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Das Kaufhaus lebt - zumindest das KaDeWe

Zhang Danhong21. Dezember 2013

Das Kaufhaus des Westens in Berlin ist nicht nur der größte Konsumtempel auf dem europäischen Kontinent. Es hat auch Geschichte geschrieben. Manche sagen, der Kalte Krieg wurde dort entschieden.

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KaDeWe in Berlin (Foto: KaDeWe)
Bild: KaDeWe

Als der jüdische Kaufmann Adolf Jandorf im Jahr 1907 das KaDeWe in der ruhigen und etwas verschlafenen Tauentzienstraße eröffnet, wird er als tollkühn belächelt. Ein riesiges Warenhaus in einer Wohngegend - wie soll das funktionieren? "Und dann hat Adolf Jandorf diesen legendären Satz gesagt: 'Was Lage ist, bestimme ich.' Das heißt, er war von seinem Sortiment so überzeugt, dass er gesagt hat, egal wo ich bin, die Leute werden zu mir kommen", erzählt die heutige KaDeWe-Chefin Petra Fladenhofer.

KaDeWe-Fassade aus dem Jahr 1907 (Foto: KaDeWe)
Das KaDeWe veränderte das StraßenbildBild: KaDeWe

Und genauso ist es gekommen. Die Tauentzienstraße wird zur Shoppingmeile. Die City-West ist geboren. Von Anfang an will Jandorf exklusiv bleiben. Das Sortiment ist für die oberen Zehntausend in Berlin gedacht. Wie passt das denn zur Geschäftsidee des Warenhauses, der Masse den Konsum zu ermöglichen? "Auf der einen Seite guten Geschmack vielen Menschen zugänglich zu machen, aber auf der anderen Seite immer noch exklusiv zu bleiben - diesen Spagat hat er von Anfang an sehr gut hinbekommen", sagt Fladenhofer im Interview mit der DW.

20 Jahre später übernehmen zwei andere jüdische Kaufmänner, Georg und Martin Tietz, das KaDeWe. In dieser Zeit wird die berühmte Feinschmeckerabteilung, die größte in Europa, fertiggestellt. Fladenhofer: "Die Blütezeit unseres Hauses und vieler deutscher Kaufhäuser ist von deutschen Juden betrieben worden. Sie haben hier den Grundstein für die Geschichte, für den Erfolg gelegt." Gerade deswegen sind die Kaufhäuser Adolf Hitler ein Dorn im Auge. Die Tietz-Gesellschafter werden gezwungen, das KaDeWe an den Nichtjuden Georg Karg zu verkaufen. Die Anfangsbuchstaben des Firmennamens behält Karg jedoch bei - aus Hermann Tietz wird Hertie.

Geschäftsführerin Petra Fladenhofer (Foto: KaDeWe)
Geschäftsführerin Petra FladenhoferBild: KaDeWe

Bis auf die Grundmauern ausgebrannt

Am 23. November 1943 ist fast das Todesurteil über das KaDeWe gesprochen. Ein amerikanischer Bomber stürzt in den Lichthof des Hauses, das daraufhin völlig ausbrennt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stellt das KaDeWe seine Überlebensfähigkeit unter Beweis und öffnet als erstes kriegszerstörtes Kaufhaus in Deutschland seine Pforten. An jenem 3. Juli 1950 strömen 180.000 Menschen ins KaDeWe und decken sich vor allem mit Fett und Würstchen ein.

KaDeWe am Wiedereröffnungstag nach dem Zweiten Weltkrieg (Foto: KaDeWe)
KaDeWe am Wiedereröffnungstag nach dem Zweiten WeltkriegBild: KaDeWe

Später wird KaDeWe zum Sinnbild des deutschen Wirtschaftswunders und knüpft an die Erfolge der Gründerjahre an. Doch auf die Euphorie folgt 1961 der Einbruch durch den Mauerbau und die Teilung der Stadt. "Das bedeutete für das KaDeWe ganz ähnlich wie für Berlin, dass man vom Umland abgeschnitten war", sagt die Chefin des Kaufhauses.

Hunderte von Verkäuferinnen, die im Ostteil wohnen, können auf einmal nicht mehr zur Arbeit kommen. Auch die Kundschaft aus dem Umland bricht weg. Doch das Haus erholt sich schnell, weil immer mehr Westdeutsche und ausländische Touristen einen Besuch im KaDeWe zu ihrem Pflichtprogramm in Berlin machen. Im Laufe der Zeit dürfen auch Ostberliner bei besonderen Anlässen ins kapitalistische Westberlin.

Das KaDeWe ließ den Kapitalismus siegen

"Und da alle Westberliner ihren DDR-Besuch in die Lebensmittelabteilung des KaDeWe geführt haben, waren diese Menschen davon besonders beeindruckt", sagt Wirtschaftswissenschaftler Uli Brückner, der für die Stanford University in Berlin forscht. Denn Opernhäuser, Fernsehtürme und Universitäten hätten sie ja auch auf der anderen Seite der Mauer, nur keine Lebensmittelabteilungen von solchem Reichtum und solcher Vielfalt. Es hatte sich in der DDR eine Legende um das KaDeWe gebildet, die den Kapitalismus im Systemvergleich als klaren Sieger erscheinen lässt. "Weil das westdeutsche System ganz praktische Leistungen erbringt, die der Osten nicht kann, nämlich Bananen, Ananas und andere Lebensmittel, die es in der DDR nicht gegeben hat", sagt Brückner im Gespräch mit der DW.

Prof. Uli Brückner von Stanford University (Foto: DW)
Der Kalte Krieg wurde im KaDeWe entschieden, sagt Uli BrücknerBild: DW/Z. Danhong

"Der Kalte Krieg wurde in der Lebensmittelabteilung des KaDeWe entschieden", so sein Fazit. So ist es auch folgerichtig, dass am 10. November 1989, einen Tag nach dem Mauerfall, das Kaufhaus von Trabis umlagert wird. Es muss einer der vollsten Tage in der Geschichte des KaDeWe gewesen sein. Petra Fladenhofer: "Das Haus musste zwischendurch immer wieder geschlossen werden. Man hat teilweise aus den Fenstern heraus verkauft."

Von Ostautos umlagert: KaDeWe nach dem Mauerfall (Foto: DW)
Von Ostautos umlagert: KaDeWe nach dem MauerfallBild: KaDeWe

Es folgen wechselvolle Jahre mit neuem Besitzer und neuen Herausforderungen für das Modell Kaufhaus. Online-Handel und Fachmärkte graben die Kundschaft ab. Der Umsatz der Kaufhäuser schrumpft oder stagniert bestenfalls. Nach der Pleite von Hertie und den Problemen der Karstadt-Gruppe, zu der das KaDeWe inzwischen gehört, macht das Wort vom Untergang der Kaufhäuser die Runde.

Handel ist Wandel

Das KaDeWe reagiert auf die Krise in der Branche, indem es das Sortiment der Luxuswaren erweitert und die vermietete Fläche auf inzwischen 30 Prozent der gesamten 60.000 Quadratmeter steigert.

So betreibt die Schmuckmanufaktur Wellendorff aus Pforzheim seit 2008 eine Boutique im Erdgeschoss des KaDeWe. Die sich wie Seide anfühlenden Ringe und Ketten aus Gold erfreuen sich vor allem unter Chinesen einer immer größeren Beliebtheit. "Wir haben bereits zwei Boutiquen in China eröffnet, einmal in Peking, einmal in Hongkong. Es hat sich wohl schon rumgesprochen, dass Wellendorff etwas ganz Besonderes ist", sagt Marie-Louise Oechsle, die die Boutique im KaDeWe leitet. Dass sie vor kurzem eine Chinesisch sprechende Deutsche eingestellt hat, zeigt, wie wichtig chinesische Touristen für Wellendorff geworden sind.

Wellendorff im KaDeWe (Foto: DW)
Wellendorff im KaDeWeBild: DW/Z. Danhong

Nicht nur für Wellendorff, auch für das gesamte KaDeWe. "Wir haben chinesischstämmige Verkäufer. Wir haben eine chinesische Kollegin im Customer-Service, die sofort helfen kann. Denn was wir gelernt haben, ist, dass die chinesischen Gäste nicht ganz so viel Zeit haben", sagt Geschäftsführerin Petra Fladenhofer schmunzelnd.

Chinesen sollen sich heimisch fühlen

Seit vier Monaten hat sie mit Hong Yunpeng auch einen chinesischen Manager für internationale Kundenbeziehungen. Er kennt die Kaufgewohnheiten seiner Landsleute: "Die meisten Chinesen, die hierher kommen, sind zum ersten Mal in Europa. Sie fühlen sich natürlich von den internationalen Luxusmarken angezogen, die wir im Erdgeschoss haben", sagt Hong der DW. Dann wollten die Chinesen 'Made in Germany' kaufen, vor allem Küchen- und Elektrogeräte. "Wofür sie sich auch schnell begeistern, sind Koffer, Spielzeuge und Spirituosen im Premium-Bereich."

Hong Yunpeng, KaDeWe-Manager für internationale Beziehungen (Foto: DW)
Hong Yunpeng soll das KaDeWe in China bekannter machenBild: DW/Z. Danhong

Die Internationalisierung Berlins spielt dem KaDeWe also in die Hände. Trotzdem sorgen die deutschen Kunden noch immer für mehr als die Hälfte des Umsatzes. Kein Wunder: Für fast alle Touristen, ob aus dem In- oder Ausland, ist ein Besuch im KaDeWe obligatorisch. Denn es ist ein Kaufhaus mit Geschichte. Und die nach dem Reichstagsgebäude und dem Brandenburger Tor am dritthäufigsten besuchte Sehenswürdigkeit in Berlin.