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Datensicherheit als Wettbewerbsvorteil

Marcel Fürstenau24. Juni 2014

Bundesinnenminister de Maizière hält die Gefahren der digitalen Welt für beherrschbar und sieht darin Potenziale für die Wirtschaft. Auch sonst betont er trotz der NSA-Affäre lieber die Chancen - oder gerade deswegen.

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Aktenordner mit einem Schloss versehen symbolisieren das Thema Datenschutz (Foto: Hans Wiedl)
Bild: picture-alliance/ZB

Über den US-Geheimdienst NSA spricht Thomas de Maizière (CDU) dieser Tage nicht so gerne. Irgendwie ist das auch verständlich. Denn seit den Enthüllungen Edward Snowdens ist es ziemlich schwierig geworden, einigermaßen entspannt über das weite Feld des Datenschutzes zu reden. Also nutzt der deutsche Innenminister lieber die Gelegenheit, auf der zweitägigen "Computas"-Konferenz in Berlin vor einem sachverständigen Publikum seine Vorstellungen zu Datenschutz und Datensicherheit darzulegen.

Das Reizwort NSA aber nimmt er dort nur auf Nachfrage in den Mund. Ansonsten übt er sich, wie schon bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes wenige Tage vorher, in Zurückhaltung. Christdemokrat de Maizière widmet sich mehr dem großen Ganzen und versucht, der "Krise" eine positive Bedeutung zu geben. Das Wort alt-griechischen Ursprungs bedeute schließlich so viel wie "Entscheidung" oder auch "entscheidende Wendung". In welche Richtung sie im Fall der Digitalisierung in Deutschland ausfalle, "das hängt auch von uns ab", sagt der Innenminister.

"Den Kampf um die Privatsphäre nicht aufgeben"

Dass sich die meisten Menschen viel zu sorglos im digitalen Raum bewegen, dieser Einschätzung de Maizières ist schwerlich zu widersprechen. So hätten 80 Prozent der Smartphone-Nutzer in Deutschland keinerlei Schutz-Software installiert, und sogar 95 Prozent verschlüsselten vertrauliche Mails und geheime Dokumente nicht: "Das macht sie verwundbar für Virenangriffe und das Abfischen von Kontendaten." Ob de Maizière in diesem Zusammenhang auch an Geheimdienste wie die "National Security Agency" (NSA) denkt, behält er lieber für sich.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (Foto: dpa)
Innenminister de Maizière betont lieber die Chancen als die Risiken des InternetsBild: picture-alliance/dpa

So oder so - Kriminelle haben meistens leichtes Spiel. "Hier muss sich etwas ändern!", fordert der Innenminister. Das aber könne und wolle er nicht staatlich verordnen. Diese Haltung bedeute jedoch nicht, dass die Politik nur viel diskutiere und wenig handle. Das Internet müsse weiterhin Raum für eine freie Persönlichkeitsentfaltung bieten. Es folgt ein Satz, bei dem die meisten wohl zuerst an die weltweite Ausspähung des Internets durch die NSA denken: "Ich werde den Kampf für das Fortbestehen der Privatsphäre nicht aufgeben."

Vertrauen als wichtige wirtschaftliche Währung

De Maizière meint das grundsätzlich und hat beim Stichwort "Datenmissbrauch" eher große Internet-Unternehmen als Geheimdienste im Sinn. Deren Datenhunger, etwa bei der Profilbildung von Internetnutzern, hält der Minister für besonders gefährlich. Und ob die Konzerne nun "Google" heißen oder "Facebook" - sie alle leben nach de Maizières Überzeugung vor allem vom Vertrauen ihrer Kunden. Und das sei die "wichtige wirtschaftliche Währung" im Internet, ein "Wettbewerbsfaktor" der Digitalisierung.

Dass seine Botschaft auch in den USA gehört wird, davon gibt sich de Maizière überzeugt. Als der deutsche Innenminister vor wenigen Wochen zu politischen Gesprächen in Washington war - offiziell ein "Routine-Besuch" - traf er auch Vertreter mächtiger IT-Konzerne. Und die wüssten: "Das Vertrauen der Nutzer ist die Basis ihres geschäftlichen Erfolgs."

Werben für den "digitalen Radiergummi"

Die Amerika-Visite fiel zeitlich mit dem sogenannten "Google"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zusammen. Demnach müssen Suchmaschinen-Anbieter unter bestimmten Voraussetzungen Internet-Einträge löschen. De Maizière fühlt sich durch den Richterspruch bestätigt. Als er vor vier Jahren in einer netzpolitischen Grundsatzrede die Notwendigkeit des Rechts auf Vergessen und einen "digitalen Radiergummi" ins Spiel gebracht habe, sei das für die einen eine Anmaßung der Politik, für die anderen die techniknaive Träumerei eines Menschen gewesen, der nicht zur Generation der "digital natives" gehöre. Vielleicht war der inzwischen 60-Jährige damals seiner Zeit voraus. Selbstbewusst verweist er heute auf die digitale Agenda der Bundesregierung: IT-Sicherheit, Datenschutz, Wirtschaftsschutz, Bekämpfung von Cyber-Kriminalität und Cyber-Spionage, Regelung neuer verfassungsrechtlicher Fragen.

Zahlenkolonnen, die aus Telefonnummern und Datumsangaben bestehen, symbolisieren die Vorratsdatenspeicherung (Foto: Armin Weigel dpa/lby)
Wer telefoniert wann mit wem? Diese Form der massenhaften Datenspeicherung ist verboten.Bild: picture-alliance/dpa

Wer will, kann in dieser Aufzählung verklausuliert auch einen Hinweis auf die NSA-Aktivitäten in Deutschland finden. Dazu würde auch de Maizières Ankündigung passen, Deutschland in den kommenden Jahren zum "führenden digitalen Standort in Europa" auszubauen, um sich in der Welt zu behaupten. Ein wichtiger Baustein soll dabei die neue Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union sein, die gerade von den 28 EU-Mitgliedsstaaten verhandelt wird. Aus Sicht de Maizières bietet die Verordnung eine "Chance zur Harmonisierung des Datenschutzes in Europa".

Ringen um eine europäische Datenschutz-Grundverordnung

Darauf hofft auch die Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Andrea Voßhoff. In diesem Zusammenhang die NSA-Affäre zu erwähnen, bereitet ihr keine Probleme - im Gegenteil: "Diese Vorgänge müssen zeitnah und umfassend aufgeklärt werden", fordert Voßhoff. Nötig sei ein rechtlicher Rahmen, der "möglichst globale Geltung hat". Deutschland müsse vor dem Hintergrund seiner langen Datenschutz-Tradition eine "führende Rolle" bei der EU-Datenschutz-Grundverordnung einnehmen.

Dass sich Europa mit diesem sensiblen Thema seit jeher schwertut, ist spätestens seit dem jahrelangen Streit um die Vorratsdatenspeicherung bekannt. Die entsprechende EU-Richtlinie erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Frühjahr für verfassungswidrig. Überlegungen zahlreicher EU-Staaten, die Vorratsdatenspeicherung auf eine neue gesetzliche Grundlage zu stellen, hält der österreichische Verfassungsexperte Gerhard Kummert für "reines Wunschdenken in Ministerien". Das EuGH-Urteil lasse keine Spielräume für nationale Gesetzgeber. Als der Gast aus Wien seine Überzeugung zum Besten gibt, widerspricht niemand. Thomas de Maizière ist zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht anwesend.