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Platte auf Sansibar

2. November 2009

Auch wenn von der sozialistischen Idee auf Sansibar nichts mehr übrig ist, ein Andenken an die einstige Verbrüderung mit der DDR ist der Insel bis heute geblieben: Straßenzüge voller Plattenbauten.

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Plattenbauten in Sansibar, Foto: Stefanie Duckstein
Modernes Wohnen für eine moderne Republik!Bild: Stefanie Duckstein
Die Altstadt Stonetown Sanisbar, Foto: Stefanie Duckstein
Ostalgie, wo man sie nicht vermutet: SansibarBild: Stefanie Duckstein

Während der Monsun die Fischerboote vor der sansibarischen Küste über das Meer peitscht, freut sich Mkemimi Amir Mgeni auf ihr Zuhause. Der Wind zerrt an ihrem Schleier, Mkemimi legt noch einen Schritt zu. Sie lässt Stone Town, die arabische Altstadt, hinter sich und folgt der Creek Road etwa zehn Gehminuten gen Süden. Dort schälen sich aus dichtem Blätterwerk dreigeschossige Zementbauten. Glatte Fassaden und Flachdächer, Block für Block, etwa zwölf an der Zahl. "Ein Geschenk der DDR an das sozialistische Brudervolk Sansibars", erzählt Mkemimi Amir Mgeni, legt den Schleier noch etwas fester um ihr Gesicht und setzt nach: "Das sind die Früchte der Revolution."

Brüderlich geteilt

Das Sultanat Sansibar war über Jahrhunderte in arabischer Hand. 1964 putschten sich Anhänger der afrikanischen Landbevölkerung an die Macht und Präsident Abeid Karume rief die "Volksrepublik Sansibar" aus. Eine der ersten Amtshandlungen des Präsidenten – so erzählt man sich – war die diplomatische Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik. Die DDR bedankte sich mit einem groß angelegten Wohnungsbauprojekt namens "Kikwajuni": "Modernes Wohnen für eine moderne Republik!" Präsident Karume wollte Schneisen, Achsen, Monumente - genauso, wie er es gesehen hatte in den Metropolen Osteuropas. Ein halbes Jahr später war Grundsteinlegung: Fachpersonal, Baufahrzeuge, Kies und Steine für 150 Neubauwohnungen wurden eingeschifft. Die DDR bezahlte.

Plattenbauten in Sansibar, Fotos: Duckstein
Nachhaltiges Geschenk: Sansibars Präsident erkannte die DDR an und die bedankte sich mit dem Wohnungsbauprojekt "Kikwadjuni".Bild: DW

Drei Zimmer, Küche, Bad

Mkemimi biegt scharf links ab in einen Hausflur. Seit ihrem sechsten Lebensjahr wohnt sie hier in Kikwajuni, Block K, erster Stock links, Wohnung K9. Damals riss der Staat ihr Haus aus Lehm und Holz – wie das vieler anderer - ab und bot ihren Eltern als Entschädigung diese Drei-Zimmer-Wohnung an. Heute lebt Mkemimi, 48, Verwaltungsangestellte beim Informationsministerium, hier mit ihrem Sohn und ihrem Bruder. Ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, auf dem Balkon erkämpfen sich Bananenpflanzen ihren Raum, aus der Kammer dringt ein leises Fiepen. Ja, es ist ihr ein wenig unangenehm, aber hier hält sie ein paar Küken. Für einen Garten sei eben kein Platz mehr. Es gefällt ihr hier, sagt sie, auch wenn einiges im Argen liege.

Mkemimi Amir Mgeni, Foto: Stefanie Duckstein
Zuhause im Plattenbau: Mkemimi Amir MgeniBild: DW

Mkemimi versinkt in den Kissen einer großen Couchgarnitur. Die Rosen auf ihrem Kleid verschwimmen mit dem Blumenmuster des Sofas. In ihrem Rücken steht eine Schrankwand mit Porzellangeschirr und DVD-Player. Und eine Gaslampe, falls der Strom ausfällt. "Damals haben wir noch bezahlt für Strom und Wasser. Aber seit etwa zehn Jahren gibt es hier kein Wasser mehr. Hier oben kommt das Wasser nicht an. Wir können bezahlen, aber nur wenn es auch funktioniert", sagt sie. Damals, 1964, gehörten zu jeder Wohnung Strom und fließend Wasser. Auch ein Herd und ein Kühlschrank. Der Herd funktioniert schon lange nicht mehr und in den Küchen züngeln heute die Flammen der Holzkohleöfen. Das Wasser holt sich Mkemimi in Kanistern von unten von der Pumpe. Nein, sie schüttelt den Kopf, Miete bezahlen sie nicht.

Von Präsident zu Präsident


Und heute, über 40 Jahre später? Folgt man der Mugheiri Road gen Osten, einer der Prachtstrassen Sansibars, vierspurig mit begrüntem Mittelstreifen, wird man links und rechts flankiert von nagelneuen Neubaublocks. In ocker und dunkelblau ruhen sie noch unbewohnt am Straßenrand: "Michenzani", begonnen in den 1970er Jahren vom ersten Präsidenten Sansibars, Abeid Karume. Fertig gestellt von Amani Karume, seinem Sohn und jetzigen Präsidenten. Beim Ministerium liegt eine Liste mit Namen derer, die einziehen dürfen.

Schild auf Sanisabr, das an die einstigen Beziehungen der DDR erinnert, Foto: Duckstein
"Njumba za Wajerumani" - Die "Häuser der Deutschen": "Dieser Wohnkomplex bestehend aus 150 Wohnungen wurde von der Deutschen Demokratischen Republik für das Volk in Sansibar errichtet im Jahr 1964 bis 1966", steht auf dem Schild.Bild: DW


Autorin: Stefanie Duckstein

Redaktion: Ina Rottscheidt