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Mehr weißes Gold

11. Juni 2011

Mali in Westafrika ist eines der ärmsten Länder der Welt. 80 Prozent der Malier leben von der Landwirtschaft. Sie ist der Schlüssel zum Wohlstand. Vor allem der Reisanbau wird gefördert - auch da, wo es kaum Wasser gibt.

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Reisernte in Mali: Zwei Frauen im Feld (Foto: Nicole Scherschun)
Harte Arbeit für Sali und Djoma DiarraBild: DW

Flink flitzen ihre Hände von einem Halm zum anderen, fast verschwinden die beiden dünnen Frauen in einem Meer aus gold-gelben Büscheln. Sali und Djoma Diarra haben sich Tücher um den Kopf gebunden. Ihre T-Shirts sind dreckig und löchrig von der täglichen Arbeit auf dem Feld. Fest ergreifen sie die Büschel und ziehen sie aus der Erde. Innerhalb weniger Minuten haben die beiden ein Bündel Reis geerntet - ihren traditionellen Reis hier im Bélédougou, 30 Minuten von der malischen Hauptstadt Bamako entfernt.

Kein Fluss und trotzdem viel Reis

Zwei Reisbäuerinnen (Foto: Nicole Scherschun)
Reis bestimmt ihr Leben: Sali und DjomaBild: DW

Seit Generationen baut die Familie von Djoma Diarra Reis an. "Der Reis spielt eine große Rolle in unserem Leben. Unsere Kultur ist darauf ausgerichtet, Reis zu essen", sagt die Mutter von zwei Kindern. Für sie bedeuten die weißen Körner alles: Arbeit und Nahrung. Mali verfügt über genügend Anbauflächen, um die Landwirtschaft zu intensivieren. Doch oft fehlt es an finanziellen Mitteln, um die Lage von Landwirten wie Sali und Djoma Diarra zu verbessern.

Die Region Bélédougou ist nicht gerade bekannt für Reisanbau. Der große Fluss Malis, der Niger, macht einen Bogen um das Gebiet. Die Reisernten reichten oft noch nicht einmal für die eigene Familie aus. Von ihren kleinen Einkommen mussten die Bewohner Reis und Hirse oft auf den Märkten zukaufen. Doch in diesem Jahr sei der Anbau viel einfacher gewesen als im vorherigen, meint Sali Diarra. Sie hätten auch mehr Reis angebaut als sonst. Wenn der Ertrag im nächsten Jahr weiter steige, könnte sie sogar etwas von der Ernte verkaufen, hofft Sali Diarra. "Wir wollen auch unsere Felder vergrößern. Am Ende wollen wir uns komplett selbst versorgen können", wünscht sich Sali Diarra. Dass sie solche Pläne schmieden kann, verdankt sie einem Staudamm.

Ein großer, künstlicher See für die Landwirte

Ein Mann auf einem kleinen Staudamm (Foto: Nicole Scherschun)
Der Chef begutachtet das Bauwerk – Kekouta SissikoBild: DW

Der Damm, der in der Nähe des Dorfes Sonykegny liegt, sammelt das Wasser eines kleinen Baches und die Regenfälle. "Bevor es den Damm gab, haben die Landwirte auch Reis angebaut, aber es gab nicht genug Wasser", erklärt Kekouta Sissoko, der Chef des Projekts. Nun fängt der Damm das Wasser unterirdisch auf. Eine Membran in der Erde hält es vom Versickern ab. Insgesamt gibt es vier Staudämme in der Gegend, die alle zwischen 2005 und 2008 erbaut worden sind. Die Anbaufläche ist seitdem von 200 auf 670 Hektar gestiegen.

Der ded, der Deutsche Entwicklungsdienst, betreut das Projekt seit einem Jahr und will vier weitere Staudämme und Straßenpisten bauen lassen, um die Ernten abtransportieren zu können. Vorrangiges Ziel des Projekts IPRO-DB, das für "Irrigation de Proximite au Pays Dogon et dans le Beledougou" steht, ist die Sicherung der Lebensmittelversorgung.

Von allen wird Engagement erwartet

Grüne Reisfelder (Foto: Nicole Scherschun)
Es grünt überall im BélédougouBild: DW

Die Landwirte werden bei der Bewirtschaftung ihrer Felder von den Mitarbeitern des Projekts beraten. Sie sollen nach Ende der Projektlaufzeit 2012 die Dinge selbst in die Hand nehmen. Das Zauberwort heißt Partizipation. "Jeder Staudamm hat sein eigenes Verwaltungskomitee, um den Damm Instand zu halten", erklärt Kekouta Sissoko. "Die Leute müssen die Probleme selbst sehen. Erst wenn man sie finanziell und physisch teilhaben lässt, begreifen sie, dass sie es für sich selbst machen." Die finanzielle Unterstützung der Bevölkerung ist derzeit allerdings noch symbolisch. Jeder Bewohner gibt, was er kann. Die Kosten des Projekts belaufen sich in drei Jahren auf fünf Millionen: unbezahlbar für die arme ländliche Bevölkerung.

Bürgermeister Issa Diarra vor dem Rathaus (Foto: Nicole Scherschun)
Stolz auf seine Kommune: Bürgermeister Issa DiarraBild: DW

Umso wichtiger ist die Einbeziehung der kommunalen und dörflichen Verwaltung - vor allem des Bürgermeisters. Issa Diarra ist das Bindeglied zwischen den Projekt-Mitarbeitern und der Bevölkerung. Er unterstützt die Kommunikation. Doch wie die Kommune den Staudamm allein Instand halten und die Infrastruktur allein ausbauen will, wenn das Projekt ausläuft, weiß er nicht.

In den Jahren zuvor seien die kommunalen Einnahmen sehr schlecht gewesen. Die Ernte bestimmt die Steuereinnahmen. "Zuvor hatten wir eine sehr trockene Periode. Mit dem Geld, das die Leute hatten, haben sie Hirse gekauft, um ihre Kinder zu ernähren", erklärt Diarra. "Jetzt erlaubt uns der verbesserte Reisanbau bessere Ernten und Einnahmen." Alle hoffen auf ein dickes Plus, doch die ländliche Entwicklung schreitet nur langsam voran.

Kleine Hilfe vom Staat

Seydou Coulibaly an seinem Schreibtisch (Foto: Nicole Scherschun)
Reis ist ein wichtiges Nahrungsmittel, weiß CoulibalyBild: DW

Wie in der Region Bélédougou könnte Reisanbau für viele die Lösung ihrer Probleme bedeuten: als Nahrungsgrundlage und als Einnahmequelle im Verkauf. Das hat auch die Regierung erkannt. "Unsere Idee war, den Reisanbau zu intensivieren, die Produktion so anzuschieben, dass wir sie in den ersten Jahren der 'Initiative Reis' verdoppeln können", meint Seydou Coulibaly, Leiter der "Initiative Reis" des Landwirtschaftsministeriums. Die Reissamen und der Dünger wurden zu 60 Prozent subventioniert. Vorher kostete ein Sack Dünger 22.000 bis 25.000 Franc CFA, nun nur 12.500. Das entspricht etwa 19 Euro.

"Das war eine große Erleichterung für die Bauern. Das war auch ein Argument für viele, um Reis überhaupt anzubauen", meint Seydou Coulibaly. Die Initiative Reis hat 34,5 Milliarden Franc CFA gekostet, fast 54 Millionen Euro - zu gut einem Drittel vom Staat getragen, der Rest kam von den technischen und Finanzpartnern und den Reisproduzenten. Die Reis-Produktion konnte seither deutlich gesteigert werden. 2008/2009, im ersten Jahr der Kampagne, stieg die Produktion von Rohreis immerhin auf rund 1.600.000 Tonnen an, während es im Erntejahr zuvor nur etwas mehr als eine Million Tonnen waren. Doch das malische Potenzial war und ist noch längst nicht ausgeschöpft.

Freie Wirtschaft - nicht immer zum Vorteil des Konsumenten

Der Reisverkäufer Madu Diarra ist der Meinung, die Regierung habe noch nicht genug getan. "Nach der Initiative Reis gibt es zwar nun viel mehr Reis auf dem Markt. Aber der Preis ist immer noch zu hoch. Der Staat muss den Bauern noch mehr helfen, damit sie noch mehr produzieren und die Preise sinken." Doch der Staat könne in der freien Wirtschaft nicht viel machen, außer aufklären, meint Seydou Coulibaly. Auch die Bauern müssten ihre Kosten decken, sie könnten nicht unter Preis verkaufen. "In der gesamten westafrikanischen Region ist der Reispreis in Mali nun seit drei Monaten der niedrigste", sagt Seydou Coulibaly.

Reissäcke bei einem Reisgroßhändler (Foto: Nicole Scherschun)
Beim Reisgroßhändler: Reis aus Mali und aus AsienBild: DW

Trotzdem will die Regierung in den nächsten Jahren ihre Initiative auf Mais und Baumwolle ausweiten. Auch die Mitarbeiter des Projekts IPRO-DB im Bélédougou wollen mehr Bewässerungsfelder anlegen, weiter Staudämme bauen und Straßenpisten - alles, um die ländliche Entwicklung langsam aber stetig voranzutreiben.

Autorin: Nicole Scherschun
Redaktion: Julia Kuckelkorn