wachsenden Abstand zur Krise werden die Erfolge weniger. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte ein "Ehemaliger", der langjähriger G20-Top-Akteur und heutige Arbeitsstaatssekretär Jörg Asmussen, mit Mahnungen Aufsehen erregt. Der ehemalige EZB-Direktor beklagte, die Ergebnisse der G20 würden immer bescheidender. Die Effektivität lasse nach, ebenso wie die Dynamik. Aufgeben wollte er sie aber dennoch nicht: "Trotz aller Begrenzungen bleibt die G20 das zentrale Instrument zur globalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit."

Die G20-Konferenz in Sydney wirkt wie ein verspäteter Beleg für Asmussens Kritik. Ihre große Überschrift, die Ausgabe eines ehrgeizigen, neuen globalen Wachstumsziels, entpuppt sich bei Lichte besehen als Papiertiger. Denn hinter vorgehaltener Hand wird im G20-Kreis gleich relativiert: keine Verbindlichkeit, keine Garantie, nichts Einklagbares. Das hehre Ziel ist eher als Motivationshilfe gedacht, als Psycho-Doping.

USA beharren auf Sonderrolle

Doch diese Wachstumsmarke verbirgt ein zusätzliches Signal. Die USA, die seit Jahren unermüdlich für mehr Wachstumsförderung werben und den Deutschen vorwerfen, mit ihrem Sparwahn zu wenig dafür zu tun, kann einen kleinen Sieg feiern. Dass die Bundesregierung ursprünglich eine solchen Wachstumswert nicht wollte, ihn dann aber doch hinnahm, spricht für sich. Überhaupt: war noch vor wenigen Jahren in der G20 zu beobachten, dass die USA als Ursprungsland der großen Finanzkrise in ihrem Führungsanspruch infrage gestellt wurden, nicht zuletzt von den wirtschaftlich aufkommenden Chinesen, so ist dieses Ansinnen verflogen. Der wichtigste G20-Partner pflegt inzwischen mehr denn je seine Sonderrolle.

Belege dafür gibt es mehrere. So lobt in Sydney US-Finanzminister Jack Lew, dass auf Drängen der G20 die Industrieländerorganisation OECD einen globalen Standard für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen erarbeitet hat. Sein Land gehört dennoch nicht zu denen, die bereits erklärt haben, nach diesem Muster schnell zu verfahren. Vielmehr setzen die USA auf ihr eigenes Modell, das erst einmal ihren ureigenen Interessen Rechnung trägt.

Auch bei der Regulierung gehen die USA gerne eigene Wege. Mit dem einseitigen Vorpreschen bei höheren Kapitalanforderungen an Großbanken aus dem Ausland hat die Regierung in Washington den Partnern wieder mal die Rücklichter gezeigt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ärgert das. Von der oft beschworenen globalen grenzüberschreitenden Kooperation ist da nichts zu sehen. "Der aktuelle Schritt der USA bedeutet eher ein Abrücken von einer global koordinierten Bankenaufsicht", bemängelt Weidmann.

Und schließlich sind es die USA, die die schon länger überfällige Quoten- und Strukturreform beim Internationalen Währungsfonds (IWF) blockieren. Die soll den großen Schwellenländern mehr Gewicht beim Krisenbekämpfer Nummer Eins geben. Dass die G20 in wichtigen Feldern der Finanzregulierung noch immer nicht geliefert hat - etwa bei der Kontrolle und Regel-Setzung für sogenannte Schattenbanken - geht da fast schon unter. Das Fazit bleibt: Für die G20 besteht derzeit kein Anlass zum Übermut. Bescheidenheit ist angesagt.