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Die CSU zeigt Muskeln

Kay-Alexander Scholz7. Januar 2014

Die CSU stellt sich auf ihrer Tagung in Wildbad Kreuth geschlossen hinter die umstrittene Parole "Wer betrügt, der fliegt". Die hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Das ist der CSU gar nicht unrecht.

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Haus der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth (Bayern) - Foto: Andreas Gebert (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Regelmäßig zu Jahresbeginn veranstalten die Parteien in Deutschland Klausurtagungen, um Pläne für das neue Jahr zu schmieden - auch die CSU, die bayerische Schwesterpartei der CDU. Zwar kommen die Christsozialen eigentlich hinter verschlossenen Türen zusammen. Dennoch sorgt die CSU-Spitze - auch das ist schon Tradition - durch markige Worte alljährlich dafür, dass sich die Partei einer breiten medialen Aufmerksamkeit sicher sein kann. So ist es auch diesmal: Das seit Jahresbeginn nun auch für Rumänen und Bulgaren geltende Recht, EU-weit nach Arbeit zu suchen, begrüßte die CSU mit der Drohung: "Wer betrügt, der fliegt."

Der Ton ging vielen in Politik und Gesellschaft zu weit. Es entwickelte sich eine scharf geführte Debatte zwischen den Parteien der noch jungen großen Koalition, die CDU und CSU mit der SPD bilden. Letztlich griff Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein und versuchte, die Debatte zu versachlichen. Ein Ausschuss mehrerer Staatssekretäre soll sich des Themas annehmen und untersuchen, ob und welche Maßnahmen zu treffen seien. CSU-Chef Horst Seehofer meldete sich trotzdem noch mal zu Wort. Er hoffe, dass der Ausschuss auch zu konkreten Vorschlägen komme. "Diese Koalition muss sich auszeichnen durch Handeln, nicht durch Sitzungen", sagte Seehofer in einem Zeitungsinterview.

Ein wenig Populismus

Der umstrittene Satz "Wer betrügt, der fliegt" stand in einem von sechs Beschlussentwürfen für die Klausurtagung. Am Dienstag (07.01.2014) bekannte sich die CSU-Landesgruppe einstimmig zu diesem Beschluss. Korrekterweise darf natürlich der Kontext nicht verschwiegen werden. Der Entwurf trägt den Titel "Dort, wo die Menschen wohnen: Die Belange der Kommunen zukunftsfest gestalten" und widmet sich einer ganzen Reihe von Herausforderungen für die politische Arbeit in den Kommunen. Es geht um Mehrgenerationenhäuser, Lärmschutz, Wohnungsbau und andere örtliche Belange. Ein 16-zeiliger Absatz in einem insgesamt vier Seiten langen Text widmet sich den finanziellen Belastungen durch Sozialausgaben, die von den Kommunen und nicht vom Bund oder Land bezahlt werden. Neben dem umstrittenen Satz steht dort: "Eine Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme lehnen wir ab. Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutseinwanderung […] bringt auch unsere Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit."

Der CSU geht es also - nach eigenen Angaben - nicht um das Schüren von Ausländerfeindlichkeit. Und auch die Zuwanderung von Arbeitskräften wird von den Christsozialen nicht abgelehnt. Ein wenig aber werfen hierbei die Kommunalwahl im März und die Europawahl im Mai ihre Schatten voraus. Beim Wähler in den bayerischen Bierzelten kommt ein wenig Populismus sicherlich ganz gut an.

Kräftemessen mit den Berliner Koalitionspartnern

Die 38. Klausur in Wildbad Kreuth findet vom 7. bis 9. Januar statt. Daran nehmen alle Bundestagsabgeordneten der CSU teil. Ihre sogenannte Landesgruppe im Bundestag bildet mit der CDU traditionell eine Fraktionsgemeinschaft. Chefin der Landesgruppe ist Gerda Hasselfeldt. Auch sie brachte kurz vor Beginn der Klausur ein kontroverses Thema in die öffentliche Debatte. "Weitere Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn sind unausweichlich", sagte sie in einem Zeitungsinterview. Studenten, Ehrenamtliche oder auch Taxifahrer dürften nicht unter das geplante Gesetz fallen. Die Sozialdemokraten hatten in den Koalitionsverhandlungen einen allgemein gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro verhandelt. Doch seit Wochen werden in der Öffentlichkeit immer neue Ausnahmen diskutiert, nun also auch von der CSU.

Parteivorsitzende Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Sigmar Gabriel (SPD) - Foto: John MacDougall (AFP)
CSU-Chef Horst (Mitte) mit Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel: Alljährlich markige WorteBild: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Mit Unbehagen mögen sich derzeit einige an den Beginn der vormaligen Koalition aus CDU/CSU und FDP erinnern. Der Machtkampf zwischen CSU und FDP wurde damals öffentlich in einem derart rüden Ton geführt, dass das Ansehen der gesamten Regierungskoalition Schaden nahm.

Dass die CSU gerade wieder auf Krawall gebürstet ist, liegt auch an den neuen Gegebenheiten im Bund. Zwar ist die Landesgruppe nach der Bundestagswahl um zwölf Abgeordnete gewachsen und hat nun 56 Mitglieder. Doch dem steht ein gewisser Bedeutungsverlust gegenüber. Hans-Peter Friedrich musste seinen gewichtigen Posten als Bundesinnenminister räumen und ist nun "nur" noch zuständig für Landwirtschaft und Ernährung. Zwei weitere Ministerposten gingen an Gerd Müller (Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und an den ehemaligen CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt (Verkehr und digitale Infrastruktur). Dobrindt soll in Merkels Kabinett die starke Stimme aus Bayern sein. Doch das muss er erst noch unter Beweis stellen.

Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag Foto: Tobias Hase (dpa)
CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt: "Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn"Bild: picture-alliance/dpa

Entschuldigende Worte

Die CSU gilt als die konservativste Partei im Bundestag. Der ehemalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß hatte seiner Partei in den 1970er Jahren verordnet, rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei zuzulassen. Dieser Tradition folgend sagte Horst Seehofer nun in einem Zeitungsinterview: "Der beste Schutz gegen rechtsradikale Dumpfbacken ist, die Probleme zu lösen, auf denen diese Leute ihr Süppchen kochen."

Auch aus Berlin kamen entschuldigende Worte. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag (06.01.2014): "Die Debatte ist doch die Würze des Politischen überhaupt." Man werde immer zu gemeinsamen Lösungen kommen, so Seibert vor Journalisten. Basis sei der Koalitionsvertrag. Der Streit sei ein "normales und gutdemokratisches Vorgehen".

Binnenmarkt und Prostitution

In Wildbad Kreuth will die CSU noch weitere Themen - pointiert - diskutieren. Ein Papier befasst sich mit Vorstellungen zur weiteren europäischen Integration. "Wir brauchen eine starke EU, wenn es darum geht, das Gewicht Europas in der Welt zur Geltung zu bringen", heißt es dort. "Aber wir brauchen eine schlanke EU, wenn es darum geht, den Alltag von Bürgern und Betrieben zu regeln." Polemisch zugespitzt heißt es weiter: "Wir brauchen keine Entzugstherapie für Kommissare im Regulierungsrausch." Sie sollen sich nicht um "Duschköpfe oder Ölkännchen in Restaurants" kümmern. Stattdessen spricht sich die CSU für eine Vollendung des Binnenmarkts und ein transatlantisches Freihandelsabkommen der EU mit den USA aus. Dabei müssten jedoch europäische Standards beim Daten-, Umwelt- und Verbraucherschutz gewahrt werden. Die EU müsse zudem mit den Amerikanern eine rechtlich bindende Form für die Internetkommunikation erarbeiten und darin die Privatsphäre schützen.

Des Weiteren steht das Thema Kampf gegen ProstitutionProstitution auf der Tagesordnung. Eine "neue, umfassende Regulierung der Prostitution" sei "längst überfällig". Das Gesetz aus dem Jahr 2002, damals von SPD und Grünen beschlossen, habe Deutschland zum "Bordell Europas" werden lassen. Zwar solle Prostitution nicht generell verboten werden, wie in Frankreich diskutiert und in Schweden praktiziert. Aber das gesetzliche Alter soll auf 21 Jahre angehoben und eine gesetzliche Meldepflicht eingeführt werden.

Anders als sonst so häufig, fällt in diesen Tagen in Wildbad Kreuth kein Schnee. Der sorgt ansonsten immer für idyllische Bilder vom Veranstaltungsort - und überdeckt so manchen politischen Streit. Denn nicht nur nach außen wird in Wildbad-Kreuth hart diskutiert. 2007 wurde hier der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber entmachtet. Denn im Anschluss an die Landesgruppe treffen sich hier auch immer die Mitglieder des bayerischen Landtags. Doch Horst Seehofer muss nichts befürchten: Er sitzt als Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender fest im Sattel.