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Das Netz bleibt frei - vorerst

Silke Wünsch14. Dezember 2012

Die Weltkonferenz der Telekommunikation (WCIT) ist zu Ende und die befürchtete Internetregulierung vom Tisch. Die Mehrheit der Staaten hat sich geweigert, einen neuen Vertrag zu unterzeichnen.

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WCIT 2012 - Blick in den Plenarsaal (Foto:Kamran Jebreili/AP/dapd)
Bild: AP

In der Regel wird dieses Treffen, das alljährlich von der Internationalen Fernmeldeunion ITU veranstaltet wird, vom Rest der Welt nicht allzu sehr beachtet. Die ITU ist eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, die den Telekommunikationsverkehr zwischen den Ländern regelt. Seit 1988 gibt es ein international geltendes Abkommen (ITR), das bisher nur Regelungen für die klassische Telefonie beinhaltet.

Beim diesjährigen Treffen aber stand die Freiheit des Internets zur Debatte. Einige der 193 teilnehmenden Staaten haben Interesse daran, dass die ITU ihren Einfluss auf das Internet ausweitet. Besonders tun sich da Russland, China und einige arabische Länder hervor. Sie wollten mit der Neuregelung des Abkommens Möglichkeiten schaffen, stärker in den Internetverkehr einzugreifen. Das alles unter dem Dach der UN.

Eines der Hauptargumente der Befürworter lautet: Heute wird viel über das Internet telefoniert. So sagte zum Beispiel der Vertreter des Königreichs Bahrain: "In der heutigen Ära können wir nicht wirklich über die internationale Telekommunikation sprechen, ohne auch die Internet-Telefonie und Telekommunikation zu berücksichtigen." Bahrain gehört zu den Ländern, die laut der Organisation "Freedom House" im Jahr 2012 am restriktivsten gegen Blogger und Regierungskritiker vorgegangen sind.

Zwei Frauen laufen voll verschleiert an einem WCIT-Plakat vorbei. Foto: EPA/ALI HAIDER
Bild: picture-alliance/dpa

Ein "Horrorkatalog"

Auf einer WCITLeaks-Seite wurden schon im Vorfeld der Konferenz die Vorschläge veröffentlicht, die China, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und noch weitere Länder auf der WCIT 2012 durchboxen wollten.

Es liest sich wie ein völkerrechtlich abgesicherter Freifahrtschein für staatliche Zensur. Zum Beispiel, dass diejenigen, die Inhalte ins Netz stellen, dafür zahlen müssten. Oder dass die Qualität der Netzzugänge unterschiedlich eingestuft werden könne. Damit würde die viel beschworene Netzneutralität ausgehebelt – der freie Zugang für jeden ins Netz und damit der freie Zugang zu jeder Information.

Russland hat noch einen weiteren Vorschlag gemacht, der von restriktiven Staaten wohlwollend unterstützt wird: Es sieht "nationale Internetsegmente" vor, also kleine Intranets, die von den Regierungen kontrolliert werden könnten - wie im Iran. Dort  arbeitet man bereits emsig am Ausbau des staatseigenen Intranets - dem "Halal-Internet".

Dass derartige Forderungen so frech auf den Tisch kommen würden, damit haben viele Delegierte nicht gerechnet. Zumal aus ITU-Kreisen im Vorfeld der WCIT verlautete, dass diese Vorschläge nicht besprochen würden. Doch das Papier sorgte von der ersten Minute des Treffens an für heftige Diskussionen.

Zwei Wochen Zank um neue Regeln

Fast der komplette Westen wehrte sich gegen die Versuche, eine Neuregelung der ITR durchzudrücken, die das Internet mit einbezieht. Trotz gegensätzlicher Positionen ist dennoch ein neuer Vertrag zustande gekommen, der die alten ITR ablösen soll. Davon ist das Internet weitgehend ausgeschlossen. Aber eben nur weitgehend: Das Wort "Internet" kommt in den neuen ITR zwar nicht vor. Aber es gibt einige allgemeine Erklärungen zum Internetverkehr, die einiges an Interpretationsspielraum bieten. Kritiker sind davon überzeugt, dass die neuen Richtlinien von einigen Staaten so ausgelegt werden, dass sie eine staatliche Kontrolle ermöglichen.

Gescheitert, aber nicht vom Tisch

Beobachter wie der Internetexperte Wolfgang Kleinwächter bewerten dieses Treffen eher als politische Kampfarena. "Mehr und mehr werden die Verhandlungen zu einer Art politischem Schattenboxen, in dem es weniger um die praktischen Auswirkungen denn um politische Positionierungen geht", sagte Kleinwächter am Rande der Konferenz dem Netzinformationsdienst Heise Online.

Hamadoun Toure, Foto: AFP PHOTO/KARIM SAHIB
ITU-Chef Hamadoun TouréBild: KARIM SAHIB/AFP/Getty Images

ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré sprach zum Abschluss der WCIT dennoch von "vielen Gewinnern". Immerhin: Die neuen ITR sehen unter anderem mehr Transparenz bei den Roaming-Gebühren vor.

Gegen die Proteste einiger Delegierter wurde das Dokument nun als verabschiedet erklärt. Doch nur 89 von 193 Staten haben es unterschrieben. Die USA und auch Deutschland waren nicht dabei.

So bleibt erst einmal alles wie bisher. In freien Ländern, aber auch in den undemokratischen Staaten, wo Internetnutzer weiterhin kontrolliert und kritische Blogger verfolgt werden.