1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Leid der Flüchtlinge im Swat-Tal

12. Mai 2009

Pakistanische Regierungstruppen haben ihre Offensive gegen die Taliban im Swat-Tal fortgesetzt. Nach Schätzungen des UNHCR sind in vergangenen Tagen mehr als 360.000 Menschen aus dem umkämpften Gebiet geflohen.

https://p.dw.com/p/HoKH
Kinder stehen Schlange(Foto: AP)
Anstehen fürs Essen: Kinder aus dem Swat-Tal in einem FlüchtlingslagerBild: AP

Die Lager sind voll. Sie wachsen jeden Tag schneller. Neue Lager müssen her. Lager - das sind lange, enge Reihen mit kleinen weißen Zelten auf dem offenen Feld. Es gibt nicht genug Wasser. Es gibt nicht genug Toiletten. Es gibt keine Privatsphäre. Von oben brennt die Sonne. Die Temperaturen erreichen in diesen Tagen leicht die 40 Grad Marke, aber es fehlen die Bäume, die Schatten spenden könnten. In den Zelten staut sich die Hitze. Das ist vor allem für die Frauen schlimm, die sich vor Fremden verbergen und deren Leben sich überwiegend im Zelt abspielt, so wie zu Hause.

„Wir mussten alles zurücklassen“

Mann auf Bahre (Foto: AP)
Mehr als das eigene Leben können die Flüchtlinge nicht rettenBild: AP

Aqeela ist eine Ausnahme. Die 53-jährige Witwe spricht offen mit Journalisten. Sie ist mit elf Kindern und Enkeln aus dem umkämpften Swat-Tal in ein Lager für Binnenflüchtlinge im Nachbardistrikt Mardan geflohen. Am Sonntag war das, als die Armee für wenige Stunden die Ausgangssperre erleichtert hatte. "Die Granaten fielen vom Himmel“, berichtet sie. „Überall wurde geschossen. Der Strom fiel aus, wir hatten kein Wasser mehr. Wir hatten keine Wahl. Wir mussten fliehen.“ Alles musste schnell gehen. So schnell, dass Aqeela auch ihren einzigen wertvollen Besitz – das Vieh – zurücklassen musste. Als sie davon erzählt, bricht die Frau in Tränen aus, verbirgt ihr zerfurchtes Gesicht hinter dem Schleier und bittet Gott um Beistand.

Zukunft ungewiss

Flüchtlingslager im pakistanischen Mardan (Foto: AP)
Flüchtlingslager im pakistanischen MardanBild: AP

Nach Angaben der Vereinten Nationen haben sich seit Beginn der Offensive in der vergangenen Woche mehr als 360.000 Flüchtlinge in den Lagern registrieren lassen. Aber die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge dürfte viel höher liegen, denn viele Menschen aus der Kampfzone haben bei Freunden und Verwandten Unterschlupf gefunden oder haben sich irgendwo eingemietet. Wann sie nach Hause zurückkönnen, kann ihnen niemand sagen. Und wie sie ihr zu Hause dann vorfinden werden, daran wagen sie gar nicht zu denken. Die Armee setzt Panzer und andere schwere Waffen ein, aus der Luft feuern Kampfhubschrauber und Kampfjets, und in den verlassenen Häusern der Flüchtlinge haben sich die pakistanischen Taliban und mit ihnen verbündete Kämpfer in Stellung gebracht. Für Nawab Ali aus der Distrikthauptstadt Mingora im Swat-Tal ist das alles wie ein böser Alptraum, aus dem er nicht aufwachen kann. Mingora gleicht inzwischen einer Geisterstadt. "Nur Gott kennt unseren Schmerz. Nur er kann unser Leid teilen. Unsere Kinder sind von Geschossen zerfetzt worden.“ Auch Nawab Ali hat eine Angehörige verloren, seine Schwägerin ist tot.

Kleiner Junge beim Trinken (Foto: AP)
Trinkwasserversorgung im Flüchtlingslager MardanBild: AP

Bevölkerung im Zwiespalt

Und trotzdem: viele Menschen in den Lagern äußern Verständnis für die Offensive der pakistanischen Armee, obwohl die Flüchtlinge ganz überwiegend Paschtunen sind – genauso wie die Taliban in Pakistan und Afghanistan. Aber der Bruderkampf auf dem eigenen Grund und Boden tut auch weh. Und je länger die Offensive anhält, je mehr zivile Opfer es gibt, je größer die Zerstörung ist, und je länger das Leid der Flüchtlinge anhält, desto eher werden Armee und Regierung die Unterstützung der Bevölkerung verlieren.

Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Esther Broders