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Auto und MobilitätDeutschland

Deutsche Autoindustrie: Keine Dominanz mehr in China

Klaus Ulrich
4. August 2023

"Die deutschen Autobauer sind die Transformation zur Elektromobilität in China zu langsam angegangen", sagt der Merics-Experte Gregor Sebastian im DW-Gespräch. Er sieht aber weiterhin Chancen.

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Autohaus von Mercedes-Benz in China: Chinesen vor Poster mit Mercedes-Modellen
Bild: Wenjun Chen/dpa/picture-alliance

Deutsche Welle: Was muss die deutsche Autoindustrie tun, um weiterhin eine wichtige Rolle in China spielen zu können?

Gregor Sebastian: Die deutsche Autoindustrie wird wahrscheinlich in Chinas Autosektor nicht mehr die gleiche dominante Rolle spielen wie in den vergangenen 20 Jahren, da die chinesische Konkurrenz mittlerweile zu wettbewerbsfähig geworden ist. Dennoch können deutsche Autobauer weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, indem sie ihre Entwicklungsfähigkeiten in China stärken und vom Innovationspotenzial des chinesischen E-Auto-Leitmarkts profitieren.

In den letzten ein bis zwei Jahren haben Unternehmen bereits versucht, dies umzusetzen, aber es gibt noch Raum für weitere Fortschritte. Allerdings müssen die Autobauer höhere Lokalisierung auch gegen die hohen Risiken abwiegen, die durch den geopolitischen Konflikt mit den USA und Chinas Innenpolitik, die auf die Stärkung chinesischer Unternehmen abzielt, entstehen.

Für deutsche Zulieferer sieht die Situation dagegen in bestimmten Segmenten, zum Beispiel bei der Leistungselektronik, besser aus. Sie spielen nach wie vor eine wichtige Rolle in Chinas Autosektor und sind auch für chinesische Autobauer von großer Bedeutung.

Gregor Sebastian im Porträt
Gregor Sebastian, Analyst beim Merics InstitutBild: Marco Urban/Merics

Wo liegen die Hauptprobleme für VW, Mercedes, BMW und Co in China?

Die drei deutschen Unternehmen waren bei Verbrennungsmotoren Marktführer, was dazu führte, dass sie den Wechsel zur E-Mobilität, der hohe Umstellungen erforderte und bei dem ihre Vorrangstellung nicht garantiert war, nur langsam angegangen sind. Im Nachhinein erweist sich dies als Problem, da chinesische Konkurrenten und Tesla die hohe staatliche Unterstützung für E-Autos in China nutzen konnten, um Marktanteile zurückzugewinnen. Ein weiterer Faktor ist, dass im E-Auto-Segment die Markenvorteile weniger relevant sind. Zudem möchten viele junge Konsumenten in China auch aus nationalem Stolz gerne ein chinesisches Auto fahren.

Können die deutschen Hersteller im Notfall überhaupt auch ohne den riesigen chinesischen Markt überleben?

Ohne den chinesischen Markt wären die deutschen Unternehmen zweifellos nicht mehr dieselben; sie wären viel kleiner. Allerdings fließen wahrscheinlich weniger Gewinne aus China nach Deutschland zurück als bisher angenommen. Das größere Problem ist vielmehr, dass deutsche Unternehmen zunehmend von chinesischen Zulieferern abhängig sind, um in Europa und dem Rest der Welt Autos, insbesondere E-Autos, zu produzieren. Sollte es aus China zu Lieferschwierigkeiten kommen, könnte das für die Firmen auch global sehr problematisch sein.

Ist es sogar möglich, dass chinesische Hersteller mittelfristig mit günstigen oder auch teuren Elektroautos nicht nur in China, sondern auch im Rest der Welt die Märkte erobern?

Auf jeden Fall, insbesondere in aufstrebenden Märkten und Europa droht den deutschen Herstellern Konkurrenz. Dort können chinesische Hersteller ihre Kostenvorteile ausspielen. Vor allem in Lateinamerika und Südostasien drängen chinesische Unternehmen wie BYD und Great Wall Motors sehr schnell auf den Markt und könnten im Bereich der Elektrofahrzeuge schnell führend werden. Der US-Automarkt hingegen ist durch hohe Zölle und restriktivere Subventionen für E-Autos vor chinesischen Herstellern geschützt.

Gregor Sebastian ist Analyst beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin. Seine Forschung fokussiert sich auf Chinas Industriepolitik sowie chinesische Direktinvestitionen und Partnerschaften in Europa.