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Die NSA kann nicht überwacht werden

Laurie Schwartz / alu12. Februar 2014

Jacob Appelbaum ist einer der führenden US-Computer-Sicherheitsaktivisten und ein Vertrauter des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Wir haben mit ihm über die NSA und das Leben im Exil gesprochen.

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Jacob Appelbaum (Mitte) bei einer Diskussion über die NSA
Bild: CC/by/nc/sa/Transmediale, Jan. 2014

DW: Im vergangenen Monat hat US-Präsident Obama in einer Grundsatzrede von den Nachrichtendiensten und vom Justizminister einen "neuen Ansatz" in Sachen Datensicherheit verlangt. Sie sollten Vorschläge machen, wie die Arbeit der Geheimdienste aussehen und wie sie kontrolliert werden kann. Was denken Sie darüber?

Jacob Appelbaum: Faktisch hat Obama in seiner Rede die Massenüberwachung ganzer Nationen gebilligt. Wenn er sagt, dass Massenüberwachung nur für gute Zwecke verwendet werde oder werden könnte, dann fehlt vollkommen der Bezug zum historischen Kontext. Vor allem wenn es darum geht, dass eine Nation andere Nationen ausspäht. Das ist schließlich genau das, was die Nazis getan haben. Sie benutzten die Überwachung in den Niederlanden, in Frankreich und anderen Ländern, um ihren Massenmord zu organisieren.

Obama hat dagegen nicht angesprochen, dass wir unsere Kommunikationssysteme sichern und unsere Freiheit gegen jede Art von Angriff schützen müssen. Zum Beispiel vor den Chinesen, den Russen, auch vor mir - im Prinzip vor jedem, der weiß, wie moderne Kommunikationssysteme funktionieren. Denn jeder, der das weiß, kann die Schlupflöcher auszunutzen, die NSA, CIA und die US-Regierung im Allgemeinen bieten.

Wenn Sie einige der ehemaligen Stasi-Leute hier in Berlin fragen, dann sagen die, dass diese massenhafte Erhebung von Daten nicht gut gehen kann. Das wird missbraucht werden. Sie können nicht solche Mengen von Daten dieser Art anhäufen, ohne dass sie mißbraucht werden. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Obama also davon spricht, dass man Gesetzeslücken ausbessern muss, dann gibt er eigentlich zu, dass gegen die Gesetze verstoßen worden ist, das aber seiner Ansicht nach aus guten Gründen geschehen.

Ich war sehr enttäuscht davon und was mich am meisten enttäuscht - abgesehen von seiner Unterstützung für die Massenüberwachung -, ist das nicht vorhandene kritische Verständnis dafür, wie Konzerne zu Geheimagenten des Staates gemacht wurden. Und zwar im wörtlichen Sinn, denn sie dürfen nicht frei darüber sprechen, was sie tun.

Das heißt, es gibt keine echte Aufsicht über die Geheimdienste?

Die gibt es zwangsläufig nicht: Wenn man Strukturen schafft, die im Geheimen derartige Macht haben, dann können Sie die nicht mit demokratischen Mitteln kontrollieren, weil sie sich ja per definitionem außerhalb der Rechtsstaatlichkeit bewegen.

Wenn wir NSA-Direktor Keith B. Alexander und den nationalen Geheimdienstdirektor James R. Clapper, den US-Justizminister Eric Holder und Obama selbst befragen - dann lügen sie uns an. Sie haben die Menschen belogen, die in den Geheimdienstausschüssen sitzen. Und das ist so, weil das System selbst, die Struktur des Systems grundsätzlich falsch ist. Deshalb habe ich nicht viel Hoffnung, was die Machtbegrenzung der Nachrichtendienste angeht. Ich glaube nicht, dass der Präsident die Kontrolle über diese Vorgänge hat. Es ist wirklich deprimierend, dass ich das sagen muss, aber es ist meine Überzeugung.

Fühlen Sie sich wie ein Journalist im Exil ?

Ich fühle mich wie ein Mensch im Exil. Aber das trage ich nicht wie ein Opfer vor mir her. Ich bin nur müde. Wissen Sie, wenn man am Flughafen festgehalten wird, oder seines Eigentums beraubt wird, dann denkt man sich schon irgendwann, ob es nicht besser wäre, für eine Weile in Europa zu leben.

Und ich habe mich für Berlin entschieden. In diesem Sinne fühle ich mich wie im Exil, weil ich denke, dass ich nicht einfach in ein Flugzeug steigen könnte, um nach Hause zu fliegen. Und das raten mir auch die besten Juristen in den USA. Nicht etwa, weil ich etwas falsch gemacht hätte. Nein, ich möchte ja durchaus zurück in die Vereinigten Staaten. Aber wenn Justizminister Eric Holder sich noch nicht einmal dazu äußern will, ob Glenn Greenwald (US-Journalist, der 2013 die von Edward Snowden übermittelten Dokumente zum NSA-Programm in der britischen Tageszeitung "The Guardian" veröffentlichte, Anm. d. Red.) strafrechtlich verfolgt werden wird oder nicht; wenn Holder nicht imstande ist zuzusagen, dass ein preisgekrönter Journalist, der die wichtigste Geschichte unserer Generation geschrieben hat, keine strafrechtliche Verfolgung fürchten muss, welche Hoffnung soll ich da haben? Ich werde auch nicht nach Großbritannien reisen, nach dem, was David Miranda (dem Lebenspartner von Glenn Greenwald, Anm. d. Red.) passiert ist. Deshalb reise ich in kein englischsprachiges Land dieser Welt.

Sie wollen nicht über London fliegen?

Wenn es geht, nicht. Großbritannien hat sehr strikte gesetzliche Bestimmungen, die verhindern sollen, dass Geheiminformationen weitergegeben werden. Das hat Amerika nicht. So viel in den USA auch schief läuft, es ist nicht alles schlecht. Nur, wenn man zum Ziel von offiziellen Stellen wird, vor allem im politischen Bereich. Fast alles, was Nixon gerne getan hätte, es damals aber nicht getan hat, weil es illegal war - fast all das ist jetzt unter Obama legal.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich fühle mich nicht wie Alexander Solschenizyn (russischer Literaturnobelpreisträger und Autor von "Der Archipel Gulag", der in Lagerhaft war und dann bis ans Lebensende verbannt wurde, Anm. d. Red.). Aber ich denke, es wird wirklich lange dauern, bis sich etwas bessert und ich bin sehr traurig über diese Tatsache. Ich möchte sehr gerne nach Hause.