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Deutschlands Wirtschaft schwächelt - mit welchen Folgen?

15. Februar 2024

Die deutsche Bundesregierung sieht eine Stagnation der Wirtschaft, die Industrie sogar eine Rezession. Trotzdem steigen die Aktienkurse und Deutschland überholt Japan als drittgrößte Volkswirtschaft.

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Deutschland Wirtschaft Rezession/Symbolbild
Bild: ingimage/IMAGO

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet in diesem Jahr mit einer erneut schrumpfenden Wirtschaft. Nach der Befragung von mehr als 27.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen erwartet der Verband ein Minus von 0,5 Prozent. Im vergangenen Jahr war das Bruttoinlandsprodukt bereits um 0,3 Prozent zurückgegangen.

Es wäre erst das zweite Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass die deutsche Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahren schrumpfen würde. Zuletzt war das 2002 und 2003 der Fall.

Rezession oder Stagnation?

Etwas weniger düster schätzt die EU-Kommission die Lage ein. Sie senkte am Donnerstag ihre Prognose deutlich ab, sieht für Deutschland aber noch ein knappes Wachstum von 0,3 Prozent (und für den Euroraum ein Plus von 0,9 Prozent).

"Das internationale Geschäft läuft weniger schlecht als befürchtet", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Das Problem liege vor allem in Deutschland. Fast drei von fünf Unternehmen sähen mittlerweile in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Geschäftsrisiko.

In der DIHK-Umfrage klagten viele Betriebe über zu viel Bürokratie, hohe Energiepreise und Arbeitskosten, Fachkräftemangel und schwache Inlandsnachfrage.

Kritik an Berlin

Die Kritik richtet sich damit vor allem an die Bundesregierung. Die sogenannte Ampel-Koalition aus SPD (rot), FDP (gelb) und Grünen ist zerstritten - und sie muss sparen, weil das Bundesverfassungsgericht ihre Haushaltsfinanzierung für unrechtmäßig erklärt hat.

Deutschland | Bundestag Generaldebatte Haushalt
Finanzminister Lindner (FDP, links), Wirtschaftsminister Habeck (Grüne, Mitte), Bundeskanzler Scholz (SPD, rechts)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die Bundesregierung bis zum Frühjahr ein Konzept zur Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts vorlegen. Sowohl Lindner als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten Deutschland als Standort zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig bezeichnet.

"Dramatisch schlecht"

Habeck verriet am Mittwoch beim Besuch einer Handwerksmesse in Leipzig, dass die Bundesregierung in der kommenden Woche ihre Konjunkturprognose deutlich absenken wird. Sie glaubt, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur noch um 0,2 Prozent wächst. Im Herbst war sie noch von 1,3 Prozent ausgegangen. Die neue Prognose ist zwar keine Rezession, wie sie der DIHK erwartet, in Habecks Worten aber trotzdem "dramatisch schlecht".

FDP-Chef Lindner nannte das schwache Wachstum am Mittwoch "peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich". Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bislang nicht geäußert.

In der Analyse sind sich Habeck und Lindner eigentlich einig: Wegen einer im internationalen Vergleich hohen Steuerlast und hoher Energiekosten haben es Deutschlands Firmen schwer.

Die Gegenmaßnahmen aber sind umstritten. Habeck würde am liebsten ein milliardenschweres und schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm auflegen und dafür auch die Schuldenbremse ändern - ein Gesetz, das der Neuverschuldung enge Grenzen setzt. Lindler dagegen will vor allem Sparen und setzt sich für Steuererleichterungen für Unternehmen ein.

Deutschland überholt Japan

Trotz all der Probleme und düsteren Konjunkturaussichten hat Deutschland Japan überholt und ist nun die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, und das mit nur 85 Millionen Einwohnen gegenüber 126 Millionen in Japan. Der Wechsel im Ranking ist allerdings der Schwäche der japanischen Wirtschaft geschuldet, die nun zwei Quartale in Folge geschrumpft ist.

Japan, Tokio | Shibuya
Das Einkaufs- und Amüsierviertel Shibuya in Tokio. Japanische Konsumenten geben derzeit weniger Geld ausBild: Kanshiro Sonoda/Yomiuri Shimbun/AP/picture alliance

"Neben der äußerst ungünstigen Demografie und struktureller Probleme ist hier auch der schwache Yen ursächlich, der seinerseits ein Symptom der fundamentalen Wachstumsschwäche des Landes ist", erläutert Matthias Krieger, Ökonom der Bank LBBW.

Dax auf Rekordhoch

Der Deutsche Aktienindex DAX legte unterdessen weiter zu und erreichte am Donnerstag zwischenzeitlich ein neues Rekordhoch von 17.089 Punkten.

Kurstreibend war hier die Erwartung, dass die Inflation weiter nachlässt und in diesem Jahr die Leitzinsen wieder sinken können. Niedrigere Zinsen würden Aktien im Vergleich zu Anleihen attraktiver machen. Außerdem würden sie die Finanzkraft der Unternehmen stärken, weil Kredite günstiger werden.

bea/nm (dpa, rtr, afp)