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Mission erfüllt?

Svenja Üing 31. Dezember 2012

Im Jahr 1996 gründeten das Bundesbildungsministerium und die Deutsche Telekom die "Schulen ans Netz"-Initiative und leisteten damit mediale Pionierarbeit. Jetzt endet das Projekt. Doch hat es seine Mission erfüllt?

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Stecker (@ Fotolia)
Bild: Fotolia/RRF

Wenn an der Katholischen Grundschule Mainzer Straße in Köln eine Lehrerin ihr eigenes Notebook oder iPad mit in die Schule bringt, ist sie sogleich von neugierigen Mädchen und Jungen umringt. Technik wirkt anziehend auf die Kinder, und Notebooks und iPads gibt es in den Klassenräumen dieser Kölner Grundschule nicht, ebenso wenig wie in den meisten anderen Schulen in Deutschland. Aber immerhin steht in jedem der vierzehn Klassenzimmer der Grundschule Mainzer Straße heute mindestens ein internetfähiger Computer, an dem die Kinder regelmäßig arbeiten dürfen.

In den 1990er Jahren sah das noch anders aus. Damals waren die Schulen in Deutschland mediales Brachland. Um das zu ändern, gründete das Bundesministerium für Bildung und Forschung 1996 gemeinsam mit der Deutschen Telekom AG den Verein "Schulen ans Netz". Der Name war Programm, denn der offizielle Auftrag lautete, alle 35.000 damaligen Schulen in Deutschland mit einem eigenen Internetanschluss zu versorgen.

Wichtige Anschubfinanzierung für Schulen

Von diesem Engagement habe auch ihre Schule profitiert, erzählt Barbara Sengelhoff, Schulleiterin der KGS Mainzer Straße. Zunächst sei ein kleiner Medienraum eingerichtet worden, anschließend habe man nach und nach aufgestockt. "Darauf wollen wir heute auf keinen Fall mehr verzichten", so Barbara Sengelhoff. Deshalb kann sie auch nicht verstehen, dass die Initiative "Schulen ans Netz" Ende 2012 ihre Arbeit einstellt. "Durch die ständige Weiterentwicklung der Medien bräuchten wir Schulen noch sehr viel mehr Unterstützung."

Maria Brosch Geschäftsführerin von Schulen ans Netz e.V. (Copyright: Schulen ans Netz e.V.)
Geschäftsführerin Maria Brosch geht mit gemischten GefühlenBild: Schulen ans Netz e. V.

Doch das wird nicht geschehen. Maria Brosch, Geschäftsführerin von "Schulen ans Netz", hat längst die Umzugskartons gepackt und in ihrem Bonner Büro als Letzte das Licht ausgeschaltet. Sechzehn Jahre war sie hier tätig, jetzt geht sie - mit gemischten Gefühlen. "Ich bin natürlich sehr froh, dass wir sehr viele Erfolge vorweisen konnten", sagt Maria Brosch. "Aber es hätte noch so viel zu tun gegeben." "Schulen ans Netz" werde als bundesweite Medieninitiative fehlen. Dass das Projekt jetzt endet, reiße eine große Lücke, so die scheidende Geschäftsführerin.

Erfolg in Etappen

Um zu verstehen, wie groß diese Lücke ist, muss man sich die Entwicklung des Vereins vergegenwärtigen. Fünf Jahre nach seiner Gründung hatte das Projekt im Jahr 2001 sein erstes großes Ziel erreicht. Alle Schulen in Deutschland besaßen einen Internetanschluss. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass es nicht ausreichte, den Schulen Computer zu liefern und Leitungen zu legen - denn ohne medienpädagogische Konzepte kann die beste Technik von Lehrern wie Schülern nicht ausreichend genutzt werden.

Deshalb schrieb sich "Schulen ans Netz" in den 2000er Jahren die nächste große Mission auf die Fahnen. Die Mitarbeiter entwickelten Lehr- und Lernplattformen fürs Internet und medienpädagogische Modellprojekte, zunächst für die Schulen, später dann auch für Kindergärten, berufliche Bildungseinrichtungen und spezielle Zielgruppen wie Mädchen oder Migranten.

Screenshot der Internetseite "Schulen ans Netz" vom 27.12.212. Link: http://www.schulen-ans-netz.de/ Copyright: Pädagogische Hochschule Ludwigsburg ***ACHTUNG: Das Bild darf nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu "Schulen ans Netz e.V." verwendet werden.***
Die Website des Vereins geht vom NetzBild: Schulen ans Netz e.v.

Eines dieser Vorzeigeprojekte ist "LizzyNet", ein Online-Magazin für Mädchen und junge Frauen, gegründet im Jahr 2000. Sieben Jahre wurde die Redaktion von "LizzyNet" durch "Schulen ans Netz" gefördert, heute steht sie als GmbH auf eigenen Beinen. Dass "Schulen ans Netz" seine Arbeit beendet, kann Geschäftsführerin Ulrike Schmidt nicht verstehen: "Die Initiative hätte mit einer leicht veränderten Ausrichtung weitergehen sollen", findet sie. "Ich weiß nicht, wer sich jetzt darum kümmern soll."

"Die Mission ist nicht erfüllt"

Zwar gibt es in den Kommunen und auf Länderebene durchaus erfolgreiche Medienprojekte, aber eben nicht auf Bundesebene. Deshalb sieht auch Horst Niesyto, Professor mit Schwerpunkt Medienpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, die Mission von "Schulen ans Netz" als nicht erfüllt. "Wenn wir wirkliche Nachhaltigkeit wollen, dann muss man über neue Wege nachdenken. Aber dazu ist die Politik offensichtlich nicht in der Lage", so Niesyto, der zugleich Sprecher der bundesweiten Initiative "Keine Bildung ohne Medien" ist.

Prof. Dr. Horst Niesyto, Professor mit Schwerpunkt Medienpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. (Copyright: Pädagogische Hochschule Ludwigsburg)
Professor Niesyto vermisst Medienprojekte auf BundesebeneBild: Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Auch Bitkom, der Branchenverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien, beobachtet die Entwicklung kritisch. Unterrichtskonzepte und Lehrerweiterbildung in Deutschland hingen nach wie vor sehr stark vom Engagement der Bundesländer und der Schulträger ab, sagt Stephan Pfisterer, Bitkom-Bereichsleiter für Bildungspolitik und Arbeitsmarkt. "Der Durchbruch ist hier nicht so nachhaltig, wie wir uns das gewünscht hätten."

Erfolglose Suche nach finanzstarken Partnern

"Wir bräuchten jetzt eine konzertierte Aktion zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Privatwirtschaft", so Geschäftsführerin Maria Brosch. Zumal das Unternehmen Deutsche Telekom schon vor drei Jahren aus dem Kooperationsprojekt ausgestiegen ist. Doch dafür neue, finanzstarke Partner zu finden, sei ihr in den vergangenen Jahren einfach nicht gelungen, bedauert sie.

In der Grundschule Mainzer Straße sorgt derzeit die Stadt Köln gemeinsam mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft für die technische Ausstattung und deren Wartung. Dafür ist Schulleiterin Barbara Sengelhoff sehr dankbar. "Doch wenn ich sehe, wie wenig Geld die Kommune im Moment hat", sagt sie, "dann befürchte ich, dass die Unterstützung ausbleibt, wenn die ersten Rechner kaputt gehen."