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Innenminister Friedrich fordert Neonazi-Datei

16. November 2011

Hans-Peter Friedrich will nach der Mordserie einer Neonazi-Gruppe effektivere Sicherheitsbehörden. Gleichzeitig sorgt die verdeckte Arbeit des Verfassungsschutzes in der rechten Szene für Streit im Regierungslager.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) (Foto: dpa)
Innenminister Friedrich (CSU)Bild: picture alliance/dpa

Nachdem Rechtsextremisten aus Jena als Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" offenbar Morde an zahlreichen Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund und einer Polizistin begangen haben, ohne dass Polizei und Verfassungsschutz das verhindert haben, will der Bund die Überwachung der rechten Szene verbessern. Künftig sollen gefährliche Neonazis in einem neuen Zentralregister erfasst werden. Darin sollen "Daten über gewaltbereite Rechtsextremisten und politisch rechts motivierte Gewalttaten zusammengeführt werden", wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der Süddeutschen Zeitung ausführte. Ähnlich wie bei den Datensammlungen über militante Islamisten sollen darin Informationen von Verfassungsschutzämtern und Polizeibehörden aus Bund und Ländern einfließen, sagte Friedrich.

Gemischtes Echo auf das Zentralregister

Rechtsextreme Demonstranten (Foto: dpa)
Sollen besser überwacht werden: RechtsextremeBild: picture alliance/dpa

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, fragte - nach eigener Aussage "entgeistert" - im ZDF: "Wieso kommt der erst jetzt auf diese Idee?" Dagegen unterstützte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann den Vorstoß seines Parteikollegen und forderte, die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden zu intensivieren.

Deutlich kritisch zeigte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Was soll das Neue an so einer Datei sein?", sagte sie im Südwestrundfunk. Die FDP-Politikerin forderte, die bestehenden Dateien für linke, rechte und islamistische Gewalttäter zu überprüfen und die Sicherheitsarchitektur des Verfassungsschutzes auf den Prüfstand zu stellen.

Nicht nur hier spürt Friedrich Gegenwind aus dem eigenen Regierungslager. Schließlich bremst er auch bei der Frage eines NPD-Verbotsverfahrens und steht damit im Widerspruch zu den Beschlüssen des CDU-Parteitags in Leipzig. Für den CSU-Politiker scheint es, "der bessere Weg zu sein, den Menschen Demokratie nahezubringen, als mit Verboten zu arbeiten." Nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung wird Friedrich allerdings schon von CSU-Parteichef Horst Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt bearbeitet, seine Position zu überdenken.

Streit im Regierungslager

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich unterhält sich im Deutschen Bundestag mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Foto: dpa)
Diskussionsbedarf: Justizministerin und InnenministerBild: picture-alliance/dpa

Uneins zeigen sich Politiker von CDU, CSU und FDP auch bei der Frage, wie künftig mit V-Leuten, also Informanten des Verfassungsschutzes, aus der rechten Szene umgegangen werden soll. Ein erstes Verbotsverfahren war ihretwegen vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Und: Sie gelten wegen ihrer Verwurzelung im rechtsextremen Millieu als sehr zweifelhafte Informationsquellen. Informanten, "die in einer Grauzone arbeiten, die ja meist aus der Szene selbst kommen", so Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, seien etwas, "was allen rechtsstaatlich Denkenden irgendwo unangenehm aufstößt."

Bayerns Innenminister Herrmann will jedoch - "mit der größten Vorsicht" - an den V-Leuten festhalten. "Insgesamt brauchen wir solche Leute und das gilt für den gesamten extremistischen Bereich", betonte Herrmann und verwies dabei besonders auf Islamisten. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann empfahl für die Informanten von Rechts ein "Qualitätsmanagement". Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, gab allerdings zu bedenken, dass die V-Leute offenbar nichts zur Aufklärung der Straftaten der Terrorgruppe aus Jena beigetragen hätten, "deswegen muss dieses Instrument überprüft werden."

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Andrea Grunau