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"Schreiben besiegt die Angst"

Jan Bruck18. Juni 2013

Sie kämpfen für Freiheit - online und offline: Im Rahmen des Global Media Forums haben die Gewinner der "Bobs - Best of Online Activism Awards" ihre Preise erhalten. Der Hauptgewinner hat eine klare Botschaft.

https://p.dw.com/p/18sdT
Gewinner des Bobs Awards Foto: DW
Bild: DW/M. Magunia

Li Chengpeng ist die öffentliche Aufmerksamkeit gewohnt. So als hätte er es schon hundert Mal getan, hält er seinen Preis in Richtung Kameras, posiert und achtet ganz nebenbei darauf, dass seine Hände keinen Buchstaben auf dem kleinen grauen Block mit schwarzem Schriftzug verdecken. Doch was er dann in seiner Dankesrede erzählt, klingt gar nicht routiniert, sondern ganz persönlich. Das letzte Mal, dass er einen Preis gewonnen habe, sei in der vierten Klasse gewesen, berichtet der chinesische Blogger dem lachenden Publikum. Damals habe ihn seine Schule dafür ausgezeichnet, dass er eine Yuan-Geldmünze, die er auf der Straße gefunden habe, einem Polizisten übergeben hatte. In Wahrheit hatte er sie aber von seiner Mutter gestohlen. "Meine kleine Geschichte zeigt, dass wir in China für die Wahrheit keinen Preis bekommen", sagt Chengpeng wieder ernster.

Mut, die Stimme zu erheben

Gewinner des Bobs-Awards Li Chengpeng (Foto: DW)
Li Chengpeng mit seinem PreisBild: DW/M. Magunia

Der chinesische Buchautor und Kolumnist ist die Gallionsfigur im Kampf gegen die staatliche Zensur in China. Vor allem jüngere Chinesen, die sich mehr Freiheiten wünschen, verehren ihn wie einen Popstar, Millionen von ihnen lesen seine Posts in sozialen Medien und auf seiner Website.

Li Chengpeng und fünf weitere Preisträger erhielten im Rahmen des von der DW veranstalteten Global Media Forums am Dienstag (18.06.2013) ihren Bobs-Award, den Preis der Deutschen Welle für Online-Aktivismus. Ausgezeichnet werden mutige und innovative Projekte, die für Freiheit, Offenheit und Austausch im Netz kämpfen. "Sie erheben ihre Stimme und setzen ihre Kreativität, ihre Ideen und ihre Zeit ein, um sich Gehör zu verschaffen. Damit machen Sie anderen Mut, stark zu sein und für die eigenen Rechte einzustehen", gratulierte DW-Chefredakteurin Ute Schaeffer den Gewinnern. Eine internationale Jury aus Internetexperten - darunter Aktivisten, Blogger und Wissenschaftler - hatte die sechs Jury-Gewinner aus weltweit über 4200 Einreichungen ausgewählt.

Kampf gegen Unterdrückung von Frauen

Die marokkanische BOBs-Gewinnerin Houda Lamqaddam (Foto: DW)
Houda Lamqaddam von der Jugendinitiative "475"Bild: DW/M. Magunia

Preisträger in der Kategorie "Best Social Activism Campaign" ist die marokkanische Jugendinitiative "475". In einem Film dokumentiert die Gruppe das Schicksal der 16-jährigen Amina. Das Mädchen nahm sich 2012 das Leben, nachdem sie ein marokkanischer Richter mit ihrem Vergewaltiger verheiratet hatte. Houda Lamqaddam, Mitglied der Gruppe und Sprecherin des Dokumentarfilms, nahm den Preis entgegen. "Dieser Preis ist für alle Aktivisten, die sich für das Recht von Frauen und Männern einsetzen, selbst über ihren Körper zu bestimmen", sagte sie.

Gewinner in der Kategorie "Best Innovation" ist die chinesische Webseite FreeWeibo.com. Die Betreiber bieten einen zensurfreien Zugang zu SinaWeibo, dem meist genutzten sozialen Netzwerk in China. Auf FreeWeibo können User nach heiklen Begriffen suchen und nachvollziehen, an welchen Stellen die Behörden Inhalte gelöscht haben. "Indem wir die Zensur sichtbar machen, zeigen wir den Menschen, was in ihrem Land vor sich geht. Nur so können sie Druck auf die Regierung ausüben und etwas verändern", erläutert Carl Lee von FreeWeibo das Ziel des Projekts.

Gebrochenes Schweigen

Der "Reporters Without Borders Award" geht an die junge Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin Fabbi Kouassi aus Togo in Westafrika. Mit deutlichen Worten prangert sie die Brutalität der Polizei gegen Journalisten im dem autoritär regierten Land an. Da Fabbi Kouassi gerade ein Kind zur Welt gebracht hat, konnte sie nicht selbst bei der Preisverleihung dabei sein. Ihr in Deutschland lebender Bruder nahm den Preis stellvertretend für seine Schwester entgegen: "Fabbi lebt ein sehr riskantes Leben als Journalistin in Togo", sagte er. "Wir machen uns jeden Tag Sorgen, aber wir sind auch sehr stolz auf sie."

Den "Global Media Forum Award" der Bobs nahm Mahfuza Akter entgegen. Die junge Frau ist Teil des revolutionären Sozialprojekts "Info Lady". Infoladies, das sind junge, gebildete Frauen aus Bangladesch, die mit dem Fahrrad Hunderte von Kilometern über das Land fahren, um abgelegene Dörfer mit dringend benötigten Dienstleistungen zu versorgen. Ausgerüstet mit einem Solar-Laptop und einem Smartphone kann Mahfuza Akter "bei fast allen alltäglichen Problemen der Bewohner" weiterhelfen, sei es im Bereich Gesundheit oder bei der Herstellung einer Skype-Verbindung. Das Deutsche Welle Global Media Forum widmet sich in diesem Jahr den Herausforderungen der globalen Wirtschaft.

Sicher im Internet bewegen

Gewinnerin des Bobs-Awards Stephanie Hankey mit DW-Chefredakteurin Ute Schaeffer (Foto: DW)
Stephanie Hankey (rechts) von "Me and My Shadow" zusammen mit DW-Chefredakteurin Ute SchaefferBild: DW/M. Magunia

Beeindruckt zeigte sich die Bobs-Jury von dem ideenreichen Projekt "Me and My Shadow", das in der Kategorie "Most Creative & Original" den Jury-Preis gewann. Auf der Webseite wird Nutzern auf spielerische Art und Weise nahe gebracht, sich sicherer im Netz zu bewegen. In Ländern, die Zensur und Netzüberwachung betreiben, haben im Internet hinterlassene Daten für Aktivisten schwere Folgen - in manchen Fällen kann es sogar um Leben und Tod gehen. Hinter "Me and My Shadow" steht das internationale "Tactical Technology Collective", das weltweit Menschenrechtsaktivisten im Umgang mit dem Internet schult. Stellvertretend für das Projekt nahm Geschäftsführerin Stephanie Hankey den Preis entgegen.

Die Gefahr für Menschen, die in "unfreien" Ländern für Meinungsfreiheit und Demokratie kämpfen, spiegelte sich in den Reden fast aller Preisträger wider. Auch Li Chengpeng sagt, er sehe sich selbst nicht als mutigen Mann. In jedem Moment lebe er in Angst vor Repressalien. Und fügt hinzu: "Der einzige Weg, diese Angst zu besiegen, ist für mich das Schreiben."