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PolitikAfrika

Deutschland will Investionen in Afrika voranbringen

Martina Schwikowski
27. Oktober 2023

Sie reisen fast zeitgleich nach Afrika: Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier werden in Nigeria, Ghana, Tansania und Sambia politische Gespräche führen und Chancen für Wirtschaftsbeziehungen ausloten.

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Kanzler Olaf Scholz besteigt den Regierungsflieger am Ende seiner dreitägigen Afrikareise im Mai 2023
Bundeskanzler Scholz reist zum dritten Mal nach Afrika seit Amtsantritt: Er besucht Nigeria sowie GhanaBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die deutsche Staatsspitze besucht vier afrikanische Länder innerhalb weniger Tage. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am 29. Oktober in Nigeria eintrifft, ist es bereits seine dritte Afrika-Reise nach Amtsantritt vor knapp zwei Jahren.

Nur einen Tag später, am 30. Oktober, wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Nachbarkontinent besuchen und in Tansania und Sambia Gesprächstermine wahrnehmen.

Wirtschaftsperspektiven in Afrika ausbauen

Beide Politiker konzentrieren sich auf die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit den jeweiligen Ländern und knüpfen gemeinsam in ihren Zielländern an die Reformpolitik der Initiative "Compact with Africa" an. Denn: Ein erneutes Treffen mit zahlreichen afrikanischen und G-20 Ländern findet am 20. November in Berlin statt. 

Schon bei den vorherigen Staatsbesuchen hatte Deutschland einen neuen Ton gesetzt: Die deutsche Wirtschaft möchte in Afrika aktiver werden. Denn im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und wachsender Spannungen mit China richten deutsche Unternehmen auf der Suche nach neuem wirtschaftlichen Potenzial ihren Blick vermehrt in afrikanische Länder.

Bundeskanzler Scholz im kenianischen Olkaria, im Hintergrund dampft es aus der größten Geothermie-Anlage Afrikas (Archivbild)
Bundeskanzler Olaf Scholz besucht in Olkaria die größte Geothermie-Anlage Afrikas bei seiner Kenia-Reise im Mai 2023Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bei seiner vergangenen Reise im Mai dieses Jahres sagte Bundeskanzler Scholz im äthiopischen Addis Abeba: "Jetzt ist also die Zeit, wo wir einen Neustart machen müssen, was die Nord-Süd-Beziehungen betrifft, der es ermöglicht, mit den vielen Ländern des Südens auf Augenhöhe gemeinsame Perspektiven zu entwickeln."

Schon im vergangenen Jahr hatte das deutsche Entwicklungsministerium Nigeria 100 Millionen Euro für die Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben, Hilfe bei der Landwirtschaft, dem Ausbau erneuerbarer Energien und Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen auf zwei Jahre zugesagt.

Regionale Sicherheit im Fokus

Der Bundeskanzler wird bei Gesprächen mit Präsident Bola Tinubu daran anschließen - Nigeria ist mit seinen mehr als 200 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Land Afrikas, es teilt sich mit Ägypten den Titel der größten Volkswirtschaft des Kontinents.

Die Gesprächsthemen werden laut Vorankündigung neben den bilateralen Beziehungen und der Wirtschaftsentwicklung auch die regionale Sicherheit und globale Fragen sein. So auch im Anschluss in Ghana, dem zweiten Ziel: Scholz trifft mit Präsident Nana Akufo-Addo zusammen sowie mit dem Vorsitzenden der ECOWAS-Kommission, Omar Touray. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS leitet den Vermittlungsprozess mit der Militärjunta im Niger, die im Juli die Macht übernommen hat.

Militärchefs der ECOWAS-Staaten sitzen an einem Verhandlungstisch (im August 2023)
Nach dem Putsch im Niger hatten die ECOWAS-Mitglieder bei Beratungen auch eine Militärintervention nicht ausgeschlossenBild: Richard Eshun Nanaresh/AP Photo/picture alliance

Ghana werde mit einer stabilen Demokratie aus deutscher Sicht als sicherer Wirtschaftsstandort in der Region Westafrika betrachtet, sagt Burkhardt Hellemann, Leiter der Deutschen Außenhandelskammer in Ghana. "Viele deutsche Unternehmen haben Ghana deswegen ausgewählt, um auch in der Region oder in die Region hinein Handel zu betreiben, also in den Nachbarländern Togo, Benin, Elfenbeinküste bis nach Senegal und so weiter", sagt Hellemann zur DW.

Wirtschaftsfreundlicher Kurs in Tansania

Während Bundeskanzler Scholz in Westafrika weilt, macht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den Osten des Kontinents auf, zunächst nach Tansania. Dort trifft der Bundespräsident Präsidentin Samia Suluhu Hassan zu politischen Gesprächen.

Die seit 2021 regierende Suluhu Hassan - sie ist die erste Frau in diesem Amt - verfolgt im Gegensatz zu ihrem Vorgänger John Magufuli einen pragmatischen und wirtschaftsfreundlicheren Kurs und gilt als Hoffnungsträgerin für Reformen, besonders auch für Frauen und Mädchen, in dem Land.

Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan drückt roten Knopf auf einer Schalttafel und startet das Wasserprojekt in Dar es Salaam
Unter Präsidentin Suluhu Hassen - hier bei der Inbetriebnahme eines Wasserprojektes - hätten sich die Bedingungen für Investitionen in Tansania verbessert, sagt Maren Diale-SchellschmidtBild: President of Tanzania Office

Die Reise nach Tansania sei keine Überraschung, sagt Maren Diale-Schellschmidt, Leiterin der Deutschen Außenhandelskammer im benachbarten Kenia. "Die Investitionsrahmenbedingungen für deutsche Unternehmen haben sich in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert, seitdem die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan an der Macht ist", sagt sie im DW-Interview. Tansania hole wirtschaftlich auf. Besonders interessant für die deutsche Wirtschaft seien Infrastrukturbereiche wie Verkehr und Energie oder der Sektor Umwelttechnologie. Vermehrt eröffneten deutsche Unternehmen auch Standorte in West- und Ost-Afrika statt nur im Norden und Süden des Kontinents, beobachtet Diale-Schellschmidt.

Wenn Steinmeier mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen und tansanischen Wirtschaft zusammenkommt, soll es genau um Perspektiven der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen beider Länder gehen.

Bundespräsident Steinmeier 2022 nach seiner Landung in Senegal auf dem roten Teppich mit Präsident Macky Sall
Bundespräsident Steinmeier reiste 2022 zu Gesprächen mit Präsident Macky Sall in den SenegalBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Analyst X.N. Iraki betont die lange Beziehungen zwischen beiden Ländern. Iraki erwartet, dass es in den Gesprächen um mehr Direktinvestitionen aus Deutschland geht. "Tansania hat viel landwirtschaftliche Nutzfläche, viele Mineralien, aber es braucht jemanden, der in diese Sektoren investiert", sagt der Wirtschaftswissenschaftler an der kenianischen Universität Nairobi im DW-Interview. Tansania setze auch auf die Zusammenarbeit mit Deutschland als Gegengewicht zu China, das viel in Tansania investiert habe, insbesondere im Verkehrssektor.

Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte 

Aber der Bundespräsident widmet sich am zweiten Tag seines Besuches in Tansania auch der ehemaligen deutschen Kolonialherrschaft. Weite Teile des heutigen Tansania gehörten von 1885 bis 1918 zur Kolonie Deutsch-Ostafrika. Steinmeier reist nach Songea in den Süden des Landes, um die Gräber der Opfer des Maji-Maji-Krieges zu besuchen und ein Gespräch mit Nachfahren der Opfer zu führen.

Der Maji-Maji-Aufstand währte von 1905 bis 1907. Damals erhob sich die afrikanische Bevölkerung im Süden der Kolonie gegen die Herrschaft der Deutschen, es kam zu einem brutalen Kolonialkrieg, der für die Bevölkerung in einer schweren Niederlage endete. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge kamen dabei zwischen 75.000 und 300.000 Menschen ums Leben.

Die Aufarbeitung der Kolonialzeit liege laut X.N. Iraki im Trend: Deutschland folge einem sehr bekannten Weg, der heutzutage von ehemaligen Kolonialherren beschritten wird. "Sie zahlen Reparationen, entschuldigen sich oder schließen Frieden mit denjenigen, die unter der Kolonialherrschaft gelitten haben. Vielleicht will Deutschland diese historische Gräueltat oder das Unrecht, das viele Tansanier während der Kolonialzeit erlitten haben, aufarbeiten und damit abschließen", sagt er im DW-Interview. Es wäre für beide Länder zu wünschen, fügt er an.

Steinmeiers darauffolgender Staatsbesuch im südlichen Sambia ab 1. November ist der erste Aufenthalt eines deutschen Bundespräsidenten. Neben politischen Gesprächen mit Präsident Hakainde Hichilema geht es dort um die Ressource Wasser - das Wasserentnahmebauwerk am Fluss Sambesi ist ein Projekt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, das Steinmeier besuchen wird.