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Politik

Bauern machen gegen Berlins Agrarpolitik mobil

22. Oktober 2019

Die Hauptkundgebung fand in Bonn statt - was Menschen mit Sinn für Symbolik sicher aufhorchen lässt: Denn in der alten Bundeshauptstadt wurden die Grundlagen für eine Agrarpolitik gelegt, die bis heute Probleme bereitet.

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Bauernprotest Protest der Landwirte Bonn
Bild: Reuters/T. Schmuelgen

An den Bauernprotesten gegen die Agrarpläne der Bundesregierung haben sich in mehreren Bundesländern Tausende Bauern beteiligt. Am zentralen Standort Bonn versammelten sich zunächst weniger Landwirte als erwartet. Rund 4000 Teilnehmer schätzte die Polizei bei der Kundgebung auf dem Bonner Münsterplatz. Die Veranstalter hatten mit bis zu 10.000 Teilnehmern gerechnet.

Protest mit fast 8000 Treckern

Viele der Bauern kamen mit ihren Traktoren nach Bonn und legten damit den Verkehr rund um die Stadt am Vormittag teilweise lahm. "Es sind deutlich mehr Traktoren als erwartet", hieß es von der Polizei. Erwartet worden waren 800 Fahrzeuge. Die teilweise kilometerlangen Trecker-Konvois hatten auch an mehreren anderen Orten in Nordrhein-Westfalen den Verkehr behindert.

Deutschland Bonn | Protest der Landwirte gegen Agrarpolitik der Bundesregierung
Bild: DW/N. Ranjan

In anderen Bundesländern waren ebenfalls sehr viele Bauern mit ihren Treckern zu Kundgebungen gekommen. In Niedersachsen waren nach Schätzungen der Polizei fast 3000 schwere Schlepper unterwegs, in Schleswig-Holstein 1700, in Bayern 1500 und in Hamburg 500. Dort wurden wegen des hohen Gewichts der Trecker einige U-Bahnabschnitte vorsorglich gesperrt.

Gegen das "Bauernbashing"

Die Landwirte forderten Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dazu auf, mit ihnen über aktuelle Agrar- und Klimapläne zu diskutieren. Die aktuelle Politik gefährde Familienbetriebe, warnten die Bauern. Außerdem führe "Bauernbashing", also etwa herablassende Äußerungen über Landwirte, in vielen Bereichen zu Ärger in der Berufsgruppe. Die Demonstrationen der Landwirte richten sich vor allem gegen die Pläne der Regierung unter anderem für mehr Natur- und Tierschutz in der Landwirtschaft und zum Schutz des Grundwassers vor Nitrat, das etwa durch Überdüngung in den Boden gelangt. Diesen Plänen hat auch Ministerin Klöckner zugestimmt.

Deutschland Bonn | Protest der Landwirte gegen Agrarpolitik der Bundesregierung
Bild: DW/N. Posdnjakova

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete die Bauern-Proteste als Ergebnis einer "jahrzehntelang verfehlten Agrarpolitik". "Viele Bäuerinnen und Bauern stehen schlicht mit dem Rücken zur Wand, weil sie nicht mehr von dem leben können, was sie produzieren", sagte Hofreiter in Berlin. Deswegen könne er verstehen, dass sie massiv protestieren. "Was wir brauchen, ist eine Agrarpolitik, die dafür sorgt, dass die Bäuerinnen und Bauern leben können von ihren Produkten und die auf der anderen Seite Klima, Artenvielfalt, Grundwasser und Tiere nicht weiter massiv beschädigt oder unter Druck setzt", sagte der studierte Biologe. Auch könne eine Agrarpolitik, die Klima und Umwelt schütze, nicht gegen die Bauern gemacht werden.

In Bonn dürften Landwirte mit bis zu 1000 Traktoren an der zentralen Protestkundgebung teilgenommen haben   (Foto: Reuters/T. Schmuelgen)
In Bonn dürften Landwirte mit bis zu 1000 Traktoren an der zentralen Protestkundgebung teilgenommen haben Bild: Reuters/T. Schmuelgen

Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der Grundsatz "Wachse oder weiche" habe die Mehrzahl der bäuerlichen Familienbetriebe seit den 1970er Jahren in den Ruin getrieben, erklärte Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. "Ein desaströser Kurs, den der Deutsche Bauernverband mit seiner Lobbyarbeit aktiv unterstützt hat." Hofstetter forderte daher, die Bundesregierung müsse sich auf nationaler und europäischer Ebene für eine Agrarwende einsetzen. "Mit der Reform der EU-Agrarpolitikbietet sich jetzt die Chance, das verkrustete Prinzip der Agrarsubventionen aufzubrechen und die Fördergelder sinnvoll einzusetzen", erklärte Hofstetter. Betriebe, die auf eine klima- und artenschonende Landwirtschaft umstellen, müssten gezielt finanziell unterstützt werden. Und die Verbraucher müssten für gesunde, umweltfreundlich produzierte Lebensmittel bereit sein, einen angemessenen Preis zu zahlen.

sti/kle (fpa, afp)