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Das Warten auf Post aus Athen

18. Februar 2015

Griechenland will nun doch um eine Verlängerung des EU-Hilfsprogramms bitten. Doch entgegen ersten Ankündigungen will Athen den Antrag erst am Donnerstag einreichen. Unklar bleiben mögliche Forderungen Athens.

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Tsipras Vereidigung als neuer Premierminister 26.01.2015 Athen
Bild: AFP/Getty Images/A. Messinis

Die Ankündigung Athens für eine entsprechenden Antrag auf Verlängerung der EU-Kredithilfen sei zur Kenntnis genommen worden, sagte Martin Jäger, Sprecher des Finanzministeriums, am Mittwoch in Berlin. Der Bundesregierung lägen weiter keinen genauen Pläne Griechenlands für eine mögliche Verlängerung der Kredithilfen vor: "Wir wissen nicht, wie der Antrag auf Verlängerung seitens der griechischen Regierung aussieht, wenn er denn gestellt wird."

Ein entsprechendes Antrag-Schreiben würde bei Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingehen. Der Sprecher von Ressortchef Wolfgang Schäuble bekräftigte, dass eine Verlängerung des Hilfsprogramms weiter an Bedingungen geknüpft sei. Es gebe eine klare Übereinkunft aller anderen 18 Euro-Länder. "Davon gibt es überhaupt nichts zurückzunehmen." Es könne keine Verlängerung geben, ohne dass zugesagte Reformen eingehalten werden.

"Entscheidender Punkt"

Nach Darstellung der griechischen Regierung befinden sich die Verhandlungen im Schuldenstreit mit den Euro-Partnern in einer kritischen Phase. "Wir sind an einem entscheidenden Punkt dieser Verhandlungen", sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mittwoch. Er hoffe, dass Schwierigkeiten bewältigt werden könnten. Erstmals sei es gelungen, eine "positive Haltung zu unseren Wünschen" zu erzeugen, fügte er hinzu.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem loten mit der neuen griechischen Regierung Wege für eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms aus. "Ich arbeite gemeinsam mit dem Präsidenten der Eurogruppe daran, eine Verlängerung des bestehenden Programms zu erreichen, um die Zeit bis zum Sommer zu überbrücken", sagte Juncker in einem Interview der "Wirtschaftswoche". Bis dahin sollten die Euro-Partner in der Lage sein, sich mit der Regierung in Athen auf ein neues Reform- und Wirtschaftsprogramm für Griechenland zu einigen.

Der Kommissionspräsident als Vermittler

Laut "Wirtschaftswoche" hat sich Juncker im Streit zwischen dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und den internationalen Geldgebern als Vermittler eingeschaltet. Bei den Verhandlungen sei ihm auf griechischer Seite bisher noch keine hochgradige Erfahrung begegnet, fügte Juncker hinzu. Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis hatte bei den Treffen der Eurogruppe am Montag und am vorigen Mittwoch mit seinem Vorgehen Kritik bei vielen seiner Kollegen aus den anderen Euro-Ländern hervorgerufen.

Die Steuereinnahmen brechen weg

Ebenfalls am Mittwoch berichtete die konservative griechische Zeitung "Kathimerini", Athen habe nur noch bis spätestens Anfang März Geld, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Säumige Steuerzahler ließen Griechenlands Staatskassen ausbluten, die Steuereinnahmen blieben hinter den Erwartungen zurück. Allein im Januar erreiche das sogenannte "Schwarze Loch" eine Milliarde Euro, hieß es.

Am Vortag hatte die Notenbank (Bank of Greece) mitgeteilt, die Regierung habe im Januar ein Defizit von 217 Millionen Euro verbucht, nach einem Überschuss von 603 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Grund für die schlechte Entwicklung waren nach Schätzungen der griechischen Finanzpresse die Wahlen im Januar. Zehntausende Bürger hätten ihre Steuern und andere Schulden an den Staat nicht gezahlt, weil sie auf Steuererleichterungen nach dem Sieg der Linkspartei Syriza gehofft hätten, schreiben übereinstimmend griechische Wirtschaftsblätter.

Skepsis auch bei EU-Kommission und EZB

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt am heutigen Nachmittag zu einem regulären Treffen in Frankfurt zusammen, bei dem die Liquiditätslage griechischer Banken ein Hauptthema sein dürfte. Bundesbankchef Jens Weidmann warnte bereits davor, solche Notfallhilfen der Athener Notenbank an ihre heimischen Institute - im Fachjargon ELA genannt - könnten missbräuchlich zur Finanzierung des griechischen Staates eingesetzt werden. Weidmann werde auf dem EZB-Treffen bei der Haltung bleiben, sagte einer der Insider. Andere Notenbanker hätten ähnliche Bedenken. Nach den EZB-Regeln dürfen ELA-Hilfen nur kurzfristig und nur an solvente Banken vergeben werden.

Auch die EU-Kommission hat sich beunruhigt über die Lage Griechenlands geäußert. "Wir sehen, dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation nicht besser wird, im Gegenteil, wir sehen besorgniserregende Tendenzen", sagte der für den Euro zuständige EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel. Die Richtung sei "nicht positiv". Dombrovskis machte zudem deutlich, dass bis Mittwochmittag noch kein Schreiben der griechischen Regierung mit der Bitte um Ausweitung der Finanzhilfen eingegangen sei.

Wann kommt der Brief den nun?

Seit gestern wird gemeldet, Griechenlands Bitte auf Verlängerung der EU-Hilfen würde heute noch in Brüssel eintreffen. Der Chef der proeuropäischen griechischen Oppositionspartei "To Potami" sagte heute jedoch: "Der Antrag wird morgen (Donnerstag, d.Red.) gestellt." Diese Einsicht wollte er bei einem Treffen mit Regierungschef Alexis Tsirpas gewonnen haben.

Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis geht aber offenbar davon aus, der erwartete Brief an die EU-Gremien werde bereits am heutigen Mittwoch zur Post gegeben. Sakellaridis sagte dem Sender "Antenna TV": "Lassen sie uns heute auf einen Antrag zur Verlängerung des Kreditabkommens warten, den Finanzminister Gianis Varoufakis stellen wird."

Auffällig war, dass er nur von einem "Kreditabkommen" sprach und die Reformen nicht erwähnte. Bundesfinanzminister Schäuble hatte jedoch am Dienstagabend im deutschen Fernsehen gesagt, es gebe kein Kreditabkommen, sondern ein Hilfsprogramm. Eine Trennung von Krediten und Reformauflagen komme für die Bundesregierung auf keinen Fall infrage, hieß es in deutschen Regierungskreisen.

Schäuble betonte, Griechenland müsse die Bedingungen für die Hilfen einhalten, damit sich die dortige Wirtschaft erhole: "Es geht nicht um eine Verlängerung von Kreditprogrammen, sondern darum, ob dieses (Hilfs-)Programm erfüllt wird. Ja oder nein." Der Regierung in Athen warf er vor: "Jetzt wird das Volk mit falschen Versprechungen aufgewiegelt." Ihm würden Hoffnungen gemacht und zugleich werde "erzählt, andere seien an den Problemen schuld. Das hat nun wirklich wenig mit der Wahrheit zu tun."

Verschuldete Griechen und hartleibige Deutsche

In Kreisen der EU-Kommission wurde die deutsche Haltung als hartleibig beschrieben. Allerdings hatten sich die Euro-Finanzminister am Montag einmütig auf fünf Kriterien geeinigt, an denen sich ein Hilfsersuchen Griechenlands wird messen lassen müssen: So dürfen bisherige Reformen nicht zurückgedreht werden und alternative Maßnahmen nicht den Budgetrahmen sprengen. Außerdem müssen die Gläubiger weiter bedient werden und muss die Athener Regierung mit den Reform-Prüfern von EU, EZB und IWF zusammenarbeiten. Schließlich muss das auslaufende Hilfsprogramm nach eingehender Prüfung ordentlich beendet werden.

Griechenland steht bei seinen Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 240 Milliarden Euro in der Kreide. Deutschland verbürgt Kredite von rund 53 Milliarden Euro und haftet indirekt für Darlehen des IWF und hellenische Staatsanleihen im Bestand der EZB. Bei einer Staatspleite würde ein Großteil der Garantien fällig.

Schäuble sagte, in anderen EU-Ländern sei das Pro-Kopf-Einkommen geringer als in Griechenland. Zugleich müssten sie aber zulasten ihrer Steuerzahler Solidarität leisten. Auf die Frage, ob Griechenland die Euro-Zone verlassen solle, antwortete er: "Das ist eine Sache, die wird ausschließlich in Griechenland entschieden."

dk/hb (dpa/rtr)