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Integrierte Industrie

Fabian Schmidt7. April 2013

Auf der Hannover Messe dreht sich in diesem Jahr alles um Integrierte Industrie. Intelligente Bauteile tragen Informationen über ihre Lebensgeschichte. Sie denken mit und geben Alarm, wenn etwas repariert werden muss.

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Am Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt hält ein Mitarbeiter einen mobilen Computer, der eine Explosionszeichnung von Bauteilen darstellt. (Foto: Fraunhofer IGD)
Bild: Fraunhofer IGD Darmstadt

Mit der Erfindung der Dampfmaschine begann die industrielle Revolution. Anfang des 20. Jahrhunderts kam das Fließband hinzu und ab den sechziger Jahren veränderten Computer die Welt. Jetzt habe die nächste, die vierte industrielle Revolution, begonnen, sagt Fritz Klocke. "Industrie 4.0 bedeutet, dass wir das Internet in die Fabrik bringen", erklärt der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen.

Ein gutes Beispiel sei die Autoindustrie, wo Fahrzeuge sehr aufwändig und fast vollständig automatisiert hergestellt werden. Im Einsatz müssen sie hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen und möglichst lange halten. Um jederzeit kontrollieren zu können, ob alles in Ordnung ist, soll der Hersteller in Zukunft - auch nach Verkauf eines Autos - mit dem Fahrzeug in Kontakt bleiben.

Vernetzte Produkte und Bauteile

Dazu werde das Auto vernetzt, so Klocke: "Zukünftig ist das Auto Teil des Internets". Sensoren können herausfinden, ob es ernstere Probleme gibt: Ob ein bewegliches Teil zu heiß wird, ob es irgendwo unerwartete Vibrationen oder Geräusche gibt oder ein Bauteil abgenutzt ist. Diese Informationen übermitteln die Sensoren über das Internet an den Hersteller.

Sogar einzelne Bauteile sollen in Zukunft selbständig werden, wünscht sich Werner Herfs, von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. "Jedes Bauteil könnte eine Eigendiagnose erstellen und dann in der Cloud - im Internet - nachfragen: Ist das noch ein normaler Zustand, indem ich mich befinde? Bin ich schon im Bereich des Verschleißes? Muss ich demnächst gewartet oder ausgewechselt werden?"

Multimedial und vernetzt im Auto. Ford präsentiert auf der IFA das Multimedia-Konnektivitätssystem "Ford Sync" (Foto: DW, Olof Pock)
Vernetzung nützt nicht nur dem Kunden. Auch Hersteller sehen, ob es dem Auto gut geht.

Vorreiter Maschinenbau

Vor allem dort, wo Bauteile besonders leistungsfähig und sicher sein müssen - beispielsweise in Kraftwerken oder großen Industrieanlagen - sollen Bauteile in Zukunft eine doppelte Identität erhalten: Eine in der realen Welt und eine als digitaler Datensatz.

Der Vorteil: Wenn Hersteller die Bauteil-Daten sammeln, finden sie schnell heraus, ob sich bestimmte Probleme häufen. Dann können sie gezielt Kunden anschreiben, wenn sie ein ganz bestimmtes Teil austauschen sollten. Außerdem stellen die Daten sicher, dass es sich um ein hochwertiges Originalbauteil handelt und nicht um eine billige Imitation.

So kann der Hersteller schon während der Produktion eine spezifische Signatur tief in das Material hineinschreiben. Diese Signatur ist mit einem Datensatz verknüpft, erklärt Christian Brecher vom Exzellenzcluster Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer: "Wenn diese Information nicht existiert, weiß ich, dass es kein Originalbauteil ist". Auch ein Chip im Bauteil mit entsprechendem Datensatz im Internet kann vor Plagiaten schützen.

Ein Datensatz für alle Produktionsschritte

Datensätze, die bestimmte Produkte ein Leben lang begleiten, können aber noch mehr, versichert Axel Demmer vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie in Aachen: "Turbinenschaufelräder für Gaskraftwerke zum Beispiel bestanden früher aus vielen Einzelteilen. Jede Schaufel wurde aufwändig in vielen Arbeitsschritten gefertigt und anschließend in den zentralen Ring gesteckt, der sich um die Achse der Turbine dreht.

Ein Modell versnschaulicht die verschiedenen Herstellungsschritte eines Schaufelrades für Gasturbinen am Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie in Aachen IPT (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
So entsteht eine Gasturbinenschaufel: Rechts nach der Grobfräsung - Links fein poliert. Alles an einer Maschine.Bild: DW/F. Schmidt

Heute schnitzt nur noch eine computergesteuerte Fräsmaschine das ganze Schaufelrad mit all seinen Schaufeln aus einem einzigen großen Metallblock heraus. Dieser besteht aus einer hochfesten Legierung, die hohen Temperaturen und Belastungen standhalten kann. Am Ende poliert ein Roboter die Turbinenschaufeln mit einer zuvor nie erreichten Präzision.

Mehr als 50 Werkzeuge kann die Maschine bereithalten, darunter grobe und feine Fräser, Schleif- und Polierwerkzeuge. Auch feinste Messfühler sind darunter. So kann das Gerät während der Arbeit ständig überprüfen, ob die Geometrie der Turbinenschaufeln bei jedem Bearbeitungsschritt den digitalen Vorgaben entspricht.

Aus Alt mach Neu

Und nicht nur bei der Herstellung des Schaufelrades nutzt die Maschine den Datensatz: Auch bei einer späteren Reparatur kann sie ihn einsetzen. Dann aber kommt ein anderes Werkzeug zum Einsatz: Eine Düse sprüht feines Metallpulver auf die verschlissenen Schaufeln und ein Laser verschmilzt es schnell auf dem Werkstück.

In Zukunft erhalten viele Werkstücke eine solche digitale Begleit-Identität. Doch der Mensch wird trotzdem nicht überflüssig. Denn die Qualitätsanforderungen an die Produkte steigen stetig. Gleichzeitig müssen die Hersteller ihre wertvollen Daten vor Konkurrenten und Produktpiraten schützen. Und die Industrie 4.0 beflügelt auch die Kreativität der Erfinder und Produktentwickler, weil es heute viel leichter möglich ist, Entwürfe anzupassen, abzuändern und neue Produkte herzustellen.

Ohne hochqualifizierte Techniker, Informatiker und Ingenieure kommt also auch die Fabrik der Zukunft nicht aus. Deshalb legen die Wissenschaftler großen Wert auf die Aus- und Fortbildung der Beschäftigten. Doch eines ist auch sicher: Die Bedienung der Geräte wird immer leichter.