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Alexis Tsipras - Der nette Taktiker von nebenan

Jannis Papadimitriou26. Januar 2015

Der griechische Linkspolitiker Alexis Tsipras gilt als Meister der Realpolitik. Er ist charismatisch und freundlich im persönlichen Umgang. Wer ist der Mann, der die neue Regierung in Athen anführt?

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Alexis Tsipras, Chef der Syriza-Partei, Griechenland (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Mehrheiten schaffen und verteidigen - dieses Motto prägt das politische Handeln von Alexis Tsipras. Dafür spricht sein ganzer Lebenslauf. Ausgerechnet im historischen Wendejahr 1989 sieht sich der damalige Schülersprecher Tsipras veranlasst, in die Jugendorganisation der kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) einzutreten. Sie vertritt konsequent orthodox- kommunistische Positionen und führt heute noch Hammer und Sichel im Parteiwappen. Erste Meriten erwirbt er sich als Mitorganisator von Schulbesetzungen in Athen, die er in einem TV-Interview eloquent verteidigt. Wenige Jahre später findet er sich in der damals aufkommenden Koalition der Linken und des Fortschritts wieder - einer Vorgängerpartei der heutigen Linksopposition Syriza.

Sein großer Moment kommt bei der griechischen Kommunalwahl 2006: Der damalige Chef der linken Koalition Alekos Alavanos hat seine bis dahin als Debattierkreis verschriene Partei für außerparlamentarische Strömungen, grüne Aktivisten und Basisbewegungen geöffnet und braucht dringend ein frisches, unverbrauchtes Gesicht für den Wahlkampf. Die Entscheidung fällt auf den damals 32-jährigen Tsipras, der in Athen für den Bürgermeisterposten kandidiert und eine kleine Wahlsensation liefert: 10,5 Prozent der Athener wählen die Linkspartei, drei Mal so viele wie bei der vorangegangenen Parlamentswahl 2004.

Auf dem Weg zur Volkspartei

Der Name Alexis Tsipras ist seitdem gesetzt und aus dem Alltag griechischer Politik nicht mehr wegzudenken. Beim Syriza-Parteitag 2008 tritt der gesundheitlich angeschlagene Vorsitzende Alavanos zurück und hievt seinen Schützling Tsipras an die Parteispitze - gegen harten Widerstand der etablierten Parteigrößen. Ex-Justizminister Fotis Kouverlis, ein anderer Aspirant auf hohe Positionen, verlässt das Linksbündnis daraufhin im Zorn und gründet seine eigene Gruppierung. Der nächste, der geht, ist Altkommunist Alavanos. Der neue Hoffnungsträger Tsipras zögert keinen Moment, seinen politischen Ziehvater fallen zu lassen, als dieser anscheinend gegen die neue Parteilinie von Tsipras auftritt. Grund für den innerparteilichen Krach sind vermutlich Personalien und unterschiedliche Ansichten zur Frage der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands.

Alekos Alavanos, Linke Koalition, Griechenland 2007 (Foto: picture alliance/dpa)
Einst politischer Ziehvater: Alekos AlavanosBild: picture-alliance/dpa

Alavanos plädiert lautstark für die Rückkehr zur Drachme und gründet seine eigene Partei mit dem bezeichnenden Namen Plan B. Über den Konflikt mit Tsipras will er bis heute kaum sprechen. Unterdessen arbeitet Tsipras mühsam an der Bildung einer neuen linken Volkspartei durch den Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen und Strömungen, die im Parteijargon "die Komponenten von Syriza" heißen und auf eine besonders hohe Autonomie pochen. Zu den Komponenten gehören Trotzkisten, Maoisten, Euro-Kommunisten, Ökosozialisten, Linksintellektuelle und andere Gruppen, die alle ihre eigenen Akzente in der Arbeit der Parteiführung setzen wollen. Dass Tsipras die Partei überhaupt zusammenhalten kann, gilt schon als taktische Meisterleistung.

Im Vorraum der Macht

Doch Tsipras kann auch freundlich sein. Er lebt bescheiden in der Athener Innenstadt mit seiner Jugendliebe und seinen zwei Söhnen, mischt sich gern unters Volk, fährt am liebsten Motorrad. Im persönlichen Umgang ist er nett und direkt. Weniger gemütlich wird es allerdings, wenn er neue Mehrheiten schmiedet: Tsipras lässt kaum Zweifel daran, dass er nach der Parlamentswahl bei Bedarf bereit wäre, selbst mit der rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen zu koalieren, wenn sich sonst kein williger Partner fände. Die beiden Parteien eint eine scharfe Rhetorik gegen die Sparauflagen sowie eine besonders kritische Einstellung gegenüber Deutschland. Eine Allianz mit seiner ehemaligen Partei, den orthodoxen Kommunisten, kann sich Tsipras ebenfalls vorstellen.

Griechenland Symbolbild Drachmen und Euro (Foto: picture alliance/dpa)
Drachme oder Euro? Die Frage sorgte für ParteikrachBild: picture-alliance/dpa

Ganz für bare Münze sollte man die Aussagen zu seinen bevorzugten politischen Allianzen aber doch nicht nehmen. Das hat sein einstiger innerparteilicher Konkurrent Fotis Kouvelis, heute Vorsitzender einer sozialdemokratischen Oppositionspartei, vor wenigen Wochen erfahren müssen. Vor dem gescheiterten dritten Wahlgang der Präsidentenwahl am 29. Dezember 2014 hatte es Spekulationen gegeben, dass sämtliche Abgeordnete der Kouvelis-Partei im Parlament für den Kandidaten der Regierungskoalition Stavros Dimas stimmen werden, damit er die nötige Mehrheit fände und vorgezogene Neuwahlen abgewendet würden. Daraufhin stellte Tsipras den Sozialdemokraten von Kouvelis eine Partnerschaft in Aussicht - mit der zwischen den Zeilen gemeinten Warnung, bloß nicht für Dimas zu stimmen und den Regierungsambitionen der Linkspartei in die Quere zu kommen. Kaum war die gescheiterte Präsidentenwahl vorbei, verschwand auch die Allianz mit Kouvelis von der politischen Agenda Griechenlands.

Griechenland Wahlurne 2012 (Foto: Getty Images)
Tsipras wollte sie unbdingt: Vorgezogene NeuwahlenBild: Milos Bicanski/Getty Images

Ob Tsipras auch auf europäischer Bühne seiner eigenen Rhetorik verhaftet bleibt oder bei Bedarf eine Wende vollzieht, ist die große Frage. Aufmerksamen Beobachtern dürfte nicht entgangen sein, dass der Linkspolitiker in den vergangenen Wochen sanftere Töne eingeschlagen hat und ausdrücklich versichert, er strebe keine einseitigen Schritte an. Selbst mit einem ausgeglichenen Haushalt können sich Syriza-Politiker mittlerweile anfreunden.