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Bachmann-Görl: "Es geht um das Land, die Leute, die Stimmung"

Christian Ignatzi23. Januar 2014

In Deutschland fehlen tausende Altenpfleger. Ein Pilotprojekt soll bis Ende des Jahres 150 chinesische Fachkräfte ins Land holen. Personalmanagerin Elke Bachmann-Görl berichtet im DW-Interview von der Praxis.

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Elke Bachmann-Görl
Bild: Curanum

DW: Frau Bachmann-Görl, sind Chinesen bessere Pflegefachkräfte als Osteuropäer?

Elke Bachmann-Görl: Das kann man so nicht sagen. Wir haben auch Erfahrungen gesammelt mit ungarischen Kräften, Spaniern und Tschechen. Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Ein großer Nachteil ist, dass europäische Kräfte oft auch wieder nach Hause zurückgehen. Das alles kann uns bei diesem Projekt nicht passieren und das war schon sehr reizvoll.

Es geht Ihnen nur um die Entfernung?

Nein. Es geht auch um das Land, die Leute, die Stimmung in China. Deshalb bin ich selbst dorthin gereist, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Ich war beeindruckt von der Einstellung der Chinesen zu alten Menschen, dem Respekt vor dem Alter. Ich glaube, dass das für uns auch ein großer Pluspunkt ist, weil da noch einmal eine ganz andere Begeisterung und Motivation 'rüberkommt als ich es bisher erlebt habe bei den anderen europäischen Kräften. Das darf man aber nicht pauschal verstehen.

Bekommen die chinesischen Fachkräfte die gleiche Bezahlung wie europäische?

Das ist eine Absprache mit der Zentralen Auslandsvermittlung des Arbeitsamts. Das heißt, wir bekommen die Gehälter auch vorgegeben. Da handelt es sich um absolut angemessene und vergleichbare Gehälter zu deutschen Gehältern.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre chinesischen Mitarbeiter aus?

Das wird von der Nurses-School, mit der wir zusammenarbeiten, vorher schon sehr gut selektiert, dass die fachlichen Bedingungen alle gegeben sind. Das sind alles Bachelor-Absolventen, also eher überqualifiziert, was mit den deutschen Bestimmungen zu tun hat. Altenpfleger gibt es ja fast nirgends im Ausland. Sie sind immer angewiesen auf Krankenschwestern oder Bachelor-Studenten. Dann ging es uns darum, dass sie alle schon praktische Erfahrungen gesammelt haben müssen und um Sprachkenntnisse. Und ich wollte die jungen Menschen kennenlernen. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, wie diese Menschen mit dem Kulturunterschied, der weiten Entfernung von zu Hause umgehen.

Überprüfen Sie die Deutschkenntnisse persönlich?

Wir kriegen das B1-Level vom Goethe-Institut ja als Zeugnis vorgelegt. Ich möchte aber auch im Gespräch erfahren, ob eine einfache Konversation möglich ist. Wie sieht es aus, wenn ich eine Konversation in Richtung Pflege versuche? Sind das nur eingeübte Sätze? Oder kann jemand schon reagieren auf Fragestellungen aus dem ganz normalen Alltag.

Und das klappte bislang gut?

Erstaunlich gut. Die Sprachkenntnisse bei den Chinesinnen sind wesentlich besser als ich es bei den europäischen Mitarbeitern, die wir bis jetzt hatten, erlebt habe. Dennoch kriegen sie noch einen Intensivsprachkurs in Deutschland.

Wer überprüft die fachlichen Qualifikationen?

Das macht die Bezirksregierung im jeweiligen Bundesland.

Zusätzlich mussten die Bewerber ein achtmonatiges interkulturelles Training absolvieren. Wie lief das ab?

Das war schon in China und vor allen Dingen ein Sprachintensivkurs. Bei uns ist es so, dass wir hoffen, dass wir nach drei, maximal sechs Monaten die Anerkennung bekommen. Das heißt, wir haben mit einem Integrationstraining über ein externes Institut begonnen. Mit einem Intensivsprachkurs und einer Pflegeschulung, wo die Pflegekräfte intensiv auf die Anerkennungsprüfung vorbereitet werden. Danach dürfen sie als Fachkraft arbeiten.

Wie lange dürfen die Pflegekräfte in Deutschland bleiben?

Sie haben erst einmal eine Aufenthaltserlaubnis von fünf Jahren. Danach dürfen sie unbefristet in Deutschland bleiben, wenn sie das möchten.

150 junge Chinesen sollen im Rahmen des Pilotprojekts bis zum Jahresende nach Deutschland kommen. Sollen ihnen weitere folgen?

In China stehen wesentlich mehr potenzielle Kandidaten zur Verfügung. Es müssen aber genügend Arbeitgeber gefunden werden, die sich für dieses Projekt interessieren. Und es hängt ganz maßgeblich davon ab, wie die Integration in Deutschland funktioniert. Nachdem die ersten fünf nun da sind, ist es noch schwierig zu sagen, wie groß das Interesse sein wird. Derzeit kommen sie aber sehr gut an, auch bei den Pflegebedürftigen, weil sie eine sehr herzliche und unverstellte Art haben, auf Menschen zuzugehen.

Hat China selbst keinen Fachkräftemangel im Pflegebereich?

Derzeit noch nicht. Die Generation aus den ersten Ein-Kind-Familien ist ja noch jung. Man rechnet so in zehn, fünfzehn Jahren damit, dass dort auch Altenheime aufgebaut werden müssen. Es ist sicherlich ein Aspekt auch für die chinesische Regierung, Know-How in Deutschland zu sammeln. Das ist durchaus legitim, wenn wir davon profitieren, dass gut ausgebildete Kräfte aus China zu uns kommen und eventuell auch im Land bleiben. Das halte ich für eine absolute Win-Win-Situation.

Elke Bachmann-Görl ist Personalleiterin der Curanum AG, die Seniorenpflegezentren betreibt und sich mit der Einstellung von chinesischen Facharbeitern am Pilotprojekt beteiligt. Sie wählte die Bewerber in China persönlich aus.

Das Interview führte Christian Ignatzi.