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Der Traum vom eigenen Staat

Tania Krämer29. November 2012

Präsident Abbas will am Donnerstag bei den Vereinten Nationen den Status eines Nicht-Mitgliedstaates beantragen. Ein Erfolg gilt als sicher. Trotzdem ist die Stimmung unter den Palästinensern durchwachsen.

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Palästinenser-Präsident Abbas vor der UN (Foto: picture alliance / dpa)
UN-Vollversammlung - AbbasBild: picture alliance / dpa

In den engen Gassen des palästinensischen Flüchtlingslagers Aida bei Bethlehem ist der Falafel-Laden von Saleh Al Araj ein beliebter Treffpunkt. Hier gibt es Humus, Falafel und die neusten Nachrichten. Der junge Palästinenser ist gespannt auf die Abstimmung bei den Vereinten Nationen: "Ich denke, es ist gut. Wir wollen einen Staat. Wir wollen so leben wie der Rest der Welt. Jeder lebt in einem Staat, nur wir haben keinen", erzählt der 31-Jährige, während er die Falafel-Bällchen im heißen Öl frittiert. "Es ist ein absolut notwendiger Schritt," stimmt ein älterer Passant mit rot-weißem Palästinensertuch zu. "Wir haben schon viel zu lange gewartet. Seit 60 Jahren warten wir auf diesen Tag."

Zweiter Anlauf bei UN

Es ist bereits der zweite Anlauf des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, über die Vereinten Nationen den Status der Palästinenser aufzuwerten. Im vergangenen Jahr hatten die Palästinenser einen Antrag auf Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen gestellt. Damals scheiterte Abbas am Veto der USA im UN-Sicherheitsrat.

Beim zweiten Versuch geht es nur noch um den Status eines Beobachterstaates bei den Vereinten Nationen. Auch das wäre eine Aufwertung für Palästina. Diesmal entscheidet die UN-Generalversammlung. Es gilt als sicher, dass der Antrag die nötige Zwei-Drittel Mehrheit der Generalversammlung bekommt. Ein Veto-Recht der USA gibt es nicht.

Palästinenser wollen Aufwertung

Was genau der neue Status im Alltag für die jungen Leute im Aida-Flüchtlingslager bedeutet, scheint dabei eher zweitrangig. "Es geht uns ums Prinzip. Warum sollten wir nicht anerkannt werden?", meint Falafel-Verkäufer Al Araj mit einem Lächeln.

Nicht jeder ist so zuversichtlich. Schon zu oft gab es Enttäuschungen, meint ein junger Mann, der sich hier mit seinen Freunden trifft. "Nein, weder durch die UN noch durch andere werden wir einen Staat bekommen," meint Ahmad Badir. "Wir sind ohne Staat geboren, und so wird es auch bleiben." Er denke aber trotzdem, dass es richtig sei, dass Präsident Abbas zu den Vereinten Nationen gehe. Es sei besser als nichts.

So bleibt zumindest das Gefühl, es bewegt sich wieder etwas. Noch immer ist der Gaza-Krieg das große Thema, auch im israelisch-besetzten Westjordanland. Über 150 Palästinenser und sechs Israelis starben in acht Tagen. Die israelische Militäroffensive in Gaza habe die Palästinenser zusammen geschweißt, meint der palästinensische Analyst Mahdi Abdul-Hadi vom Passia-Institut in Ost-Jerusalem. "Es ist das erste Mal, dass Mahmud Abbas nicht nur mit einem Bein, sondern mit beiden Beinen zur UN geht. Auch die Hamas unterstützt sein Vorhaben," sagt der Politikwissenschaftler. "Darüber gibt es erstmals einen palästinensischen Konsens."

Neue Einigkeit: Auch Hamas-Führer Hanijeh unterstützt die Abbas-Inititiative (Foto: dpa)
Auch Hamas-Führer Hanijeh unterstützt die Abbas-InititiativeBild: picture-alliance/dpa

Israel lehnt UN-Aufwertung ab

Doch für Israel ist UN-Aufwertung nur schwer zu ertragen. Die israelische Regierung sieht den Antrag als einseitigen Schritt - "diplomatischen Terror“, nennt es der israelische Außenminister Avigdor Liebermann. Bereits seit Wochen wurden mögliche Sanktionen gegenüber der palästinensischen Regierung in Ramallah diskutiert. "Israel hat angedroht, das Westjordanland zu annektieren," sagt Mahdi Abdul Hadi. "Sie haben auch gedroht, die jüdischen Siedlungen zu annektieren, oder die Steuergelder, die den Palästinensern zustehen, zu stoppen, oder gar die Oslo-Verträge aufzukündigen. Vieles davon sind meiner Meinung nach leere Drohungen." 

Auch auf der Straße in Israel ist die Stimmung nach dem Gaza-Konflikt wenig versöhnlich. Yehiel Manzura ist Falafel-Verkäufer in Westjerusalem. Er verliert keine guten Worte über die Nachbarn: "Für mich ist Mahmud Abbas ein Terrorist im Anzug. Sie machen ständig viel Lärm um nichts. Sie wollen nicht reden, nicht verhandeln. Wir Israelis wollen reden. Sie wollen uns doch nur damit vorführen," meint der junge Mann, der aus seinen anti-arabischen Ansichten keinen Hehl macht. Eine andere Passantin sagt: "Wenn sie einen Staat wollen, dann müssen sie sich auch so verhalten wie einer. Und aufhören, mit Raketen aus Gaza auf uns zu schießen."

Ein Polizist vor einem Grafitti (Foto: dpa)
Ein dauerhafter Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ist nicht in SichtBild: picture-alliance/dpa

Hoffen auf die Anerkennung

Der Gaza-Konflikt hat die Fronten weiter verhärtet, meint der israelische Analyst und Buchautor Bernard Avishai. Aber er birgt auch ein Dilemma. "Der israelische Konsens ist, dass man dagegen ist," erklärt Avishai, " aber seit dem Krieg in Gaza haben wir jede Menge Leuten gesehen, quer durch das politische Spektrum, die im Fernsehen auftreten und plötzlich sagen: Wir müssen Präsident Abbas den Rücken stärken, jetzt, wo die Hamas immer stärker wird."

Zu einem Zeitpunkt, wo die Abstimmung nicht mehr abzuwenden ist, schlägt die israelische Regierung nun andere Töne an. Man werde reagieren, wenn die Zeit gekommen ist, zitiert die Online-Ausgabe der Zeitung Yedioth Ahronoth aus Regierungskreisen. Israelische Kommentatoren rechnen vor allem mit finanziellen Sanktionen. Diese würden die ohnehin in Geldnot geratene Palästinensische Autonomiebehörde aber weiter schwächen.

Im Aida-Flüchtlingslager ist es den jungen Leuten sowieso egal, was ihre israelischen Nachbarn  davon halten. "Sie haben es nicht geschafft, Gaza klein zu kriegen", meint Saleh Al Araj, "also werden sie es auch jetzt nicht schaffen. Wir bekommen schon noch unseren Staat. Wir gehen nicht weg." Am Donnerstag werde er das Geschehen im fernen New York genauestens am Fernseher mitverfolgen. Am Tag danach wird sich wohl kaum etwas ändern an ihrer Situation. Aber schon aus Prinzip fühlt man sich so dem eigenen Staat ein Stück näher.