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Bolsonaro macht das Virus zu schaffen

29. März 2020

Am Anfang hieß es, der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro könne vielleicht selbst infiziert sein. Nun hält er sein Volk fast für unverwundbar. Experten sind entsetzt.

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Brasilien Präsident Jair Bolsonaro
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Borges

Es ist eine schmerzhafte Niederlage für Staatschef Jair Bolsonaro, der sich so gern als Gewinner sieht. Ein Gericht in Rio de Janeiro hat es der Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten untersagt, Empfehlungen gegen Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus zu verbreiten. Die Richter ordneten die Einstellung der Regierungskampagne "Brasilien darf nicht stillstehen" an. Trotz steigender Infektionszahlen in Brasilien lehnt Bolsonaro strenge Eindämmungsmaßnahmen gegen das neuartige Coronavirus ab.

Bedrohung der Gesundheit

Die Richter verfügten außerdem, dass es Regierungsvertreter unterlassen müssen, Informationen zum Coronavirus ohne wissenschaftliche Grundlage zu verbreiten. Oder diese "agitatorisch" einzusetzen, wie es hieß.

Vertreter der brasilianischen Gesellschaft riefen die Bürger erneut dazu auf, angesichts der Corona-Pandemie zu Hause zu bleiben. Die Bevölkerung möge gegenteiligen Aufrufen des Staatschefs nicht folgen, hieß es. "Die Desinformationskampagne des Präsidenten, der die Bevölkerung aufruft, auf die Straßen zu gehen, ist eine schlimme Bedrohung der Gesundheit aller Brasilianer." Der offene Brief ist unterzeichnet von der Bischofskonferenz, der Anwaltskammer, der Wissenschaftsakademie sowie Menschenrechtsgruppen.

Über Facebook

Am Donnerstagabend hatten der Präsident und sein Sohn Flavio über Facebook ein Video verbreitet, das einen Autokorso zeigte, dessen Teilnehmer die Wiedereröffnung von Geschäften und Schulen im südlichen Bundesstaat Santa Catarina bejubelten. Zudem teilten Jair und Flavio Bolsonaro ein Video jener Kampagne "Brasilien darf nicht stillstehen". In dem Video werden die Menschen aufgerufen, ihrem Alltag trotz der Coronavirus-Pandemie weiterhin nachzugehen - ungeachtet aktueller Zahlen des Gesundheitsministeriums, wonach sich in Brasilien bereits 3500 Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben und 100 Menschen gestorben sind.

Bereits am Freitag hatte Bolsonaro vor Gericht eine Niederlage erlitten. Die Richter hatten ein Dekret des Präsidenten gestoppt, in dem Kirchen und andere Gotteshäuser von den in einigen Bundesstaaten geltenden Ausgangsbeschränkungen wegen der Pandemie ausgenommen wurden. Das Gericht erklärte das Dekret mit der Begründung für ungültig, dass es in Kirchen und anderen Gotteshäusern große Menschenmengen gebe.

"Er wird nie krank"

Bolsonaro hatte in der zurückliegenden Woche angedeutet, dass die brasilianische Bevölkerung gegen jede Art von Infektion resistenter sei als andere Nationen. "Der Brasilianer sollte ein Studienfach sein, er wird nie krank", erklärte der Präsident. "Selbst wenn er in die Kanalisation eintaucht, passiert ihm nichts." Tatsächlich wurde Brasilien in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Epidemien heimgesucht, darunter dem Dengue-Fieber und Zika.

Brasilien - Rio de Janeiro - Corona-Krise: Graffiti gegen Bolsonaro
Bolsonaro wird zur Zielscheibe für Spötter: Der Künstler Aira Ocrespo tauft seine satirische Darstellung des Präsidenten: "Bolsonaros Maske gegen den Coronavirus"Bild: Getty Images/AFP/C. de Souza

Trotzdem Finanzhilfen

Da sich in der Regierung nun aber doch langsam die Vorstellung festsetzt, dass es sich um eine ernsthafte Krise handeln könnte, kündigte Bolsonaro mittlerweile Milliardenhilfen für gebeutelte kleine und mittelständische Unternehmen an. Seine Regierung werde umgerechnet sieben Milliarden Euro für solche Betriebe zur Verfügung stellen, hat Bolsonaro angekündigt. In der Corona-Krise gebe es "zwei Wellen": zunächst die Pandemie selbst und schließlich die wirtschaftlichen Auswirkungen.

Die Gouverneure handeln

Nach Regierungsangaben soll das Hilfsprogramm rund 1,4 Millionen Unternehmen und 12,2 Millionen Beschäftigten durch die Krise helfen. In dieser Woche hatte das Parlament in Brasília einen Gesetzentwurf bewilligt, der eine einmalige Beihilfe in Höhe von umgerechnet 107 Euro für Arbeitslose sowie im informellen Sektor Beschäftigte wie Straßenverkäufer vorsieht. Ursprünglich war ein noch geringerer Betrag vorgesehen.

Im Kampf gegen die Pandemie hat Bolsonaro nur bedingt Durchgriffsmöglichkeiten. Die Eindämmungsmaßnahmen wurden von den Gouverneuren mehrerer Bundesstaaten verhängt. Der Kommentar des Präsidenten lautete zunächst, die Gouverneure wollten Brasilien in den Ruin treiben und "soziales Chaos" verursachen.

ml/kle (afp, rtr, epd)