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Krieg der Bilder

17. Januar 2011

Mit dem zweiten Golfkrieg begann ein neues Zeitalter der Kriegsberichterstattung. In Echtzeit zeigten die Medien, wie Alliierte Bomben über Bagdad abwarfen. Es war auch ein Kampf um Bilder und Inhalte.

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Peter Arnett Berichterstattung (Foto: CNN)
Peter Arnett berichtet 1991 für CNN aus BagdadBild: CNN

17. Januar 1991, drei Uhr morgens in Bagdad und zur besten Sendezeit in den USA: Medien melden Luftangriffe auf den Irak. Knapp 19 Stunden nach Ablauf des UN-Ultimatums zur Räumung Kuwaits beginnt die Operation "Desert Storm". Unter dem Oberbefehl von General Norman Schwarzkopf fliegen die USA Luftangriffe gegen Bagdad und strategische Ziele wie Waffenfabriken, Munitionsdepots, Flugzeugbasen und Raketenstellungen.

Der bis dato noch relativ unbekannte Sender CNN zeigt zu diesem Zeitpunkt eine Irak-Karte und das eingeblendete Foto seines Reporters Peter Arnett, der über eine knisternde Telefonleitung berichtet, wie die ersten Bomben auf Bagdad nieder gingen: So sah 1991 Kriegsberichterstattung aus. Arnett war damals einer der wenigen Journalisten, die aus dem Irak berichten konnten. Kaum einer durfte einreisen, denn die amerikanische Militärführung hatte nicht nur militärische Lehren aus dem Vietnam-Krieg gezogen. Weil in Vietnam nicht zuletzt die Medien dazu beigetragen hatten, dass der Protest in der US-Bevölkerung gegen den Krieg stetig wuchs, sollten Bilder von Opfern und zerstörten Gebäuden jetzt unbedingt vermieden werden.

Sauberer Krieg?

1991, im ersten Fernseh-Krieg, organisierten die USA deshalb ein ausgeklügeltes Informations-System, in dem Zensur und Desinformation eine erhebliche Rolle spielten. Eine "große Show" nennt das Prof. Oliver Zöllner von der Hochschule für Medien in Stuttgart und erinnert an die grünstichigen Bilder, in denen Raketen wie Feuerwerkskörper am Nachthimmel von Bagdad erschienen. Die Bilder sollten die Vorstellung von einem "sauberen Krieg" erwecken, in dem durch scheinbar chirurgisch präzise Eingriffswaffen die Zivilbevölkerung geschont werde. Später stellt sich heraus, dass es Schätzungen zufolge 3.000 bis 30.000 zivile Opfer gab.

Angriff auf Bagdad bei Nacht (Foto: AP)
Fast in Echtzeit sieht man wie Bomben auf Bagdad fallenBild: AP

Zwölf Jahre später, am 20. März 2003, waren die Bilder andere: Als George W. Bush die Invasion der so genannten "Koalition der Willigen" im Irak ankündigt, als Antwort auf angebliche Massenvernichtungswaffen in dem Land, hat das Militär erneut aus seinen Fehlern gelernt. Um nicht wieder für Zensur und Desinformation im Krieg kritisiert zu werden, entsteht das Konzept der "embedded Journalists" - das Einbetten von Reportern in die kämpfende Truppe, die scheinbar eins zu eins von der Front berichten. Noch nie seien Medien so nah am Kriegsgeschehen gewesen, versprach damals US-Verteidigungsminister Rumsfeld. Chris Cramer, Chef des Nachrichtensenders CNN, versuchte dies als einen historischen Schritt für den Journalismus zu verkaufen.

Was ist die Wahrheit?

Eingebettete Journalisten im Irak 2003 (Foto: AP)
Mit an der Front - Journalisten beim Irak-Krieg 2003Bild: AP

Auch für deutsche TV-Sender ließen sich Reporter "einbetten": ZDF-Reporter Roland Strumpf durfte auf dem Flugzeugtr"ger U.S.S. Theodor Roosevelt mitfahren. Mit an Bord war Lothar Keller für RTL und n-tv. Sein Kollege Ulrich Klose begleitete das 3. US-Panzerbataillon im Irak. Von der U.S.S. Truman berichtete der US-Amerikaner Jay Tuck für die Tagesschau. In keinem Krieg zuvor gab es so viele Informationen. Neue Techniken, Video- und Live-Schaltungen im so genannten Split-Screen sorgten für eine Bilderflut, die objektive Berichterstattung suggerierte. Das Einbetten von Reportern in Kampftruppen gab den Zuschauern das Gefühl ganz dicht dabei zu sein. Doch der Spielraum für die "eingebetteten" Reporter war begrenzt. Oliver Zöllner nennt das Konzept eine "Verfeinerung der Verhinderungsstrategie der Militärs". "Im Gegensatz zum Krieg 1991 lässt man die Journalisten nun ins Kriegsgebiet", sagt er. "Natürlich nimmt man sie bei der Hand. Jemand passt auf, dass sie nicht in Gefahr geraten und nichts Falsches berichten. In diesen Berichten sieht man letztlich nur die sehr verkürzte Perspektive des Militär."

Mit dem arabischen Sender Al Jazeera gab es 2003 erstmals auch einen Sender, der an der Informationshoheit des amerikanischen Verteidigungsministeriums deutlich rüttelte und die andere Seite zeigte. Internet, Youtube und Plattformen wie "Wikileaks" haben seitdem eine weitere Informationsquelle geschaffen: 2010 sorgte ein Video weltweit für Empörung, das US-Soldaten zeigte, wie sie offenbar wahllos Iraker erschossen. Das politische und juristische Tauziehen um Wikileaks-Gründer Julian Assange zeigt, wie heikel die Wahrheitsfindung um das Kriegsgeschehen im Irak ist. Unabhängige Berichterstattung im Krieg gebe es nur selten und wenn, dann nur verbunden mit einem hohen Risiko, so das Fazit des Medienwissenschaftlers Oliver Zöllner.

Autorin: Ina Rottscheidt
Redaktion: Diana Hodali