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Die Anwältin

22. Juni 2010

Ihr wichtigstes Utensil ist ein Aufnahmegerät. Da diktert sie schwer verständliches Juristendeutsch hinein. Hinter diesen Worten stehen aber handfeste Schicksale.

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Petra Heinicke (Foto: DW)
Petra Heinicke

Petra Heinicke sitzt in ihrem sonnigen Büro nur wenige Gehminuten vom Karlsplatz in München entfernt - es ist eine der besten Adressen der Stadt. In der Hand hält sie ein Diktiergerät, in das sie Sätze wie diesen spricht: "…komme ich zurück auf unser in der vergangenen Woche geführtes Beratungsgespräch, zu dem ich Ihnen die beigefügte Zusammenfassung als Aktennotiz übermittle."

Was sich staubtrocken anhört, ist für die 50-jährige Frau mit den kurzen dunkelblonden Haaren und den blauen Augen das bunte Leben. Denn hinter diesem Juristendeutsch verbergen sich menschliche Schicksale: Von Fließbandarbeitern, Krankenschwestern, Bäckern, Managern.

Liebe für Logik

Diskretion ist oberstes Gebot für Anwälte. Daher darf sie über ihre konkreten Fälle nicht sprechen. Um so lieber spricht Petra Heinicke darüber, was sie an ihrem Beruf fasziniert: "Wenn ich mir eine Zeitung am Kiosk kaufe, dann stelle ich mir den Produktionsvorgang einer Zeitung nicht wirklich vor. Doch wenn Sie den Mitarbeiter einer Zeitung vertreten, oder diejenigen, die die Zeitung drucken, dann kriegt Ihr Bild von der Welt immer neue Facetten."

Schon in der Schule entdeckt Petra Heinicke ihr Interesse für logisches Denken und entscheidet sich für ein Jura-Studium. "Das ist das, was mir am meisten Spaß macht: Situationen zu analysieren." Der Zufall will es, dass ihr Arbeitgeber auf Reiserecht spezialisiert ist. Seit über 20 Jahren führt sie Prozesse für Reiseveranstalter, schreibt die sogenannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und prüft die Texte der Reisekataloge.

Eine Anwältin mit Herz

Tourismus ist nicht ihr einziger Schwerpunkt. Petra Heinicke beschäftigt sich mehr und mehr mit Arbeitsrecht. Die Herausforderung dabei ist, "sich auf jeden Menschen neu einzustellen und nicht zu sagen - ja, das ist der 50. Kündigungsfall, den ich in diesem Jahr vertrete. Sondern: Das ist die erste Kündigung, die dieser Mensch in seinem Leben bekommen hat."

Wie man sich dabei fühlt, weiß Petra Heinicke aus eigener Erfahrung. Auch sie verlor einmal ihre Stelle. Danach hat sie sich - wie man so schön sagt - "neu orientiert" und mit einer Kollegin eine eigene Kanzlei eröffnet. Jetzt ist sie selbst Chefin und hat eigene Angestellte - von denen sie sehr geschätzt wird. "Sie ist sehr freundlich, sehr engagiert und eine sehr taffe Frau", sagt ein junger Anwalt. Eine Sekretärin fügt hinzu: "Sie ist fachlich eine sehr kompetente Frau, auch sonst sehr kameradschaftlich. Streng, aber gerecht.“

Bücher, Bach und Bernsteinglas

Bernstein: eine Leidenschaft (Foto: DW)
Bernstein: eine LeidenschaftBild: DW

Seit einiger Zeit hat ihr Team ein neues Mitglied. "Hallo Oskar!" ruft die Chefin, als sie ins Büro kommt. Oskar ist ein brauner Mischlingshund, den eine Mitarbeiterin tagsüber mit zur Arbeit nimmt. Für Petra Heinicke ein Glücksfall. Sie ist eine große Hundeliebhaberin, hat aber selbst keinen Vierbeiner zu Hause: "Der Hund hätte es nicht so gut, weil ich ein sehr unregelmäßiges Leben führe." Der Job einer Rechtsanwältin sei kaum planbar, sagt die 50-Jährige, die sich zudem noch ehrenamtlich engagiert.

Privat ist Petra Heinicke geschieden, hat keine Kinder und lebt allein in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung. Dort fällt einem sofort ihre große Leidenschaft auf: Das Wohnzimmer ist voll mit Gläsern in gelber Bernsteinfarbe. "Stücke, an denen ich nicht vorbei gehen konnte", sagt sie.

Zu Hause erholt sie sich von ihrem stressigen Beruf am liebsten mit einer Tasse Tee und Musik. Aktuell sind ihre Favoriten Bach-Konzerte und südamerikanischer Jazz. Zur Entspannung gehört zwingend ein gutes Buch dazu - egal ob Krimi, Klassiker, oder Biographie. Ein Buch, das prominent in ihrem Regal steht, heißt: "Justitia ist eine Frau".

Autor: Roman Goncharenko
Redaktion: Birgit Görtz