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Grass-Gedicht mit Folgen

Klaudia Prevezanos (mit dpa, dapd, epd)10. April 2012

Mit einem Israel-Gedicht hat der deutsche Nobelpreisträger Günter Grass für hitzige Debatten im In- und Ausland gesorgt. Israel reagierte sogar mit einem Einreiseverbot des Schriftstellers - das ebenfalls umstritten ist.

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Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass hält am Donnerstag (05.04.2012) sein umstrittenes Israel-Gedicht hoch
Literaturnobelpreisträger Günter Grass hält sein umstrittenes Israel-Gedicht hochBild: picture-alliance/dpa

Was muss man tun, um in Israel zur persona non grata - zur unerwünschten Person - zu werden? Der deutsche Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass hat ein Gedicht geschrieben. Am Mittwoch (04.04.2012) wurde der Text, der vor einem israelischen Atomschlag gegen den Iran warnt, in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, und löste eine Welle der Diskussion aus. Doch das Einreiseverbot für den 84-Jährigen halten selbst seine Kritiker für überzogen.

"Ein bisschen hysterisch"

Das Gedicht von Grass sei ein Versuch, "Hass gegen den Staat Israel und das israelische Volk" zu schüren", begründete der israelische Innenminister Eli Jischai am Sonntag (08.04.2012) in israelischen Medien die Entscheidung. Der frühere israelische Botschafter in Berlin, Avi Primor, kritisierte das Einreiseverbot indes im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als "ein bisschen hysterisch". Zuletzt nahm Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) Grass gegen den Vorwurf des Antisemitismus in Schutz.

In seinem als Gedicht bezeichneten Text hatte der Literaturnobelpreisträger angeprangert, dass der Iran von einem atomaren Angriff durch Israel bedroht sei, der das iranische Volk auslöschen könne. Zudem schrieb er, dass Israel den Weltfrieden gefährde. Dies hatte ihm harsche Kritik und den Vorwurf des Antisemitismus eingebracht.

Überwiegende Kritik

Die Politik- und Kulturszene in Deutschland reagierte überwiegend mit Kritik. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte es "nicht geistreich, sondern absurd" Israel und Iran auf gleiche moralische Stufe zu stellen. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki befand das Gedicht für grauenvoll und unerträglich. Grass habe klar die Absicht gehabt, "den Judenstaat zu attackieren".

Grass erklärte derweil in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Osterausgabe), er würde nun seine Kritik präziser formulieren. Er hätte deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, dass er die Politik der derzeitigen Regierung Israels habe treffen wollen: "Die kritisiere ich: Eine Politik, die gegen jede UN-Resolution den Siedlungsbau fortsetzt. Ich kritisiere eine Politik, die Israel mehr und mehr Feinde schafft und das Land mehr und mehr isoliert."

Moralische Instanz?

Grass meldete sich in der Vergangenheit immer wieder auch als politischer Autor zu Wort, weswegen er in Deutschland als moralische Instanz bezeichnet wurde. 2006 musste Grass dann zugeben, als 17-Jähriger Mitglied von Adolf Hitlers Waffen-SS gewesen zu sein. Dies brachte ihm, der sich immer kritisch mit der deutschen Nazi-Vergangenheit auseinandergesetzt hatte, heftige Kritik ein. Seine moralische Integrität verblasste.