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Das kreative Mittelmaß fördern

Klaus Deuse17. März 2014

Kreativ, engagiert, aber leistungsmäßig nur Durchschnitt: Solche Studenten haben in Deutschland kaum Chancen auf ein Stipendium. Die private Uni Witten/Herdecke will das ändern und auch Durchschnitts-Studenten fördern.

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Eine Studentin sitzt mit Laptop auf einem Bücherstapel in einer Bibliothek (Foto: Fotolia/WavebreakmediaMicro)
Bild: Fotolia/WavebreakmediaMicro

Über 100 Texte, Videos und sogar Gedichte hat Mira Maier in den vergangenen Wochen gesichtet. Bewerber für die zwei neuen Auslandsstipendien der privaten Universität Witten/Herdecke gibt es reichlich. Denn hier haben zum ersten Mal all diejenigen Studenten eine Chance, die nicht mit ausgezeichneten Noten oder einer kurzen Studiendauer glänzen können. Dafür müssen sie zeigen, dass sie "Durchschnittsstudierende" sind oder sich das Studium mit außergewöhnlichen Nebenjobs finanzieren. Neben den etwa zehn Prozent der Stipendiaten, die die klassischen Kriterien einer Eliteförderung erfüllen, gibt es somit einen großen Kreis von potenziellen Kandidaten.

Noch bis zum 31. März können sich die Studenten bei der "Initiative für transparente Studienförderung" bewerben. Dann wird eine Jury um Geschäftsführerin Mira Maier eine Auswahl treffen. Keine leichte Aufgabe, denn schon jetzt liegen viele kreative und witzige Bewerbungen auf dem Schreibtisch der Geschäftsführerin. So endet ein Gedicht mit den Worten: "Gern hätte ich ein Semester auch im Ausland verbracht, doch hier ist leider immer das Geld an der Macht. Doch muss ich nun auch sagen, man kann in seinem kurzen Leben auch nicht immer nach dem Höchsten streben. Denn meist macht es vielmehr Spaß, bewegt man sich im Mittelmaß."

Dr. Mira Maier von der Initiative für transparente Studienförderung (Foto: privat)
Juryvorsitzende Mira Maier hat selbst mit einem Stipendium promoviertBild: Dr. Mira Maier

Individualität zählt mehr als gute Noten

Dass die Universität Witten/Herdecke nun als erste Hochschule in Deutschland Stipendien für den Durchschnittsstudenten anbietet, findet Sprecher Eric Hoffmann nur folgerichtig. Denn an der Hochschule habe es stets ein anderes Verständnis von Elite gegeben, betont er. "Unser Begriff der Elite ist nicht eine Elite, die sich auf Herkunft stützt, sondern ist ein Elitebegriff, der sich an Leistung und Verantwortung für die Gesellschaft orientiert."

Bereits beim Aufnahmeverfahren an der Uni Witten/Herdecke zählen nicht allein die Zensuren, sondern ebenso Motivation und Persönlichkeit. Ausgesucht werden die Studierenden persönlich in einem Einzelverfahren. An der privaten Universität sieht man nämlich keinen zwingenden Zusammenhang zwischen einer sehr guten Abiturnote und einer späteren erfolgreichen Berufstätigkeit. Außerdem, fügt Eric Hoffmann an, gewährleiste diese Art der Auswahl die Heterogenität der Studentenschaft auf dem Campus. Egal, wer dort welches Fach studiert, sollte dabei auch über den Tellerrand schauen. Die Hochschule legt viel Wert auf soziales Engagement und Auslandserfahrungen ihrer Studierenden.

Außenansicht der Universität Witten-Herdecke (Foto: dpa)
An der Uni Witten-Herdecke zählen nicht nur NotenBild: picture-alliance/dpa

Mit einem USA-Semester punkten

Dem einfallsreichsten Durchschnittskopf winkt daher ein vierwöchiger Sprachkurs in San Diego in den USA. Einschließlich Flug, Unterbringung und Verpflegung plus Taschengeld im Wert von 4000 Euro. Auch wenn es sich um ein befristetes Stipendium handelt, kann es sich nach Ansicht von Mira Maier durchaus auszahlen. Denn einen Auslandsaufenthalt ins Studium einzubauen und die Sprachkenntnisse zu verbessern, das werde für Studenten schließlich immer wichtiger.

Auf Kreativität kommt es auch beim zweiten ausgelobten Stipendium an. Es richtet sich an Studenten mit ungewöhnlichen Nebenjobs. Dem Sieger winkt ein ganzes Semester am Foothill College in der San Francisco Bay Area im Gesamtwert von rund 9000 Euro. Viel Geld für Studierende, die neben dem Studium arbeiten müssen. In Deutschland sind das immerhin 60 Prozent. "Sie haben eine finanzielle Unterstützung am dringendsten nötig", betont Mira Maier. Es sollten allerdings ausgefallene Nebenjobs sein. Also nicht gerade Kellnern in der Gastronomie oder Zeitungsaustragen.

Ein Nachtwächter steht vor dem Eingang zum Kölner Zoo (Foto: dpa)
Ungewöhnlicher Nebenjob: Nachtwächter im ZooBild: picture-alliance/dpa

Wegweiser für Stipendien im Netz

Unabhängig von diesen beiden aus dem Rahmen fallenden Stipendien hat die Initiative im Umfeld der Uni Witten/Herdecke einen Wegweiser durch die deutsche Förderlandschaft im Internet für alle Studierenden entwickelt. Also auch für Studenten aus dem Ausland, die in der Bundesrepublik studieren wollen. Auf der Seite mystipendium.de gibt es rund 1600 Fördermöglichkeiten.

Das Portal gleicht innerhalb von drei Minuten den Lebenslauf des Suchenden mit den angebotenen Stipendien-Profilen ab und filtert dann kostenlos nur die individuell wirklich passenden Angebote heraus. Der Durchschnitt, so betont Mira Maier, liege immerhin bei zehn bis 15 Treffern. Das könne den Start ins Studium erleichtern und seinen Verlauf finanziell entlasten. "Auch oder gerade für vermeintliche Durchschnittsstudenten", fügt die Geschäftsführerin hinzu.

Mira Maier (rechts) wurde 2012 für die Plattform mystipendium.de als "Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet (Foto: Kay Herschelmann)
Die Plattform mystipendium.de wurde im Jahr 2012 als 'Ort im Land der Ideen' ausgezeichnetBild: Kay Herschelmann