1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neues Buch über Papst

Christoph Strack19. Februar 2014

Buchautor und Ex-DW-Redakteur Miguel Hirsch liefert mit "Jorge" ein Porträt von Papst Franziskus zwischen argentinischer Heimat und römischer Zentrale. Auch ehemalige Weggefährten kommen darin zu Wort.

https://p.dw.com/p/1BBVo
Jorge Bergoglio ist neuer Papst
Bild: Getty Images

Es klingt fast wie eine Stellenausschreibung, wenn Miguel Hirsch Ende Februar 2013 die Gestalt des künftigen Papstes skizziert - also kurz nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. und rund zwei Wochen vor der Wahl des neuen katholischen Kirchenoberhauptes. "Ratzingers Nachfolger sollte idealerweise ein der römischen Kurie gänzlich fremder Kirchenerneuerer mit starker Persönlichkeit und Durchsetzungsvermögen sein, in der Lage, gegen korrupte Priester, gierige Finanzjongleure sowie Fälle von Kindesmissbrauch, die den Vatikan erschütterten, vorzugehen." Und dann zieht der Buchautor den Vergleich zum damaligen Erzbischof von Buenos Aires. "Jorge Bergoglio hatte sich den Ruf der Unbeugsamkeit erworben; schließlich hatte er vor seiner Papstwahl zwei Präsidenten mit Erfolg die Stirn geboten." Und in Wirtschaftsfragen habe dieser bei seinen diversen Posten stets "einen korrekten Umgang mit Geld" gepflegt.

Miguel Hirsch, langjähriger Radiojournalist der Deutschen Welle, lebt in Buenos Aires. Er führt Eindrücke aus der langjährigen Umgebung des heutigen Papstes zu einem Gesamtbild zusammen. In seinem Buch "Jorge – Begegnungen mit einem, der nicht Papst werden wollte" kommen Verwandte, Mitarbeiter, Weggefährten und Freunde zu Wort. Und vieles von dem, was sie an Erinnerungen und Bewertungen schildern, passt zu dem Auftreten des Bergoglio-Papstes seit der Wahl am 13. März 2013. Seit knapp einem Jahr lernt die Welt diesen argentinischen Franziskus kennen und zeigt sich immer wieder überrascht, ja begeistert. Für jene, die den heute 77-Jährigen in Buenos Aires begleitet haben, sind die Überraschungen offensichtlich nicht so groß.

"Orthodox, nicht konservativ"

Da ist der Rabbiner Abraham Skorka. Der Rektor des lateinamerikanischen Rabbinerseminars in Buenos Aires ist seit 1990 mit Bergoglio im Gespräch. Er charakterisiert den Freund als Mann des Glaubens, der als solcher kein Konservativer, sondern ein Orthodoxer sei. Von Skorka kommt der Satz "Bergoglio ist in den konkreten Menschen verliebt."

Deutschland Buchcover Miguel Hirsch Jorge Begegnungen
Das neue Buch - erschienen bei HerderBild: DW/P. Henriksen

Oder der Rektor der Katholischen Universität UCA in Buenos Aires, Victor Manuel Fernandez, der Bergoglio in mancher Akzentsetzung beeinflusst hat. Hirsch spricht da von der theologischen Zielsetzung einer "Entakademisierung". Es gehe eben um eine Theologie, die seelsorgerlich den einzelnen Menschen in den Blick nehme, "ohne dabei ihre tiefe und ihre wissenschaftliche Genauigkeit zu untergraben". Weitere Wegbegleiter erzählen von der dezentralisierenden, basisdemokratischen Haltung, die Franziskus wohl auch im Vatikan durchzusetzen versuche.

Papst Franziskus Leben in Argentinien Jorge Bergoglio fährt mit der U-Bahn
Ein Passagier unter vielen - Jorge Bergoglio 2008 in der U-Bahn von Buenos AiresBild: picture-alliance/AP

Klärendes zum Kollaborations-Vorwurf

Aufschlussreich sind die Schilderungen Hirschs zu angeblicher Kollaboration Bergoglios mit der Militärdiktatur ab 1976, die in so furchtbarer Weise Menschenrechte ignorierte. Am Tag nach der Papstwahl im März 2012 sei es allein das treu zur Kirchner-Regierung agierende Blatt "Pagina 12" gewesen, das mit der Schlagzeile "Mein Gott!" auf dieses Thema gesetzt und es dann damit in viele europäische Medien geschafft hätte. Konkret ging es um den Vorwurf, dass Bergoglio als Jesuiten-Provinzial die Ordensmitglieder Adolfo Yorio und Franz Jalics nicht ausreichend geschützt und vor Folter bewahrt hätte. Hirsch spricht von einem "einsamen Kreuzzug eines Journalisten" aus dem Kirchner-Lager und führt eine ganze Reihe an Bewertungen dazu an.

Bei all dem gehen die Bewertungen der Gesprächspartner, von denen einige erkennbar konservativer, andere liberaler sind, erkennbar auseinander. Es bleibt eine Spannung, ob Franziskus, geprägt von der Armut in Lateinamerika, lediglich den Stil des päpstlichen Erscheinungsbildes geändert hat und ändert oder ob auch konkrete Veränderungen in Fragen der Disziplin oder Lehre folgen. Autor Hirsch zeigt sich zum Ende des 160-seitigen, leicht lesbaren Buches jedenfalls überzeugt, dass Franziskus, falls er die Weltkirche teilweise erneuern wolle, auch "heikle Themen" ansprechen müsse. Nur so könne er gerade unter Jüngeren neue Begeisterung für den Glauben wecken.

Flop oder topp?

Hirsch schaut dabei ganz bewusst nach Lateinamerika: "Den jüngsten Kontinent, auf dem die meisten katholischen Christen leben, zu enttäuschen, könnte tiefgreifende Folgen haben. Umgekehrt könnte einer, der gar nicht Papst werden wollte, mit seiner Aufforderung, in der Kirche für Unruhe zu sorgen, als großer Retter in die Geschichte der katholischen Kirche eingehen." Schließlich sei er "nie Teil des Systems gewesen und wisse, "dass er nichts zu verlieren hat – erst recht keine Zeit".

Miguel Hirsch
Buchautor und Ex-DW-Redakteur Miguel HirschBild: Herder 2014

Immer wieder klingt die Frage an, ob Bergoglio für sich selbst die Möglichkeit der Wahl zum Papst sah. Immerhin war der Argentinier im Konklave 2005 der ernsthafte Kandidat neben Joseph Ratzinger, und beide schätzten und schätzen einander wohl sehr. Zumindest ein Detail betont Hirsch: Bergoglio hatte seine Rückreise von Rom nach Buerons Aires für den 23. März 2013 gebucht, auf dem – übrigens in der einfachen Economy Class - gleichen Platz der Reihe 25 wie beim Hinflug, auf dem er mit seinem schwer zu beugenden rechten Knie besser sitzen konnte. Den Rückflug trat Bergoglio nie an.