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Athen lässt Berlin weiter streiten

18. Juli 2015

Vizekanzler Gabriel gegen Finanzminister Schäuble und der CDU-Generalsekretär gegen die parteiinternen Kritiker: In Berlin ist die Streitlust auch nach der Bundestagsentscheidung zu Griechenland ungebrochen.

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Vizekanzler Sigmar Gabriel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vizekanzler Sigmar Gabriel hat Kritik an der Verhandlungslinie der Bundesregierung gegenüber Griechenland zurückgewiesen. "Dass wir jetzt einfach sozusagen ins Risiko gehen, ohne dass wir von Griechenland verlangen, dass das Land sich verändert, diese Forderung (...) finde ich nicht richtig", sagte der SPD-Chef im ZDF. "Weil dann müssten wir es in Italien, Spanien, Portugal genau so machen", begründete Gabriel die Haltung der Bundesregierung. "Das könnte die Eurozone nicht überleben."

"Nur wenn die Griechen das selbst wollen"

Zugleich erneuerte der Bundeswirtschaftsminister seine Kritik an Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und dessen Vorstoß eines vorübergehenden Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro. "Diesen Vorschlag als deutschen Vorschlag einzubringen, war aus meiner Sicht nicht vernünftig", sagte Gabriel. Das hätte man "anders machen müssen". Schäuble habe gewusst, so Gabriel, "dass wir in der Sozialdemokratie nur für einen einzigen Fall bereit sind, über ein Aussteigen Griechenlands aus der Eurozone zu reden", nämlich dann, "wenn die Griechen das selbst wollen".

Schäuble selbst hat mit seinen Äußerungen zu einem möglichen Rücktritt wegen regierungsinterner Differenzen in der Griechenland-Krise Irritationen ausgelöst. "Es gehört zur Demokratie, dass man auch mal unterschiedliche Meinungen hat. Und dann ringt man gemeinsam um Lösungen", sagte Schäuble dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Politiker hätten ihre Verantwortung aus ihren Ämtern, zwingen könne sie niemand. "Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten." Einen Satz später schloss er ein solches Szenario für sich aber aus. Auf die Nachfrage, ob er über einen Rücktritt nachdenke, entgegnete Schäuble: "Nein, wie kommen Sie darauf?"

Schäuble-Rücktritt als "Spekulation" abgetan

CDU-Generalsekretär Peter Tauber trat Gedankenspielen dieser Art in einem Interview des "Tagesspiegels" ebenfalls entgegen. Die Frage, warum Schäuble verklausuliert mit einem Rücktritt drohe, tat Tauber als "Spekulation" ab und betonte: "Wolfgang Schäuble und Angela Merkel sind vielleicht nicht immer einer Meinung, aber gehen immer einen gemeinsamen Weg." Der Finanzminister leiste einen wichtigen Beitrag für den Erfolg Deutschlands. "Und ich habe den Eindruck, dass er seine Aufgabe trotz aller Anstrengungen auch mit einer gewissen Freude ausübt", sagte Tauber. Zuletzt hatten sich in der Griechenland-Frage Differenzen zwischen Schäuble und Merkel offenbart. Hauptursache war auch hier Schäubles Vorschlag eines zeitweisen Ausstiegs des Landes aus der Euro-Zone.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber (Foto: picture-alliance/dpa/H. C. Dittrich)
Nimmt die parteiinternen Kritiker ins Visier und bekommt Saures zurück: CDU-Generalsekretär TauberBild: picture-alliance/dpa/H. C. Dittrich

Am Freitag gab der Bundestag der Regierung grünes Licht für die Verhandlungen mit Griechenland. Rund ein Fünftel der Unions-Abgeordneten stimmte aber mit "Nein" oder enthielt sich. Tauber sorgte unterdessen mit Kritik an den Abweichlern für Unmut in den eigenen Reihen. Der CDU-General hatte kurz vor der Sitzung des Bundestages mit Blick auf die absehbaren Nein-Sager in der Unions-Fraktion in seinem Blog geschrieben: "Man kann auf verschiedene Arten 'Nein' sagen. Manche Abgeordnete machen daraus ein 'Geschäftsmodell' und profilieren sich auf Kosten anderer. Darüber kann man sich ärgern, aber dazu will ich nichts sagen."

Steinbach und Bosbach schäumen

Die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach, die im Bundestag gemeinsam mit 59 anderen Parlamentariern der Union gegen neue Verhandlungen mit Griechenland über ein Hilfspaket gestimmt hatte, reagierte empört. Sie bezeichnete Taubers Äußerungen bei Twitter als "ziemliche Unverschämtheit". Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie: "Ich lasse mir nicht Profilierungssucht und Geschäftemacherei unterstellen." Jenen, die mit Nein votiert hätten, solche Vorhaltungen zu machen, sei "unglaublich und undemokratisch". Alle Abgeordneten hätten sich lange den Kopf zerbrochen und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. "Ein Generalsekretär soll die Partei zusammenführen und nicht spalten."

Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hatte - wie schon bei früheren Abstimmungen zu Griechenland-Hilfen - mit "Nein" votiert. Er reagierte ebenfalls verstimmt auf Taubers Schelte. "Den sogenannten Abweichlern wegen ihres Stimmverhaltens unlautere Motive zu unterstellen, ist angesichts der zwar kontroversen, aber sehr ernsten und auch sehr sachlichen Debatte in der Fraktion wirklich abwegig", sagte Bosbach. "Ich bin mir nicht sicher, ob der Generalsekretär der CDU gut beraten ist, wenn er in dieser Form öffentlich viele Kolleginnen und Kollegen der Fraktion attackiert."

sti/nin (afp, dpa, rtr)