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Algeriens Kampf gegen die Islamisten

Rayna Breuer24. Januar 2013

Islamisten nehmen Menschen als Geiseln und fordern das Ende der französischen Intervention in Mali. Wieso passiert das aber in Algerien, wenn die Krise doch in Mali stattfindet?

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IN AMENAS, Jan. 19, 2013 (Xinhua) -- Algerian soldiers secure the airport in In Amenas before the departure of freed hostages, Algeria, Jan. 19, 2013. Algerian army's final rescue operation in the gas field of Tiguentourine freed four foreign hostages on Saturday, a security source told Xinhua. (Xinhua/Mohamed Kadri) XINHUA /LANDOV *** Verwendung nur in Deutschland und Österreich, Bitte Einschränkungen der Handelsrechte beachten!, Keine Weitergabe an Drittverwerter. ***
Bild: picture alliance/landov

Von den Medien unbeachtet, von Touristen vergessen, von westlichen Politikern vernachlässigt: Algerien, eigentlich ein geografischer Riese auf der Landkarte, wurde in den vergangenen zehn Jahren zu einem politischen Zwerg auf der internationalen Bühne. Bis kürzlich eine Gruppe radikaler Islamisten eine Gasförderanlage im Osten Algeriens besetzte und ausländische Arbeiter als Geiseln nahm. Bei der umstrittenen Befreiungsaktion durch die algerische Armee starben 37 von ihnen. Plötzlich war das Land überall in den Medien, die Welt schaute auf Algerien – überrascht, schockiert und verwirrt.

Der algerische Bürgerkrieg und seine Folgen

Die Zusammenhänge zwischen dem Konflikt in Mali und dem Geiseldrama in Algerien sind komplex und zum Teil in Algeriens Geschichte zu suchen. 1988 blockierten junge Algerier Straßen im ganzen Land. Sie wollten demokratische Reformen, eine Öffnung des Landes, Perspektiven: "Im Grunde hat der Arabische Frühling in Algerien angefangen. Sie waren die ersten, die einen massiven Aufstand angezettelt haben", sagt Asiem El-Difraoui, Nahost-Experte und Autor des Buches "Der Dschihad der Bilder". Es begann ein Prozess der vorsichtigen Öffnung.

Als sich dann bei den Wahlen Anfang der 1990er Jahre ein Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) abzeichnete, fürchtete das einflussreiche Militär eine Islamisierung des Landes und verhinderte die Machtübernahme der FIS. Die Folge war ein jahrelanger Bürgerkrieg zwischen dem bewaffneten Arm der Islamischen Heilsfront und dem Militär.

Straßenaufnahme aus dem Bürgerkrieg in Algerien. Zu sehen sind Militärs und einen Panzer auf einer belebten Straße in Algerien. (Foto: Getty Images)
Der Bürgerkrieg in Algerien kostete bis zu 200.000 Menschen das LebenBild: AFP/Getty Images

Die Rolle des Militärs

Die Armee konnte ihre dominante Stellung festigen, die Islamisten wurden an die Peripherie gedrängt: "Die gewalttätigen und bewaffneten dschihadistischen Gruppierungen haben sich mehrfach umformiert. Einige sind in Richtung Sahara gezogen, wo sie Allianzen mit terroristischen Bewegungen aus Mauretanien, Mali und Libyen in der Sahel-Region bildeten", sagt Rachin Ouaissa vom Centrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Universität Marburg.

"Das Problem mit den Terroristen, das wir heute haben, geht zurück auf den algerischen Bürgerkrieg", meint Werner Ruf, Friedensforscher und Afrika-Experte: "Das Militär hat damals im Kampf gegen die Islamische Heilsfront und ihre bewaffneten Gruppen andere islamische terroristische Netzwerke unterstützt und teilweise mit aufgebaut." Das Ziel sei damals gewesen, durch diese Gruppen Terror zu verbreiten und so alle Islamisten bei der Bevölkerung unbeliebt zu machen. Die Terrorakte dieser islamistischen Netzwerke sollten auch die grausigen Untaten, Folter und Massenmorde der algerischen Armee an der Bevölkerung verschleiern, so Werner Ruf. Bis zu 200.000 Menschen sind in diesem brutalen Bürgerkrieg getötet worden.

Rückzugsgebiet in der Sahel-Region

Das Militär hätte am Ende zwar die Islamisten besiegt und aus den großen Städten vertrieben, aber nicht vernichtet, meint der algerische Wissenschaftler Rachin Ouaissa. So haben sich zahlreiche gewaltbereite Gruppen formiert, die die strukturschwachen und menschenleeren Landschaften in der Sahel-Region an der Grenze zu Mali als Rückzugsgebiete nutzten. Dort verstecken sie sich und bauen Netzwerke mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt auf. Aus welchem Land sie stammen, ist dabei zweitrangig. Für Dschihadisten steht die Ideologie im Vordergrund. "Bei dem Geiseldrama auf dem Gasförder-Gelände in Algerien kamen die Terroristen aus acht Ländern, es gab Tunesier, Nigrer, Ägypter, angeblich auch einen aus Kanada", sagt William Lawrence, Afrika-Experte von der International Crisis Group, einem internationalen Think Tank.

Rachin Ouaissa vom Centrum für Nah- und Mittelost-Studien an der Universität Marburg. (Foto: privat)
Rachin Ouaissa vom "Centrum für Nah- und Mittelost-Studien"Bild: Rachin Ouaissa

Die Forderungen der Kidnapper bezogen sich klar auf den Konflikt in Mali. "Als die Angreifer gesagt haben, dass der Grund dafür die Lage in Mali sei, haben sie es geschafft, dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen", meint Lawrence.

Angst vor dem Dschihad?

Der Intervention in Mali steht der Experte skeptisch gegenüber: "Die Franzosen sprechen jetzt davon, die Dschihadisten aus dem Land nach Norden vertreiben zu wollen", sagt Lawrence. "Wohin sollen nun diese Dschihadisten? Zurück nach Algerien, woher die meisten auch stammen?" Dabei hätten doch die Algerier zehn Jahre dafür gebraucht, die Islamisten gen Süden zu vertreiben. Eher sei eine tiefgründigere Strategie im Kampf gegen den radikalen Islam auf dem Kontinent notwendig.

Der Afrika-Experte William Lawrence (Foto: Crisis Group)
Der Afrika-Experte William LawrenceBild: Crisis Group

Eine Bedrohung für Algeriens politische Stabilität sieht Lawrence nicht. Bei den letzten Wahlen mussten die islamistischen Parteien Verluste hinnehmen. Das Militär ist immer noch sehr präsent im Land, wie es auch bei der blutigen Beendigung der Geiselnahme in der Gasförderanlage gezeigt hat.