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Brustkrebs beim Mann

Gudrun Heise9. Juli 2012

Nicht nur Frauen erkranken am Mammakarzinom. Jahr für Jahr gibt es in Deutschland auch rund 500 Fälle, in denen Männer an Brustkrebs erkranken. Die Diagnose kommt bei ihnen aber oft zu spät.

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Ein Arzt untersucht eine Männerbrust mit einem Stethoskop (Foto: Benny Weber/Fotolia)
Bild: Benny Weber/Fotolia

Natürlich sei es ein schwerer Schock für ihn gewesen, erzählt Kuno Meyer. 'Brustkrebs' lautete die Diagnose, die der ehemalige Polizeibeamte im Jahr 2007 bekam: "Man verfällt fast in eine Schockstarre, man bekommt weiche Knie und muss sich damit erst einmal auseinandersetzen." Wie die meisten wusste auch Kuno Meyer damals nicht, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können. Der heute 62-Jährige hatte einen Knoten in seiner Brust getastet, ging zum Arzt und es wurde relativ schnell klar, dass es sich um ein Mammakarzinom handelte. Es folgten eine Operation, sechs Chemotherapien und 28 Mal Bestrahlung, denn die Lymphknoten waren auch befallen.

Späte Diagnose, schlechtere Heilungschancen

Brustkrebs beim Mann? Das gibt es doch gar nicht. Das jedenfalls ist die landläufige Meinung. Für denjenigen aber, den es trifft, ist die Diagnose nicht nur kaum zu glauben, sondern – genau wie bei Frauen – mit starken Ängsten verbunden. Vorsorgeuntersuchungen für Männer gibt es für Prostata- und Darmkrebs, nicht aber für Brustkrebs. "Der Mann geht in der Regel viel zu spät zum Arzt", so die Erfahrung von Professor Christof Sohn vom Krebszentrum der Universitätsklinik Heidelberg.

Eine Forscherin der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg stellt in einem Labor aus dem Blut von Prostatakrebs-Patienten so genannte dentritische Zellen her (Foto: picture-alliance/dpa)
Labortest zur Prostata VorsorgeuntersuchungBild: picture-alliance/dpa

Wenn eine Veränderung in der Brust ertastet wird, ist ein Besuch beim Hausarzt meist der erste Schritt. Viele Mediziner aber sind unerfahren im Umgang mit Brustkrebs bei Männern: "Na, dann kommen Sie mal in 6 oder 8 Wochen wieder, heißt es oft. Dann wird eine Salbe verschrieben und noch eine, aber der Knoten ist immer noch nicht weg", so Christof Sohn. Und ein Mann denke natürlich nicht direkt daran, dass ein spezialisiertes Behandlungszentrun - ein sogenanntes Brustzentrum - eben allgemein für die Brust zuständig ist, nicht nur für die von Frauen.

Entfernung der Brust

Brustkrebs ist bei Frauen die am häufigsten vorkommende Krebsart, mit rund 70.000 Neuerkrankungen im Jahr. Die Heilungschancen sind mittlerweile gut, vorausgesetzt der Tumor wird früh genug erkannt und entsprechend behandelt. Das bedeutet in den meisten Fällen eine Operation. Bei Frauen wird versucht, die OP möglichst brusterhaltend durchzuführen. Bei Männern mache das keinen Sinn, so Christof Sohn. "Beim Mann wird in der Regel die Brustdrüse entfernt und die Brustwarze, weil der Tumor bei der kleineren Brust ein ganz anderes Volumen im Vergleich zum Brustdrüsengewebe annimmt." Sind die Lymphknoten betroffen, wird in den meisten Fällen eine Chemotherapie angeordnet und auch Bestrahlung – genau wie bei betroffenen Frauen. Brustkrebs bei Männern gilt als aggressiver. Die Erkrankung wird eben oft zu spät erkannt, der Krebs hat sich im schlimmsten Fall schon ausgebreitet, die Therapie ist schwieriger.

Mammographie-Aufnahme (Foto: dpa)
Brustkrebsvorsorge: für Frauen Routine, bei Männern viel zu seltenBild: picture-alliance/ dpa

Bei vielen Frauen wird die Brust nach einer Operation aus kosmetischen Gründen wieder aufgebaut. Aber auch Männer litten unter den Folgen einer Brust-OP, erläutert Christof Sohn. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Delle entstanden sei. "So etwas stört natürlich auch Männer. Man kann das Gewebe unterfüttern, man kann es unterspritzen, man kann eine Brustwarze aus körpereigener Haut rekonstruieren oder den Bereich durch Tätowieren nachzeichnen."

Brustimplantat (Foto: AP)
Frauen lassen sich nach einer Brustentfernung wegen Krebs oft ein Implantat einsetzenBild: AP

Ein Netzwerk für Betroffene

Es werde mittlerweile mehr Augenmerk auf diese Erkrankung gelegt, erklärt Chefärztin Dr. Claudia Schumacher von der Klinik Köln-Hohenlind. "Man macht sich Gedanken darüber, ob Männer und Frauen wirklich gleich therapiert werden sollen. Brustkrebserkrankungen beim Mann werden auch immer häufiger in zentralen Registern erfasst. Aber es kann noch sehr lange dauern, bis wir verlässliche Daten haben." Mit rund 700 Primäroperationen im Jahr ist Köln-Hohenlind eines der größten Brustkrebszentren in Deutschland und Anlaufstelle für Frauen und für Männer. Aber manchmal merke man auch, dass es einigen Männern fast peinlich sei, eine Erkrankung der Brustdrüse zu haben, so Claudia Schumacher. Denn das sei eben noch immer eine typisch weibliche Krebsart.

Die Diagnose Krebs sei immer schlimm, so Kuno Meyer. Er und andere betroffene Männer haben 2010 das "Netzwerk Brustkrebs bei Männern" gegründet. Bisher gibt es etwa 45 Mitglieder: "Wir haben uns zusammengefunden, um zu reden, um uns über die Erkrankung auszutauschen. Wir wollen Ärzte, die sich mit Brustkrebs befassen, dazu bekommen, sich intensiver mit dem Phänomen Brustkrebs beim Mann zu beschäftigen." Das hält auch Christof Sohn für einen entscheidenden Punkt: ein größeres Bewusstsein zu schaffen und "dass man Veränderungen der Brust, im Bereich der Brustwarze und dahinter gleich abklären lässt und nicht erst abwartet."