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Das Netz spricht Emoji

Jan Bruck26. Januar 2014

Einfacher Text hat seine Tücken: Wie hat der Absender das bloß gemeint? Millionen User kommunizieren deshalb mit Emojis: Herzchen, Smileys & Co. schaffen Klarheit – und erfüllen ein emotionales Grundbedürfnis.

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Smartphone Emojis in WhatsApp (Foto: DW/P. Henriksen)
Bild: DW/P. Henriksen

Früher malten die Menschen noch kleine Bilder an Höhlenwände. Heute verwenden sie statt einem verkohlten Stück Ur-Holz einfach ihr Smartphone. Auch die "Sujets" haben sich an die moderne Zeit angepasst: Statt Mammuts, Feuer und Speerwerfer sind es es heute Comic-Figuren, Flugzeuge und händchenhaltende Männer. "Emoji" heisst das putzige digitale Zeichensystem - das Wort bedeutet aus dem Japanischen übersetzt so viel wie "Bild+Schrift". Emojis verbreiten sich zurzeit rasend schnell in allem, was mit digitaler Kommunikation zu tun hat: in Chat-Apps wie WhatsApp, sozialen Netzwerken wie Facebook, oder in SMS.

722 verschiedene Icons gibt es in der meistgenutzten Emoji-Version für Smartphones. Mehr als zwanzig Millionen Menschen haben sie allein auf ihrem Apple iPhone installiert. Die Bandbreite reicht von klassischen Emoticons wie Smileys und Herzen über skifahrende Männchen bis hin zu perlenden Sektgläsern.

Verkümmerung der Sprache?

Screenshot von Emojis auf einem Smartphone
Zu jedem Thema das passende Emoji

Einige Sprachwissenschaftler sehen in dem Siegeszug der digitalen Symbole eine Verkümmerung der Schriftsprache. Die "digital natives" seien zu faul, sich in präzise in Worten auszudrücken. Sozialpsychologin Tina Ganster hingegen hält Emojis vor allem für "eine kreative Weise, mit den Beschränkungen der digitalen Kommunikation umzugehen." Sie vergleicht die digitalen Bildchen mit unserer non-verbalen Kommunikation im realen Leben. Mimik, Körpersprache und Tonfall vermitteln sich über einen geschriebenen Text nicht. In kurzen Online-Texten sind Emojis oft die einzige Möglichkeit, Gefühle zu transportieren.

"Die Symbole dienen in erster Linie dazu, klarzumachen, wie eine Aussage gemeint ist. Sie können Ironie oder Sarkasmus vermitteln und dadurch Missverständnissen vorbeugen." Eine Aussage wie 'Lade doch auch noch Deine Mutter zu unserer Feier ein', erhält mit einem hinterher geworfenen Zwinkern eine ganz andere Tonalität. Genau wie beim direkten Gespräch haben wir auch bei Chats oder Nachrichten das Bedürfnis, mit unserem Gegenüber eine emotionale Beziehung aufzubauen, erläutert Tina Ganser. Die vielfältigen Emojis können uns dabei behilflich sein, auch über die Technik hinweg eine Beziehung aufzubauen.

Auch der Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski von der Leibniz-Universität Hannover findet nicht, dass die vermehrte Nutzung von Emojis der Sprache im Allgemeinen schadet. "Es ist ja nicht so, dass diese Zeichen überall und zu jeder Zeit gebraucht würden, sondern sie sind auf bestimmte Kommunikationsformen wie Kurznachrichten oder Chat-Apps beschränkt."

Rotes Herz ist Nummer Eins

Screenshot von Emojis auf einem Smartphone
Emoji-Nutzer finden das richtige Symbol oft ebenso schnell wie den Buchstaben auf der Tastatur

Die beliebtesten Emojis sind laut der Webseite emojitracker.com dann auch die Klassiker. Emojitracker durchkämmt seit Juli 2013 jede Nachricht auf Twitter nach den kleinen Symbolen: Die Nummer Eins ist mit 241 Millionen Verwendungen das rote Herz, gefolgt von Freudentränen (152 Millionen) und dem lächelnden Smiley (85 Millionen).

Der Smiley ist sozusagen der Nachfolger des Ur-Emoticons: der Zeichenfolge ":-)". Erfunden hat sie 1982 der US-amerikanische Informatiker Scott Fahlmann, Professor an der Carnegie Mellon University. Ihn störte, dass viele seiner Kollegen seine witzig gemeinten Kommentare im Online-Forum missverstanden. Also erfand er kurzerhand das in Schriftzeichen übersetzte menschliche Lächeln, das auch heute noch überall im Netz verwendet wird.

Andere Länder, andere Emojis

Tina Ganster Sozialpsychologin Uni Essen
Psychologin Tina Ganster sieht Emojis als kreative BereicherungBild: privat

Nutzer versenden Emoticons und Emojis auch aus "sprachökonomischen" Überlegungen, erläutert der Germanist Schlobinski. Emoticons sparen wertvollen Platz. Das ist gerade auf Plattformen wie Twitter, das nur 140 Zeichen pro Nachricht zulässt, sehr praktisch.

Genauso wie das Verständnis von Mimik und Gestik, unterscheidet sich auch der Umgang und das Aussehen von Emojis in verschiedenen Kulturkreisen. "In Asien beispielsweise haben Emojis eine andere Erscheinungsform. Da wird bei Gesichtern mehr Gewicht auf die Augen gelegt. Sie werden ganz groß dargestellt", erklärt Tina Ganster. Vor allem in China und Japan sind Emojis beliebt, denn in beiden Kulturen basiert schon das traditionelle Schriftsystem auf Bildern und nicht auf gesprochenen Worten.

Zu Schwierigkeiten kann es kommen, wenn Emojis Gesten darstellen, die je nach Kultur unterschiedliche Aussagen haben. So bedeutet die Geste, bei der der Zeigefinger einen Kreis mit dem Daumen bildet und die restlichen Finger abgespreizt werden, in vielen Kulturen "Ok!" - in Brasilien ist die gleiche Geste aber eine Beleidigung. Missverständnisse sind also trotz der emotionalen Kraft der zahlreichen Emojis nicht auszuschließen, genau wie im echten Leben ;-)