1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Athen läuft die Zeit davon

Rolf Wenkel13. Februar 2015

Die neue griechische Regierung glaubt offenbar immer noch, im Schuldenstreit mit den Geberländern pokern zu können. Dabei liegt das Blatt längst auf dem Tisch, und es zeigt: Im März ist kein Geld mehr da.

https://p.dw.com/p/1EbHL
Symbolbild Poker
Bild: Fotolia/apops

Griechenland hat seine Bereitschaft zur Einigung im Schuldenstreit mit seinen Euro-Partnern unterstrichen. Das Land werde alles in seiner Macht Stehende tun, um am Montag ein Abkommen zu erzielen, sagte ein Regierungssprecher dem Sender Skai TV am Freitag. "Wenn wir am Montag keine Einigung haben, denken wir, dass immer noch Zeit ist, so dass es kein Problem geben wird." Am Montag kommen die Euro-Finanzminister erneut zu Verhandlungen über die Hilfen für Griechenland zusammen.

Indes: So viel Zeit, wie der Regierungssprecher glauben machen will, hat die Regierung in Athen nicht mehr. Denn das bisherige Hilfsprogramm läuft am 28. Februar aus. Stellt Athen keinen Antrag, das Programm bis zum Sommer zu strecken, steht das Land ab 1. März ohne finanziellen Schutzschirm da. Zugleich muss Athen bis zum Sommer einen zweistelligen Milliardenbetrag aufwenden, um Kredite abzulösen. Ohne zusätzliches Geld ist das nicht möglich.

Das Kapital fließt ab

Bisher lehnt die von Alexis Tsipras geführte neue Koalition aus Linkspartei und Rechtspopulisten die Verlängerung des bestehenden Kreditprogramms jedoch strikt ab. Sie fordert nach wie vor ein Finanzierungsprogramm für die kommenden sechs Monate, ein Ende der Troika-Überwachung und einen Schuldenschnitt, der freilich – besonders in Deutschland - nicht Schuldenschnitt genannt werden darf.

Die bisher ergebnislos verlaufenden Gespräche der Europäer mit der neuen Regierung in Griechenland verunsichern auch griechische Bürger, die immer mehr Geld ins Ausland schaffen. Experten schätzen, dass pro Woche rund fünf Milliarden Euro aus dem griechischen Bankensystem abgezogen werden.

Damit wächst der Druck auf die griechischen Banken immens. Sie können sich nicht mehr die dringend benötigte Liquidität bei der EZB beschaffen. Denn ein Großteil der Sicherheiten der griechischen Banken besteht aus bonitätsschwachen griechischen Anleihen und staatlich garantierten Bankanleihen, die die EZB seit dieser Woche nicht mehr akzeptiert.

Druck auf Banken wächst

Stattdessen bekommen die griechischen Banken die Liquidität hauptsächlich über die so genannten ELA-Notkredite (Emergency Liquidity Assistance). Gerade erst hat die EZB in einer Telefonkonferenz die Höchstgrenze der ELA-Kredite von 60 auf 65 Milliarden Euro heraufgesetzt. Aber die EZB darf und wird ELA-Kredite für einen längeren Zeitraum nur gewähren, wenn die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates gesichert ist. Einigt sich Griechenland in den kommenden Wochen nicht mit seinen Geldgebern, ginge dem Land etwa im März oder April das Geld aus.

Der Zahlungsausfall, also die Staatspleite, würde vermutlich schon im März eintreten. Denn dann wird ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gewährter Kredit über 1,4 Milliarden Euro fällig, im Juni müssen 1,4 Milliarden Altschulden abgelöst werden, im Juli wird eine 3,5 Milliarden Euro schwere Anleihe der EZB und verschiedener nationaler Zentralbanken fällig - insgesamt muss Athen im laufenden Jahr rund 22,5 Milliarden Euro zurückzahlen.

Hilfen kommen nicht an

Darin steckt auch das Dilemma der Regierung in Athen: Die Schuldenlast ist so groß, dass der allergrößte Teil der Hilfskredite nicht beim Bürger ankommt, sondern für Tilgung und Zinszahlungen der Altschulden aufgewendet werden muss. Bislang haben die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds Griechenland mit rund 229 Milliarden Euro ausgeholfen. Nur elf Prozent, rund 27 Milliarden Euro, konnte Athen für seine Staatstätigkeit ausgeben, also zum Beispiel Polizisten und Lehrer bezahlen und Renten auszahlen.

Dagegen wendete Griechenland mehr als 40 Milliarden Euro für Zinszahlungen auf. Um fällige Kredite abzulösen, musste Athen sogar 81 Milliarden Euro aufwenden. Addiert man zu diesen beiden Werten noch Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds im Umfang von rund neun Milliarden Euro, wird klar: 132 Milliarden Euro flossen allein in den Schuldendienst. Mehr als Hälfte der gesamten Hellas-Hilfen.

Bisher haben die Märkte außerhalb Griechenlands kaum auf die Zuspitzung der griechischen Schuldenkrise reagiert, wahrscheinlich weil die meisten Investoren immer noch davon ausgehen, dass am Ende - wie in früheren Krisen - ein Kompromiss gefunden wird und damit der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion auch dieses Mal vermieden wird.

Nur kurzfristige Schocks

Sollte das Land allerdings zur Drachme zurückkehren, würde dies die Märkte zumindest kurzfristig bewegen, schreibt die Commerzbank in einer Kurzanalyse: "Zehnjährige Bundesanleihen dürften in diesen Fall noch einmal deutlich fallen und damit der Nulllinie nahe kommen. Auf der anderen Seite würden die Risikoaufschläge italienischer und spanischer Anleihen auf bis zu 200 Basispunkte steigen, weil das Ewigkeitsversprechen der Währungsunion – es wird nie ein Land aus dem Euro austreten – nicht mehr geglaubt würde und mancher Investor eine Wiederholung des griechischen Szenarios in einem anderen Land befürchten würde."

Eine Destabilisierung des europäischen Bankensystems befürchten die Commerzbank-Volkswirte allerdings nicht mehr. "Die ausländischen Banken haben ihre Forderungen gegenüber Griechenland seit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise 2011 massiv reduziert, und zwar von über 300 Milliarden Dollar auf rund 50 Milliarden Dollar. Davon dürfte ein großer Teil durch ausländische Sicherheiten abgesichert sein. Die Forderungen gegenüber dem griechischen Staat belaufen sich auf nahe null. Die möglichen Verluste wären für das ausländische Bankensystem insgesamt wohl verkraftbar."