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"China ist ein ernsthafter Gegner"

Astrid Prange24. Februar 2014

Reinhold Festge, Chef der Lateinamerika-Initiative der deutschen Wirtschaft, drängt auf ein Freihandelsabkommen der EU mit Brasilien. Der Anlagenbauer will in Südamerika Maschinen für den Weltmarkt zu produzieren.

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Dr. Reinhold Festge VDMA
Bild: VDMA

Deutsche Welle: Was war die Botschaft von Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff an die europäischen Unternehmer beim EU-Brasilien-Wirtschaftsforum am Montag (24.2.2014) in Brüssel?

Reinhold Festge: Für uns war die wichtigste Botschaft, dass Rousseff bei dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Markt Mercosur, dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay angehören, Nägel mit Köpfen machen will. Am 21. März wollen beide Seiten ihre Vorschläge für das Abkommen vorgelegen.

Wäre die deutsche Industrie auch an einem EU-Freihandelsabkommen interessiert, dass sich zunächst auf Brasilien beschränkt, wenn sich die Verhandlungen mit den anderen Mercosur-Mitgliedsstaaten schwierig gestalten?

Für die Wirtschaft ist Brasilien der größte Markt in Lateinamerika. Es ist schon richtig, zunächst einmal zu versuchen, das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur zum Erfolg zu führen. Wenn das nicht klappen sollte, dann bleibt immer noch die Alternative eines bilateralen Vertrages.

Noch verlaufen die Handelsströme zwischen der EU und Brasilien eher traditionell: Brasilien exportiert Nahrungsmittel und Rohstoffe, die EU-Staaten hingegen verarbeitete Produkte wie Autos, Flugzeuge und Maschinen. Würde ein Freihandelsabkommen dies ändern?

Ein Freihandelsabkommen würde diese Handelsströme zunächst einmal verstärken. Brasilien wird erst mit Maschinen und Hightech-Exporten weiterkommen, wenn es sich selber fit macht und dazu gehört eine bessere berufliche Ausbildung. Das wird aus meiner Sicht noch ein ganz langer Prozess.

Wie geht die deutsche Industrie mit dem wachsenden Einfluss Chinas in Brasilien und in ganz Südamerika um?

Die Chinesen werden für uns sehr ernsthafte Gegner. Sie haben im Moment den Vorteil auf ihrer Seite, weil sie die Finanzierung mitbringen können, was bei Privatunternehmen nicht so leicht möglich ist. Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen und das Mittel- und Hochpreissegment besetzen.

Würde ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Brasilien oder Mercosur dazu beitragen, die Stellung der deutschen Industrie in Südamerika zu stärken?

Der Freihandel wird unser China-Problem nicht lösen. Er gibt uns lediglich Chancen, mehr zu exportieren und zu importieren. Wir müssen gemeinsam mit den Brasilianern neue Maschinen entwickeln, die in der Lage sind, weltweit zu konkurrieren.

Brasilien China Finanzminister Guido Mantega Lou Jiwei (Foto: REUTERS/Rogan Ward)
Beim Schwellenländer-Gipfel im März 2013 in Durban vereinbarten Brasiliens Finanzminister Guido Mantega und sein chinesischer Amtskollege Lou Jiwei eine stärkere WirtschaftskooperationBild: Reuters

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ich habe eine Tochtergesellschaft in Brasilien. Dort werden Siebmaschinen für die Aufbereitung von Ölsanden produziert. Das sind Hochleistungsmaschinen für die Bergbauindustrie, und die können wir in Deutschland gar nicht mehr entwickeln, weil wir keinen Bergbau mehr haben. Also sind wir nach Brasilien gegangen und haben mit unseren Spezialisten dort neue Produkte und Modelle entwickelt, die wir jetzt nach Afrika, Australien und nach Kanada exportieren.

Wie sehen Sie die Chancen der deutschen Industrie auf dem brasilianischen Markt, auch ohne ein Freihandelsabkommen?

Der brasilianische Markt ist für mich nach wie vor ein Markt der Zukunft. Die brasilianische Mittelschicht wächst und das bringt Stabilität, neue Märkte und Möglichkeiten. Außerdem hat Brasilien im Vergleich zu Deutschland einen riesigen demographischen Vorteil. Wenn sich jetzt noch die berufliche Ausbildung verbessert, dann löst dies einen zusätzlichen Entwicklungsschub aus.

Im Oktober wird in Brasilien gewählt. Bei der regierenden Arbeiterpartei PT gilt das Wort Freihandel vielfach noch als Instrument der Industriestaaten, ihre wirtschaftliche Vorherrschaft zu zementieren…

Das sehe ich nicht so. Freihandel ist auch eine Chance für Schwellenländer. Die Brasilianer haben das am eigenen Leib erfahren, als sie in den 70er und 80er Jahren sich eine eigene Elektronikindustrie aufbauen wollten. Da haben sie die Grenzen zugemacht, das war eine Katastrophe. Heute haben sie die Grenzen relativ offen und sind einer der größten Handy-Produzenten. Natürlich muss man Länder schützen, damit sie nicht vom Freihandel überrannt werden, aber das kann ja nur vorübergehend sein. Unsere Aufgabe ist es, den Schwellenländern dabei zu helfen, ihre Industrien aufzubauen, denn durch Produktivität kommt Reichtum in die Länder.

Gerät Südamerika durch das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA ins Hintertreffen?

Ich glaube, dass genügend Kapazitäten vorhanden sind, beide Verhandlungen parallel zu führen. Ich hielte es für absolut falsch, da Prioritäten zu setzen, beides muss dringend gemacht werden.

Ist der US-Markt attraktiver für die deutschen Anlagenbauer als der südamerikanische Markt?

Der US-Markt ist für die Anlagenbauer im Moment sicherlich der größere Markt, die USA sind unser stärkster Handelspartner, insofern ist der US-Markt natürlich wichtiger für uns. Wir müssen aber mittel- und langfristig denken und müssen beide Märkte haben, wenn wir wachsen wollen.

Welche Konzessionen müsste denn die EU an Brasilien machen?

Darüber wurde heute nicht gesprochen. Das haben wir schön ausgeklammert.

Reinhold Festge ist Vorsitzende des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) sowie der Lateinamerika Initiative der deutschen Wirtschaft (LAI). Diese wurde 1994 vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Lateinamerika Verein (LAV) gegründet. Später kamen der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) und der Bankenverband hinzu.