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"Abdullah bedroht demokratischen Machtwechsel"

Gabriel Domínguez20. Juni 2014

Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah hat seine Kooperation mit der Wahlkommission beendet. Im Falle eines Wahlsieges seines Rivalen Ashraf Ghani befürchtet Experte Michael Kugelman den Ausbruch von Gewalt.

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Abdullah Abdullah, Präsentschafts-Kandidat in Afghanistan (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Abdullah droht damit, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen, weil trotz seines Vorwurfs, es gebe massiven Wahlbetrug, die Stimmenauszählung weitergeht. Welches Motiv könnte er für sein Vorgehen haben?

Michael Kugelman: Eine Möglichkeit ist, dass er wirklich davon ausgeht, dass massiver Wahlbetrug stattgefunden hat. Und damit könnte er sogar in gewisser Weise auch Recht haben. Äußerst mysteriöse Ergebnislisten wurden über soziale Netzwerke verbreitet, die zu zeigen scheinen, dass Ashraf Ghani eine erstaunlich hohe Anzahl an Stimmen erhält.

Es ist unklar, woher diese Listen stammen, aber schon ihre bloße Existenz macht misstrauisch. Es ist schwer zu glauben, dass Abdullah zu einem solch dramatischen Schritt greift und die Ergebnisse zu einem solch frühen Zeitpunkt nicht anerkennt, ohne dass er gute Gründe hat, dass es massiven Betrug gibt.

Eine andere Möglichkeit - eine, die Abdullah in ein ungünstigeres Licht stellt - ist, dass Abdullah davon ausgeht, dass er in der Stichwahl nicht besonders gut abgeschnitten hat. Und auch dafür gibt es durchaus Anhaltspunkte. Augenzeugen zufolge gab es eine auffallend hohe Wahlbeteiligung in Paschtunen-Regionen. Davon würde Ghani profitieren.

Gibt es irgend jemanden, der Abdullahs Betrugsvorwürfe bestätigen konnte?

Nein. Auch deshalb ist Abdullahs Verhalten so unerklärlich. Er hat dramatische Anschuldigungen erhoben, ohne substantielle Beweise vorzulegen. Und um die Integrität des Wahlprozesses zu gewährleisten, werden die afghanischen Wahlbeauftragten wahrscheinlich diesen Vorwürfen erst nachgehen, wenn alle Stimmen ausgezählt sind.

Abdullah hat behauptet, der Wahlprozess sei nicht rechtmäßig. Gibt es irgendwelche Gründe, die Legitimität der Wahlkommission (IEC) anzuzweifeln?

Wenn man die weitverbreitete Korruption in Afghanistan in Betracht zieht, dann gibt es sicher Grund, sich Sorgen zu machen. Davon abgesehen, haben Afghanistan und seine Geberländer gewaltige Mittel in die Unabhängige Wahlkommission (IEC) und ähnliche Institutionen investiert, um sie sauberer und transparenter zu machen. Solange Abdullah keine Beweise für seine Vorwürfe präsentiert, kann man nicht behaupten, dass sich die IEC rechtswidrig verhält.

Michael Kugelman, (Foto: C. David Owen Hawxhurst / WWICS
Kugelman: "Bislang keine Beweise"Bild: C. David Owen Hawxhurst / WWICS

Stellen Abdullahs Vorwürfe den ersten demokratischen Machtwechsel in Frage?

Noch nicht, doch es ist durchaus möglich und könnte den demokratischen Übergangsprozess gefährden. Nach Abdullahs Betrugsvorwürfen würde ein ofizieller Wahlsieg Ghanis von Abdullahs Anhängern durch die Bank abgelehnt werden. Damit würde die Gefahr eines Gewaltausbruchs sprunghaft ansteigen. Letztendlich käme es dann auf Abdullah selbst an. Wenn er zu Besonndenheit aufruft, würde die Gefahr von gewaltsamen Unruhen mit Sicherheit abnehmen - auch wenn sie nicht ganz verschwinden würde. Wenn er seine Anhänger aber dazu aufruft, auf die Straße zu gehen, dann könnten daraus jede Menge Probleme entstehen.

Könnte Abdullahs Vorgehen die gesamte Wahl gefährden?

Zurzeit nicht, denn die Auszählung geht weiter. Die IEC wird die Stimmenauszählung nicht unterbrechen, um jetzt Fälschungsvorwürfen nachzugehen.

Prsäidentschaftswahl in Afghanistan Stimmenauszählung in Mazar-I-Shariff am 14.06.2014 (Foto: Reuters)
Stimmenauszählung in Mazar-I-ShariffBild: Reuters

Michael Kugelman ist Afghanistan-Experte am Woodrow Wilson Center in der US-Hauptstadt Washington.