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Das undurchsichtige Geschäft mit Kleinwaffen

Fernando Caulyt/Christina Weise7. August 2013

Nach den USA, Deutschland und Italien ist Brasilien der viertgrößte Kleinwaffenexporteur. Welche Waffen an wen verkauft werden, bleibt im Verborgenen. Ein UN-Vertrag bringt Hoffnung auf mehr Transparenz.

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Ein brasilianischer Polizist feuert Tränengas ab (Foto: YASUYOSHI CHIBA/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP

"Made in Brazil" - das war auf manchen Tränengaskapseln zu lesen, die Polizisten bei den jüngsten Protesten in der Türkei auf die Demonstranten abgefeuert hatten. Auch zwei Jahre zuvor, als der "Arabische Frühling" nach Bahrain kam und die Bürger gegen ihre Regierung auf die Straße gingen, war die brasilianische Flagge auf den von der Polizei eingesetzten Produkten zu finden. Aber Brasilien hat nicht nur "Reizstoffe" zur Anwendung gegen Demonstranten, sondern auch tödlich wirkende Waffen in seinem Angebot für ausländische Interessenten.

Derzeit ist Brasilien weltweit viertgrößter Exporteur leichter Waffen. Nach Angaben des brasilianischen Ministeriums für Entwicklung, Industrie und Außenhandel stieg der Umsatz beim Verkauf von Kleinwaffen - etwa Gewehre, Schrotflinten und Pistolen - in fünf Jahren um 36 Prozent: Von 201 Millionen US-Dollar im Jahr 2007 auf über 315 Millionen US-Dollar in 2012.

Unterstützung von der Regierung

Brasilien entwickelte sich nicht zuletzt aufgrund einer Reihe politischer Entscheidungen, vor allem während der Militärdiktatur (1964-1985), zu einem der größten Kleinwaffenproduzenten und -exporteure der Welt. Die Regierung unterstützte aber auch später die Rüstungsindustrie. 2008 rief der damalige brasilianische Präsident Lula die "nationale Verteidigungsstrategie" ins Leben, die das Militär modernisieren sollte. Die Regierung wollte unter anderem die einheimische Rüstungsindustrie ausbauen - mit einer Umstrukturierung und Modernisierung der Betriebe, mit einer Steuerbefreiung sowie einer Anzahl von Maßnahmen der "Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung" zur Projektfinanzierung.

Waffen: Weltweit ein lukratives Geschäft

Der größte Abnehmer brasilianischer Kleinwaffen sind die USA, gefolgt von Estland, Singapur und Belgien. Die brasilianische Regierung hat aber bereits Versuche unternommen, den Markt auf Afrika und den Mittleren Orient auszuweiten - wo es Länder gibt, in denen die Anforderungen an Rüstungsgüter bescheidener sind.

Der Verkäufer eines Waffengeschäftes greift am in einer Auslage nach einer Pistole. (Foto: Larry W. Smith/dpa)
Die USA exportieren die meisten Kleinwaffen weltweitBild: picture-alliance/dpa

Deutschland liegt bei der "Kundenliste" auf Platz 7: Brasilien verkaufte im Jahr 2012 Kleinwaffen für 8,5 Millionen US-Dollar an Deutschland. Dabei ist ein Rückgang zu verzeichnen: 2011 waren es noch 24 Millionen US-Dollar. Umgekehrt exportiert Deutschland aber auch Waffen nach Brasilien. Das Gewehr G3 des deutschen Waffenherstellers Heckler&Koch wird beispielsweise von der brasilianischen Luftwaffe benutzt, das Modell PSG-1 der gleichen Firma ist bei der Militärpolizei in Rio de Janeiro im Einsatz.

Die Wissenschaftler des Schweizer Forschungsprojekts Small Arms Survey schätzen, dass internationale Kleinwaffentransfers es mindestens auf 8,5 Milliarden US-Dollar Umsatz bringen. Dabei betonen sie jedoch, dass es aufgrund der "Zurückhaltung" vieler Länder schwierig sei, genaue Daten über Waffenexporte und -importe zu veröffentlichen. Brasilien etwa legt zwar seine Gesamtexporte offen, gibt aber keine genaueren Daten bekannt, welche Waffen verkauft und in welchem Jahr die Transaktionen getätigt wurden.

Soldat mit Gewehr (Foto: Arno Burgi/dpa)
Kleinwaffen: leicht zu verkaufen, schwer zu kontrollieren, fordern die meisten OpferBild: picture-alliance/dpa

Verkäufe im Verborgenen

Damit gehört Brasilien nicht nur zu den führenden Kleinwaffenexporteuren weltweit, sondern gleichzeitig auch zu den Ländern, die unter höchster Geheimhaltung handeln. Nie ist mit Gewissheit zu sagen, ob die Waffen an Länder gehen, die Menschenrechte respektieren - oder aber an als autoritär geltende Regime.

"Diese Informationen sind sehr wichtig, da Dreiecksgeschäfte auf dem internationalen Waffenmarkt keine Seltenheit darstellen. Damit ist gemeint: Eine Nation verkauft Waffen an ein Land, das einen guten Ruf im internationalen Handel besitzt. Das Land fungiert aber nur als Mittelsmann und gibt die Waffen an ein anderes Land weiter, das die Menschenrechte verletzt", erklärt Bruno Langeani, Koordinator für Rüstungskontrolle beim Institut "Sou da Paz", das sich für Gewaltprävention in Brasilien einsetzt.

Ausreichende Kontrollen notwendig

Zusätzlich zur Sorge, dass Waffen in falsche Hände geraten könnten, gibt es auch Bedenken, ob die Käufer in der Lage sind, ihre Arsenale zu kontrollieren. "Wenn es solche Kontrollen nicht gibt, können die Waffen an terroristische Gruppen, Kriminelle oder Dissidenten gelangen. Bei der Transaktion muss demnach auch die Kontrollfähigkeit des Landes berücksichtigt werden", meint Langeani.

Die Nationale Vereinigung der Waffen- und Munitionsindustrie (ANIAM), die die Industrie und den Handel von Waffen und Munition aus Brasilien vertritt, wollte sich gegenüber der DW zu diesen Kritikpunkten nicht äußern.

Bald Licht im Dunkel?

Anfang Juni unterzeichneten Deutschland und Brasilien als zwei der ersten Staaten den im April von der UN-Vollversammlung gebilligten Vertrag zur Kontrolle des Waffenhandels.

UN-Vollversammlung (Foto: TIMOTHY A. CLARY/AFP/Getty Images)
Bei der UN-Versammlung wurde der Vertrag zur Kontrolle des Waffenhandels verabschiedetBild: Getty Images/AFP

"Eine größere Transparenz der brasilianischen Waffengeschäfte könnte die Bevölkerung anderer Länder mobilisieren, in denen auch nicht klar ist, was die Staatsoberhäupter kaufen und von wem", vermutet Maurício Santoro von Amnesty International in Brasilien.

Nun muss noch der brasilianische Nationalkongress den Vertrag prüfen und annehmen, damit dieser für das Land gültig ist - was in dieser oder der nächsten Sitzungsperiode geschehen könnte. "Wir schlagen vor, dass der Vertrag in Brasilien als Grundlage gesehen wird. Das soll heißen: Das Land kann noch mehr tun", betont Rüstungsexperte Bruno Langeani.